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Landtagswahl in NiedersachsenLinkspartei bleibt APO

Die Linkspartei verpasst deutlich den Einzug in den niedersächsischen Landtag. Die Hochrechnungen sehen sie bei weniger als 3 Prozent.

Gescheitert: Jessica Kaußen, Spitzenkandidatin der Linkspartei in Niedersachsen Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Berlin taz | Noch vor der ersten Hochrechnung ging Janine Wissler um 18:15 Uhr im Karl-Liebknecht-Haus, der Berliner Parteizentrale, vor die Presse. Die Vorsitzende der Linkspartei wollte es schnell hinter sich bringen. „Wir erleben gerade eine tiefe soziale Krise mit dramatischen Preissteigerungen“, sagte sie. Das sei eine Situation, in der eine linke Opposition „dringend nötig“ sei. Ihre Partei habe auch einen „engagierten Wahlkampf“ geführt. „Dennoch konnten wir am Ende zu wenige davon überzeugen, ihr Kreuz bei der Linken zu machen“, musste Wissler schließlich mit traurigem Blick konstatieren.

Nach den ersten Hochrechnungen kommt die Linke auf weniger als 3 Prozent der Stimmen. Das ist bitter für die Partei. „Ja, es ist ein enttäuschendes Ergebnis in einer Situation, die für die Linke nicht einfach ist“, sagte Wissler. Schon bei der Bundestagswahl landete die Linkspartei in Niedersachsen nur bei 3,3 Prozent. Nun sind es noch weniger geworden. Vor fünf Jahren war sie mit 4,6 Prozent noch recht knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert.

Als Spit­zen­kan­di­da­t:in­nen hatte die Partei diesmal die 32-jährige Maschinenbauingenieurin Jessica Kaußen und den 44-jährigen Kaufmann Lars Leopold ins Rennen geschickt. Die Laatzenerin Kaußen ist seit 2016 Vorsitzende der Linksfraktion in der hannoverschen Regionsversammlung, dem größten kommunalen Gremium Niedersachsens. Der Hildesheimer Leopold steht in einer Doppelspitze gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Heidi Reichinnek dem Landesverband der Linken vor. Doch Außstrahlungskraft entfaltete das niedersächsische Spitzenpersonal nicht.

Für das Wahlergebnis sicherlich nicht förderlich war, dass sich die Linkspartei in Niedersachsen seit langem schon in einem zerzausten Zustand befindet – nicht zuletzt eine Folge des Treibens des Ex-Bundestagsabgeordneten Diether Dehm. Erst als PDS-, dann als Linken-Landesvorsitzender und schließlich als graue Eminenz im Bundestag zog der umtriebige Musikproduzent über fast zwei Jahrzehnte die Strippen in dem Landesverband – und hinterließ bei seinem Rückzug nach der vergangenen Bundestagswahl einen Scherbenhaufen. Wegen seiner öffentlichen Überlegungen über eine mögliche Konkurrenzkandidatur bei der kommenden Europawahl prüft der Linksparteivorstand derzeit „mit Hochdruck“ ein Ausschlussverfahren gegen den eingefleischten Wagenknecht-Anhänger.

Nach den 2,6 Prozent im Saarland, den 1,7 Prozent in Schleswig-Holstein und den 2,1 Prozent in Nordrhein-Westfalen bedeutet der Urnengang in Niedersachsen für die Linkspartei die Fortsetzung der schweren Wahlschlappen in diesem Jahr. Dabei hatte sich sowohl die Parteispitze als auch die Bundestagsfraktionsführung mächtig für eine Trendwende ins Zeug gelegt: Wissler, Martin Schirdewan, Dietmar Bartsch und die aus Niedersachsen stammende Amira Mohamed Ali absolvierten etliche Wahlkampfauftritte.

Zuletzt war auch noch der Altvordere Gregor Gysi an die Leine gereist, um seinen Par­tei­freun­d:in­nen beizustehen. Die Kundgebungen mit ihm waren ordentlich besucht. Doch genützt hat es alles nichts. Die Hoffnung, von der Unzufriedenheit über die von zahlreichen Menschen als nicht sozial genug empfundene Krisenpolitik der Ampelkoalition zu profitieren, hat sich nicht erfüllt. Die Diskussion über die Zukunft der Linkspartei dürfte nun weiter Fahrt aufnehmen.

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9 Kommentare

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  • "Was die Linkspartei gar nicht begreifen kann, ist dass eine generelle Funktionsbestimmung, gegen Armut und soziale Ausgrenzung muss es eine linke Partei geben, ihnen nicht Stimmen bringt. (...) Alleine auf diese Funktionszuschreibung zu vertrauen bringt gar nicht, es muss jeder Zentimeter, jedes Wahllokal erkämpft, erstritten werden."

    Interessanter Punkt, aber ich glaube, er stimmt nicht, denn er erklärt nicht die Wahlerfolge der Grünen.

    Die Grünen haben nicht einmal so eine vage Funktionszuschreibung (früher hatten Sie das mit "Naturschutz", aber das Thema ist mittlerweile global und damit auch ein Stück weit virtuell), sondern stehen einfach nur für "das gute, progressive Leben der oberen Mittelklasse". Und das scheint zu ziehen, unabhängig von politischen Inhalten. Wenn die Grünen sagen, Waffenexporte sind progressiv, dann sind sie für die Wähler progressiv. Wenn die Grünen sagen, Waffenexportverbote sind progressiv, ebenso. Und mit der Kernkraft wird es das Gleiche. Parteien funktionieren als Projektionsfläche, dann sind sie erfolgreich. Konkrete Politik ist da eher hinderlich.

  • „Ja, es ist ein enttäuschendes Ergebnis in einer Situation, die für die Linke nicht einfach ist“, sagte Wissler. -



    Da fragt man sich, wie einfach will die Linke es denn haben?

  • Faszinierend, wie der Artikel konsequent den großen rosa Elefanten im Zimmer ausblendet, der die Linkspartei derzeit unwählbar macht. Herr Dehm ist da eher das kleine graue Nilpferd. Solange Wagenknecht, Ernst, Dagdelen & Co. im Porzellanladen herumrandalieren, helfen alle guten An- und Vorsätze nix.

    • @CarlaPhilippa:

      Genau so ist es.

      Sogar der Berliner Landesverband, der immer sehr kritisch gegen Dehm, Wagenknecht, Ernst und Dagdelen war, wird das im kommenden Februar massiv zu spüren bekommen.

      Im letzten Jahr habe ich noch links gewählt. Doch meine Stimme kriegt die Partei erst wieder, wenn die oben genannten Personen keine signifikante Rolle mehr spielen. Bis dahin vielleicht Klimaliste...

  • Tja, Amira hat zwar nen coolen Nachnamen, landet aber für die Partei keine Treffer. Dieter Dehm wird nachwirken - peinlich, I'd rather Vote for Maria and Margot Hellwig - bin auch überzeugt die hätten sich nie zu diesem Impfgeschwurbel herabgelassen ...

    Erschreckend wie lange sich diese Partei von Idiot*innen zu Grabe tragen lässt... Gaaanz ehrlich Zarah Leander hat weniger Scheisse verzapft. Also bitte Sahra absägen, die kleine Kostümschnitte kriecht in den falschen Arsch. Ich hoffe doch sehr es wird nochmal ein Wunder geschehen....



    Vor allem muss ich wohl in Berlin demnächst auch eine Bundeswahlentscheidung treffen und will eine ernsthafte linke Kraft wählen ... Ja und nur weil die Nato Scheisse ist werden andere Kriegstreiber kaum besser sein.

    Trennt euch gefälligst von euern Altlasten.

    However, wer sowohl das Klima als auch das gute Leben und das *Sternchen retten will, kann gegenwärtig weder bei den Grünen noch bei der Linken ernsthaft ein Kreuz setzen.



    Also ich sehe keine linke Kraft mehr im Parlament... Nur autortäten Keynsschen Staatsfetischismus und einen Ökoliberalismus der das Wort "Warmduscher" zur widerständigen Existenz adelt...

    Was zu sagen bliebe: " macht kaputt, was euch kaputt macht“ Apo bitte übernehmen ...

  • Solange empathiefrei Leute wie Wagenknecht &Co in dieser Partei geduldet werden, ist sie schlicht unwählbar.



    Die Behauptung, man habe "einen Wirtschaftskrieg gegen Russland VOM ZAUN GEBROCHEN [also quasi anlasslos begonnen]" ist so unerträglich widerlich und spuckt den Opfern des putinschen Terrors ins Gesicht, dass niemand mit einem Hauch von Anstand diese Partei noch unterstützen kann !

    Hoffentlich gibt es bald endlich den überfälligen Schnitt - eine wählbare Partei für den sozialen Zusammenhalt wird dringenst gebraucht !!!

  • Die Linke muss studieren, wie man Wahlkämpfe macht, sie muss im Politikmanagement nachsitzen. Sonst wird die DKP Vorbild, eine stabile Partei, solange das Geld aus Ost-Berlin floss ...



    Im Kern geht es um die Wahlkampfführung, die Linke hatte auch in diesem Jahr eine Chance haben können.



    Es ist nicht besonders geheim, wie gute Wahlkämpfe geführt werden, wie sie geplant werden.



    Ein Jahr vor der Wahl fangen ein oder zwei Profis mit der Planung an. Sie sind nicht in der Partei oder in den Streitereien der Partei drinnen, sie können ungehindert und ungestört arbeiten und planen. Legendär 1998, wie die SPD einen amerikanischen Wahlkampf machte. Das Kernstück ist das Themenmanagement, denn hier muss die Partei auf der Zielgeraden sehr stringent agieren und dann punkten.



    Die Linke ist aber vor Ort oftmals eine Partei von lieben, engagierten und bewegten Menschen, die nicht aus dem Politik-Busienss kommen und die das sogar oftmals auch noch ablehnen. Insofern legt gerade die Linkspartei meist einen so schlechten Wahlkampf hin, dass die Ergebnisse in ihrer Niedrigkeit noch ganz gut sind.



    Was die Linkspartei gar nicht begreifen kann, ist dass eine generelle Funktionsbestimmung, gegen Armut und soziale Ausgrenzung muss es eine linke Partei geben, ihnen nicht Stimmen bringt. Die SPD stand immer für sozialen Ausgleich, steht sie seit 2003 nicht mehr, sie hat dennoch manche Wahl gewonnen, Scholz gewann in Hamburg.



    Alleine auf diese Funktionszuschreibung zu vertrauen bringt gar nicht, es muss jeder Zentimeter, jedes Wahllokal erkämpft, erstritten werden. Es muss Wege geben, wie mit den Bürgern gesprochen wird, wie in Kontakt getreten wird.



    Es gibt da so viele Bücher und Lehrbücher inzwischen, es ist bemerkenswert, dass die Linkspartei ihre stumpfen Arbeitsweisen nicht anpassen kann. Man lernt nichts dazu. Man verliert und man hält dann noch idiotische Statement bereit, auf die alle Journalisten verzichten können. Die kommen nur noch, um zu hören, bleibt Wissler?



    Geht sie?

    • @Andreas_2020:

      Solange Figuren wie Dehm in der Partei wirkmächtig sind, kann sie studieren, was und bei wem sie will.

      Man quält sich einfach weiter, bis Frau Wagenknecht endlich mit möglichst großem Anhang von dannen zieht.

      Dann kann man die Scherben zusammenkehren und mit klarem Kopf überlegen, wie es weitergehen könnte.

      • @Jim Hawkins:

        Dann wird es -wahrscheinlich - zu spät sein.