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Geldstrafe gegen Linken-PolitikerinUrteil nach Tagebau-Aktion

Drei Jahre nach der Besetzung eines Tagebaus: Die sächsische Landtagsabgeordnete Juliane Nagel wird zu einer Geldstrafe verurteilt.

In erster Instanz verurteilt Juliane Nagel Foto: dpa

Dresden taz | Sie ist die einzige direkt gewählte Abgeordnete der Linken im Sächsischen Landtag. Jetzt ist Juliane Nagel wegen Hausfriedensbruchs verurteilt worden. Das Amtsgericht Borna in Mittelsachsen verhängte am Donnerstag eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 150 Euro. Es geht dabei um die Besetzung des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain im Südraum Leipzig vom November 2019.

Etwa tausend Klimaaktivisten des Bündnisses „Ende Gelände“ hatten damals friedlich für einige Stunden den Kohleabbau blockiert und einen schnelleren Kohleausstieg gefordert. Zuvor hatten in den Sommern 2018 und 2019 Klimacamps im nahen und damals noch von Abbaggerung bedrohten Dörfchen Pödelwitz stattgefunden. Juliane Nagel nahm an der Tagebaubesetzung nach eigenen Angaben als parlamentarische Beobachterin teil. Das Gelände sei nicht abgezäunt gewesen.

Die Mitteldeutsche Braunkohle AG (Mibrag) überzog daraufhin identifizierte und prominente Teilnehmer mit Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs. Sie richten sich auch gegen Nagels Parlamentskollegen Marco Böhme, gegen einen Fotografen der Leipziger Volkszeitung und einen freien Leipziger Journalisten. Der Landtag hatte daraufhin die Immunität von Nagel und Böhme aufgehoben. Das Urteil gegen Juliane Nagel bildet den Auftakt mehrerer Verfahren.

Zuvor hatte allerdings das Amtsgericht Leipzig eine andere Teilnehmerin der Blockade mit dem auch von Nagels Anwältin vorgebrachten Argument freigesprochen, sie habe keine physische Sperre durchbrochen. In zweiter Instanz wurde sie dann doch bestraft, weil ihr Sachbeschädigung nachgewiesen werden konnte.

„Politiker des Establishments“

Die Linken-Abgeordnete spricht von einem besonderen „Verfolgungseifer“ der Mibrag. Sie versuche, Menschen an den juristischen Pranger zu stellen und einzuschüchtern.

Nach gegenwärtigem Stand will Nagel in Berufung gehen, obschon die verhängte Geldstrafe nahe an der Bagatellgrenze liegt. In sozialen Netzwerken und in Leserkommentaren von Medien wird Solidarität geäußert, aber auch die Frage diskutiert, ob der Einsatz für eine gute Sache einen Gesetzesbruch rechtfertige.

Die rechtsextremen Freien Sachsen bedauerten, dass die Höhe des Urteils keine abschreckende Wirkung entfalte und konstatierten mit Genugtuung, „dass auch Politiker des Establishments nicht straffrei ausgehen“.

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7 Kommentare

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  • Ein angemessenes Zeichen für das Ende der Klimapolitik der Grünen. Kohle, Kohle, Kohle!

  • @ZWEITKORREKTUR

    Wenn wir schon bei "I'm not a lawyer, but I play one on TV" sind: im Text ist nur von Hausfriedensbruch die Rede. Haben die Mibrag-Anwälte da was verpasst? Vielleicht können Sie deren Team zur Veerstärkung eilen?

  • taz: "Die rechtsextremen Freien Sachsen bedauerten, dass die Höhe des Urteils keine abschreckende Wirkung entfalte ..."

    Ich könnte jetzt etwas über braune Hohlköpfe schreiben, aber diese rechtsextremen Klimaleugner sind keinen weiteren Satz wert.

  • "Die Linken-Abgeordnete spricht von einem besonderen „Verfolgungseifer“ der Mibrag. Sie versuche, Menschen an den juristischen Pranger zu stellen und einzuschüchtern."

    Nun, wenn man Gesetze nicht durchsetzt, braucht man keine mehr. Die Argumentation von Frau Nagel schließt ja ein - zumindest interpretierbar - ein, dass es Gründe für eine Verfolgung gibt.

    Frau Nagel kennt doch die Spielregeln einer demokratischen Gesellschaft.

    Viel Lärm...

    • @Zweitkorrektur:

      Kommt ein wenig auf die Bezugsgrößen an, also wer da was mit wessen Hilfe und in wessen Interesse durchsetzt.

      Der Vorwurf des besonderen Verfolgungseifers bezieht sich nach meiner Interpretation übrigens weniger auf die Abgeordnete selbst als auf die normalen Demonstranten, für die auch eine solche Geldstrafe wesentlich schmerzhafter ist.

  • "... ob der Einsatz für eine gute Sache einen Gesetzesbruch rechtfertige."

    Wenn es denn Gestzesbruch war. Hausfriedensbruch, mangelnde Umzäunung und so weiter.

    • @tomás zerolo:

      Ich springe mal über das Stöckchen. ;-)

      Eingriff in den Bahnverkehr (nicht Hausfriedensbruch) ist es auch, wenn Sie sich auf die Gleise setzen ... da kommen Sie mit "mangelnder Umzäunung" auch nicht weit.