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Fun­da­men­ta­lis­ten vor Pro FamiliaBeten gegen Abtreibung

Ab­trei­bungs­geg­ne­r:in­nen belästigen vor Beratungsstellen schwangere Frauen. Die Ampel will das verhindern.

Mittlerweile gibt es ein Wort für die Belagerung vor den Beratungsstellen: „Gehsteig­belästigung“ Foto: Alexander Pohl/imago

Frankfurt am Main/Berlin taz | Am Mittwoch, Punkt 13 Uhr, platzieren sich ein älterer Mann und vier Frauen vor der Geschäftsstelle von Pro Familia in Frankfurt. Eine weitere Frau mit Sonnenbrille kniet auf dem kalten Pflaster. Vor sich hat sie ihre Handtasche wie einen Schutzschild aufgestellt. Daneben eine Milchtüte mit Strohhalm. Der Mann gibt den Vorbeter.

Den Platz prägen prächtige Palmen, im Süden der Blick auf die Skyline von Frankfurts, gegenüber das noble Gesellschaftshaus des Palmengartens mit Parkanlage und Wasserfontäne. Eigentlich ist das ein friedlicher Ort. Doch wenn sich hier die „Mahnwachen für das ungeborene Leben“ aufstellen, wurde es in der Vergangenheit oft unfriedlich.

An diesem Mittwoch jedoch bleibt es zunächst ruhig. Die Ab­trei­bungs­geg­ne­r*in­nen kommen aus dem Umkreis der erzkatholischen kroatischen Gemeinde. Ununterbrochen murmeln sie Gebete und Mariengesänge. Auf jedes „Vater unser“ folgt ein „Ave Maria“, schließlich ein Glaubensbekenntnis und dann das Ganze von vorne. Dazu lassen sie Rosenkränze durch ihre Hände gleiten. Wenn sie dann aber mit schrillen Stimmen fromme Lieder anstimmen, stören sie die Gespräche in der Geschäftsstelle.

Die Betenden gehören zu „40 Days for Life“, einer in den USA entstandenen Kampagne gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Seit 2017 veranstalten sie auch in Deutschland regelmäßig Mahnwachen vor Einrichtungen wie Pro Familia, 40 Tage lang, in diesem Jahr neben Frankfurt auch in Pforzheim, Stuttgart und München.

Kein Weg an den Protesten vorbei

An diesem Mittwoch haben die selbsternannten WächterInnen noch keine Plakate mit verklärenden Fotos von Föten im Mutterleib mitgebracht, keine Babypuppen. Doch das wird kommen. So war es in allen Jahren davor. Ob nun Mit­ar­bei­te­r*in­nen oder ungewollt Schwangere: Wer in die Beratungsstelle hinein will, muss an ihnen vorbei.

Am Nachmittag ist eine große Kundgebung feministischer Organisationen vor Pro Familia geplant. Der 28. September ist der International Safe Abortion Day, an dem auch in vielen deutschen Städten Menschen das Recht auf sicheren Schwangerschaftsabbruch einfordern.

Gegen die Belästigung haben die Beratungsstellen kaum eine Handhabe. Die hessischen Grünen hatten ihrem Wiesbadener Koalitionspartner CDU zwar eine Landesverordnung abgerungen, mit der das aufdringliche Bekenntnis im Umfeld von Beratungsstellen ein für alle Mal tabu werden sollte.

Doch im März kassierte der hessische Verwaltungsgerichtshof eine entsprechende Anordnung der Stadt. Der VGH erkannte zwar einen „sensiblen Tätigkeitsbereich“, doch den Frauen stehe auf dem Weg zur Beratung „kein Konfrontationsschutz“ vor nicht gewünschten Ansichten zu, so das hohe Gericht.

Ampel sieht Handlungsbedarf

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, Katja Mast, sieht in den Mahnwachen eine unzumutbare Belästigung. „Die Frauen, die eine Beratungsstelle aufsuchen, müssen das tun, weil sie einen Beratungsschein brauchen, wenn sie einen Abbruch vornehmen wollen“, sagte Mast. „Sie befinden sich in einer Ex­trem­si­tuation, und dass sie dabei von Abtreibungsgegnern beobachtet und angesprochen werden, ist meiner Ansicht nach unerträglich.“

Auch in Masts Wahlkreis Pforzheim belagern Abtreibungsgegner regelmäßig die Beratungsstelle von Pro Familia mit Kindersärgen und stilisierten Föten. Und auch dort kassierte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim gerade erst ein Verbot entsprechender Mahnwachen.

Auch sie sehe Handlungsbedarf, sagte am Mittwoch Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne). Menschen trauten sich wegen dieser lautstarken und eskalierenden Proteste mitunter nicht mehr in die Beratungsstellen. „Das hat mit Demonstrationsrecht erst mal nichts zu tun“, betonte die Ministerin. Vielmehr gehe es um „Bedrohung von Personen, die entsprechende Einrichtungen aufsuchen wollen“.

Noch in diesem Jahr will die Ampelregierung ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen: Gehsteigbelästigungen sollen bundesweit einheitlich als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Aktualisiert am 29.09.2022 um 09.33 Uhr

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7 Kommentare

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  • Es entsetzt mich immer wieder, wie dünn das demokratische Eis in diesem Land ist.

    „Gehsteigbelästigung“, „Belagerung“, „Bedrohung“- was für ein Framing.

    Wie blöd man auch immer diesen Club findet – dass das eine kleine Demo ist, kann man nicht wegdiskutieren.

    Meinungs- und Versammlungsfreiheit also nur, wenn die „richtige“ Meinung vertreten wird?

    Ich hätte da von der Taz wie von einer grünen Bundesfrauenministerin mehr erwartet.

    AFDler werden den Terminus „Gehsteigbelästigung“ gerne in ihren Wortschatz aufnehmen.

  • Na ja, die von der Ampel angestrebte bundesgesetzliche Regelung wird auch nur für einige Monate Abhilfe schaffen. Bis sie vom BVerfG einkassiert wird. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit wird hier immer überwiegen.

  • Einen Mitarbeiter abstellen, der in Fensternähe arbeitet und immer, wenn er potenzielle Kundinnen entdeckt, raus geht und sie freundlich hinein begleitet und ihnen sagt, sie müssten die komischen rezitierenden Menschen da draußen nicht beachten!

  • Da lechzt mir die Sehnsucht auf, vor katholischen Portalen vor dem Gottesdienst die Kinderschänderei anzuklagen; garantiert wären die Reaktionen der Reaktionäre nicht sehr friedvoll...

  • Kann da nicht einfach eine Punk-Band spielen, bis die gehen? Aber die wird dann wahrscheinlich wegen nicht genehmigter Auftritte vom Ordnungsamt verjagt...

    • @Mustardman:

      Eine Bad Religion Coverband wäre perfekt

  • Da es sich um eine Unangemeldet Demonstrationen handelt kann diese aufgelöst werden und oder mit Auflagen belegt werden.