Bremer Innenbehörde stellt Bedingungen: Gemeinnutz nur mit Spitzeln

Weil ein Bremer Kulturzentrum den Verfassungsschutz nicht auf dem Podium sehen will, stellt die Innenbehörde dessen Status als gemeinnützig infrage.

zwei männer mit broschüre

Haben Sie einen Moment Zeit, um über die freiheitlich demokratische Grundordnung zu sprechen? Bremens Innensentor Ulrich Mäurer (r.) und sein oberster Verfassungsschützer Dierk Schittkowski (l.) Foto: Michael Bahlo/dpa

BREMEN taz | Ein „völlig gestörtes demokratisches Verständnis“ hat die Sprecherin des Bremer Innensenators, Karen Stroink, dem Kulturzentrum Kukoon vorgeworfen. Damit reagierte sie auf eine Veranstaltungsabsage seitens des Bremer Kollektivs: Für den 6. Oktober war in dessen Räumlichkeiten die Podiumsdiskussion „Von der Organisation Consul zu NSU und Hannibal“ angesetzt – veranstaltet von der Landeszentrale für politische Bildung Bremen, der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Verein „Erinnern für die Zukunft“.

Unter den geladenen Gästen: die Leiterin des Referats für Rechts- und Linksextremismus im Bremer Landesamt für Verfassungsschutz. Dass das Kukoon diese nicht im Kulturzentrum willkommen heißen wollte, stieß beim Innenressort auf heftiges Unverständnis. So stellte Stroink gegenüber dem Weser Kurier infrage, „ob die Förderung eines solchen Vereins durch öffentliche Mittel weiterhin angebracht“ sei – was sie auch der taz bestätigte.

Beim Gemeinnutz geht es nicht nur um ein Qualitätssiegel oder den guten Ruf: Eine solche Streichung würde für das Kukoon-Kollektiv und den daran angebundenen Verein für Bunte Kombinationen massive finanzielle und rechtliche Einschränkungen bedeuten. Akute Sorgen müssen sie sich aber eher nicht machen. Das Innenressort ist für solche Fragen schließlich überhaupt nicht zuständig, sondern die Finanz- und Kulturbehörde.

Eine sonderbare Drohgebärde

Bemerkenswert ist der Vorstoß dennoch. Die öffentliche Drohgebärde aus dem SPD-geführten Ressort dürfte Wirkung zeigen, spielt eine Diskreditierung des Kollektivs doch all jenen in die Hände, für die der Gegner vor allem links steht.

Ver­an­stal­te­r*in­nen und weiterer Podiumsgäste sehen die Ausladung entspannt: „Jeder Veranstaltungspartner muss das Recht haben, über sein Profil entscheiden zu können“, sagt etwa Thomas Köcher von der Landeszentrale für politische Bildung. Irritiert habe nur die Kurzfristigkeit der Absage, da bestehe Gesprächsbedarf. Dennoch: „Wir schätzen das Kukoon als Kooperationspartner.“ Auch die eingeladene Bürgerschaftsabgeordnete Kai Wargalla (Grüne) äußerte Verständnis für die Entscheidung des Kollektivs.

Stattgefunden hat die umstrittene Veranstaltung übrigens trotzdem, nur eben woanders, kurzfristig um ein paar hundert Meter in die Theaterkneipe Falstaff verlegt. Im Ankündigungstext heißt es: „Die staatlichen Sicherheitsorgane hatten damals wie heute Schwierigkeiten, weitreichende rechtsradikale Netzwerke im Hintergrund zu erkennen – sei es aus eigener Verstrickung oder wegen des in der Gegenwart hochproblematischen V-Leute-Systems“. Vor diesem Hintergrund sollten „Möglichkeiten einer wehrhaften Demokratie“ diskutiert werden.

Stroink hingegen sieht den Verfassungsschutz als „Frühwarnsystem gegen Extremismus jeglicher Form“ und die Absage als undemokratisch – beziehungsweise „völlig gestört“. Das weit über die Szene hinaus in Sachen sozialer Teilhabe und Diskriminierungsabbau engagierte Kollektiv wird diesen Vorwurf aushalten. Erste linke Gruppen haben sich bereits mit dem Kukoon solidarisiert, etwa die Basisgruppe Antifaschismus.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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