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US-Notenbank erhöht Zinsen drastischFed löst neue Krisen aus

Die US-Notenbank geht mit drastischen Zinsschritten gegen die Inflation vor. Für die eigene Volkswirtschaft macht's Sinn, Leidtragende sind andere.

Fed-Chef Jerome Powell am 21. September in Washington Foto: Kevin Lamarque/reuters

Berlin taz | Die Inflation ist zwar auf beiden Seiten des Atlantiks hoch. Trotzdem ist aus US-Sicht nachvollziehbar, warum ihre Notenbank Fed den Leitzins am Mittwoch kräftig um weitere 0,75 Prozentpunkte auf eine Spanne von 3 bis 3,25 Prozent angehoben hat, während die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins kürzlich auf 1,25 Prozent erhöht hat.

Denn anders als in Europa sind die Preistreiber der hohen Inflation in den USA von zuletzt 8,3 Prozent nicht so sehr die hohen Energiekosten. Die USA sind nicht zuletzt aufgrund des umstrittenen Frackings bei der Energierversorgung weitgehend autark und damit weit weniger von russischen Gaslieferungen abhängig als Europäer:innen.

Hinzu kommt: Die US-Wirtschaft brummt. Sie ist in weiten Teilen überhitzt, der Arbeitsmarkt „extrem eng“, wie Fed-Chef Jerome Po­well den Zinsschritt begründet. Die sogenannte Kerninflation ohne Lebensmittel und Energie liegt in den USA deutlich über 6 Prozent, in Europa ist sie nur halb so hoch. Es sind also vor allem die Löhne, die in den USA steigen. In Europa tun sie das bislang nicht.

Mit ihrem dritten kräftigen Zinsschritt versucht die Fed den hohen Preisanstieg im eigenen Land in Griff zu bekommen, sorgt damit allerdings für finanzielle Verwerfungen in vielen anderen Ländern der Welt. Denn die hohen Zinssätze treiben den Dollar in die Höhe. Viele Länder sind aber in der US-Währung verschuldet. Für sie werden nicht nur wichtige, in Dollar gehandelte Rohstoffe wie Erdöl deutlich teurer, sondern auch ihre Kreditbedienung. Vor allem einkommensschwache Länder mussten während der Pandemie viele zusätzliche Kredite in US-Dollar aufnehmen. Die höheren Zinsen der Fed verteuern diese Kredite nun.

Schwellenländern droht neue Schuldenkrise

Hinzu kommt, dass die Inflation derzeit in den meisten Ländern auf der Welt hoch ist. Sie bringt insbesondere Länder in Zentralasien, Lateinamerika und südlich der Sahara in Afrika in noch viel größere Nöte als die Menschen in wohlhabenden Ländern. Die steigenden Zinssätze der Fed verschlimmern ihre Lage noch.

Doch auch an und für sich finanziell solide Schwellenländer könnte die Fed-Entscheidung in Bredouille bringen. Denn steigen in den USA die Zinssätze, werden Anlagen dort attraktiver. Dafür fließt jedoch Kapital aus Entwicklungs- und Schwellenländern ab. Welche verheerenden Auswirkungen drastische Zinserhöhungen der Fed haben können, zeigte sich in den 1980er Jahren. Der damalige Fed-Chef Paul Volcker erhöhte im Kampf gegen die Inflation seinerzeit drastisch die Zinsen. Länder wie Mexiko, Brasilien und Argentinien rutschten in eine schwere Schuldenkrise, von der sie sich jahrelang nicht erholten. Von einem verlorenen Jahrzehnt war in Folge des „Volcker-Schocks“ die Rede.

Deutschland profitiert – und verliert

Öko­no­m:in­nen befürchten, dass sich solche Schuldenkrisen nun wiederholten könnten. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa, betonte, es sei zwar richtig, dass die Zentralbanken mit Zinserhöhungen die hohe Inflation zu bekämpfen versuchten, sie warnte zugleich vor zu drastischen Schritten. Die globalen Finanzbedingungen könnten sich stärker als bisher angenommen verschärfen.

Auch Deutschland als Exportnation dürfte die Auswirkungen zu spüren bekommen. Einerseits profitiert die deutsche Wirtschaft von einem hohen Dollar zwar. Das macht Importe aus Deutschland für die USA günstig. Zugleich beliefert Deutschland auch viele Schwellen- und Entwicklungsländer mit Waren. Sollte sich ihre Lage verschlechtern, wird das auch die deutsche Exportwirtschaft treffen.

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12 Kommentare

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  • Wo also hört die Verantwortung der US Notenbank auf, wo fängt sie an. Und speziell, wie politisch darf sie sein, zumal global?



    Nein, so wie hier kann man schlecht argumentieren. Dann muss halt der IWF, Weltbank, G20....whoever erweiterte Kreditmodule anbieten, oder Schulungen für Staatenlenker was Kredite sind?

  • Dafür werden aber die Grundstückspreise und Mieten in Deutschland fallen sobald es für andere Anlageformen bessere Zinsen gibt. Die Niedrigzinspolitik der EZB hat doch erst dafür gesorgt, dass sich die großen institutionellen Anleger auf den unterbewerteten deutschen Immobiliensektor gestürzt haben. In den USA sind die Immobilienpreise in einigen Regionen schon um 30% eingebrochen. Deutsche Mieter haben jahrelang dafür bezahlt, dass andere Länder sich billiger verschulden können. Statt das offen zu kommunizieren hat die Politik aber lieber eine Neidkampagne gegen Vermieter gefahren. Das läuft hier ja immer gut.

  • So einfach gelingt, aus bestehenden Krediten unbezahlbare Kredite zu machen. Hahaha, ich nenne das Kapitalismus.

  • Die Aufgabe der Fed ist die Regulierung des US-Geldmarktes. Entwicklungen, die sich aus ihren Entscheidungen in anderen Ländern ergeben, hat sie dabei nicht zu interessieren. Es ist lange bekannt, dass sich zu viele Länder im Zeiten des günstigen Geldes zu hoch verschuldet haben und Probleme bekommen würden, wenn die Zinsen erst steigen.

    • @DiMa:

      "Die Aufgabe der Fed ist die Regulierung des US-Geldmarktes. Entwicklungen, die sich aus ihren Entscheidungen in anderen Ländern ergeben, hat sie dabei nicht zu interessieren." --> Das war exakt mein Gedanke.

      Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: Ein Chef der US-Notenbank, der sich weniger Gedanken um die US-Ökonomie und die Auswirkungen der US-Zinsen darauf, als um andere Länder macht, müsste mit sofortiger Wirkung entlassen werden.

      Der Betrachtungswinkel der US-Notenbank ist die Ökonomie der USA. Für die Betrachtung der Weltwirtschaft ist die Weltbank oder wahlweise der IWF zuständig.

      Ein Verstoß gegen diese Zuständigkeiten wäre eine maßlose Kompetenzüberschreitung.

      • @Kriebs:

        Na ja, wenn die Fed das reale Risiko sieht mit ihren Entscheidungen eine globale Wirtschaftskrise auszulösen soltle sie das wohl schon in ihre Überlegugnen mit einbeziehen. Komplett autark ist die US-Wirtschaft ja nun auch nicht.

        • @Ingo Bernable:

          Nur sind das halt alles lediglich Folgefolgen. So weit darf die Fed bei ihren Überlegungen nicht gehen, den sonst wird sie handlungsunfähig.

          • @DiMa:

            Warum sollte die Fed "handlungsunfähig" werden wenn sie vor einer Entscheidung über deren Konsequenzen nachdenkt?

            • @Ingo Bernable:

              Weil jede Entscheidung der Fed im Ausland Folgen haben wird und sich solche Folgen in die eine oder andere Weise in den USA niederschlagen könnten.

              Die US Inflation ist momentan konkret hoch und lässt sich durch Zinserhöhungen konkret drosseln, die Folgen schwächelnder ausländischer Staaten für die US Wirtschaft lassen sich dagegen nicht beziffern.

              Inzwischen ist das Schuldenvolumen so groß, dass die Fed die Zinsen nie erhöhen könnte, wenn sie andere Länder berücksichtigen würde. Damit wäre sie im Ergebnis vollständig handlungsunfähig.

              Auf das Problem der Schuldenstände und einer etwaigen Zinserhöhung wird im übrigen bereits seit Jahren hingewiesen. Selbst in der taz wurde noch bis vor Kurzem eine Erhöhung der Schulden auch in Deutschland propagiert, da das Geld ja so billig sei.

              • @DiMa:

                Das scheint mir schon sehr schwarz-weiß und ebenfalls deterministisch gedacht. Auch wenn ein höherer Leitzins wohl nötig ist um die Inflation einzudämmen, ist es eben nicht so, dass ein solcher Schritt nicht auch andere Auswirkungen hätte und zwar ebenso auf den US-Binnenmarkt wie auf die Weltwirtschaft oder die Wechselwirkungen mit Energiekrise und Krieg in Europa ebenso wie die mit der gleichfalls arg angeschlagenen chinesischen Wirtschaft. Und auch innerhalb der USA gibt es Stimmen die davor warnen, dass eine allzu aggressive Zinspolitik eine massive Wirtschaftskrise auslösen könnte. All diese Aspekte kann und sollte man berücksichtigen, alles andere wäre dumm und verantwortungslose. Allein dadruch die Konsequenzen seines Handelns zu durchdenken bevor man eine abwägende Entscheidung trifft macht einen eben nicht handlungsunfähig. Die Inflation zu stoppen dabei aber eine zweite Great Depression auszulösen kann eben auch nicht das Interesse der Fed sein.

  • Hallo Liebe Taz, könntet ihr mal ne Weltkarte mit den jeweiligen Inflationsraten bringen? wär super =)