Mahnwache gegen Ab­trei­bungen: Protestbann vor Pro Familia gekippt

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim erlaubt Ab­trei­bungs­geg­ne­r:in­nen Demos vor einer Pforzheimer Beratungsstelle – nicht aber „in nächster Nähe“.

Plakate von Abtreibungsgegnern

Immer sonntags demonstrieren Abtreibungsgegnerinnen in Augsburg Foto: Pohl/imago

FREIBURG taz | Eine 40-tägige Mahnwache von Ab­trei­bungs­geg­ne­r:in­nen gegenüber einer Pro Familia-Beratungsstelle hätte nicht verboten werden dürfen. Dies entschied jetzt der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg. Nur „in nächster Nähe“ seien die Rechte abtreibungswilliger Frauen bedroht.

Anfang 2019 wollte die Bewegung „40 Days for Life“ gegenüber der Schwangerschaftskonflikt-Beratungsstelle von Pro Familia in Pforzheim eine 40-tägige Mahnwache mit Gebeten und Plakaten durchführen. Die katholische Gruppierung kommt ursprünglich aus den USA und ist inzwischen weltweit aktiv.

Doch die Stadt Pforzheim sprach damals eine weitreichende Auflage aus. Während der Öffnungszeiten von Pro Familia dürfe die Mahnwache nicht in Sicht- und Rufweite der Beratungsstelle stattfinden. Die Mahnwache sei am geplanten Ort eine „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“, so die Stadt, weil sie die Persönlichkeitsrechte der Schwangeren verletze, die sich vor einer Abtreibung beraten lassen müssen. Pro Familia sei die einzige nicht-konfessionelle Beratungsstelle in Pforzheim.

Der geplante Versammlungsort direkt gegenüber dem Pro Familia-Gebäude sei darauf ausgerichtet, die betroffenen Frauen einer „Anprangerung und Stigmatisierung“ auszusetzen. Bei der letzten Mahnwache von „40 Days for Life“ in Pforzheim seien Be­su­che­r:in­nen der Beratungsstelle bedrängt, belästigt und eingeschüchtert worden.

„Spießrutenlauf“ bleibt verboten

Die Ab­trei­bungs­geg­ne­r:in­nen bestritten in ihrer Klage, dass sie Frauen ansprechen oder Informationsmaterial verteilen. Sie wollten nur beten. Böse Blicke seien nicht verboten. Es gebe keine Bannmeile für Pro Familia-Einrichtungen. Eine Mahnwache in 100 Meter Entfernung zur Beratungsstelle nehme ihr die beabsichtigte Wirkung.

Beim Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe hatten die selbsternannen Le­bens­schüt­ze­r:in­nen keinen Erfolg. 2019 scheiterte ein Eilantrag. 2021 bestätigte das VG auch in der Hauptsache das Verbot der „blockadertigen Versammlung“ vor der Beratungsstelle.

Der VGH in Mannheim entschied nun aber anders. Zwar sei es richtig, dass Ab­trei­bungs­geg­ne­r:in­nen den schwangeren Frauen nicht ihre Meinung aufdrängen dürfen; ein „Spießrutenlaufen“ sei nicht zulässig.

Die geplante Mahnwache wäre jedoch durch eine vierspurige Straße von der Pro Familia-Beratungsstelle getrennt gewesen. Es sei nicht ausreichend belegt, so der VGH, dass es dabei zu „unausweichlichen“ Situationen gekommen wäre und die Mahnwachen-Teilnehmer:innen den Schwangeren „direkt ins Gesicht“ hätten sehen können. Auch dem Anblick der „als vorwurfsvoll empfundenen Plakate“ und dem Anhören der Gebete und Gesänge wären die Frauen wohl nicht „aus nächster Nähe“ ausgesetzt gewesen.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene heißt es: „Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzen wir wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegen.“ Konkrete Vorschläge der Bundesregierung sind noch nicht bekannt. (Az.: 1 S 3575/21)

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