Zentralbank will Inflation eindämmen: EZB legt Zinsturbo ein

Die Zentralbank reagiert mit einer historischen Erhöhung auf die hohe Inflation – und nimmt auch eine Rezession in Kauf. Ob es hilft, ist fraglich.

Die EZB leuchtet im letzten Licht des Tages während auf der benachbarten Eisenbahnbrücke ein vorbeifahrender Zug Lichtstreifen durch die Dunkelheit zieht

EZB erhöht den Leitzins auf 1,25 Prozent. Weitere Zinserhöhungen dürften folgen Foto: Bors Roessler/dpa

BERLIN taz | Auch wenn das die Konjunktur weiter abwürgt: Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich mit der größten Zinserhöhung ihrer Geschichte gegen die Inflation. Der EZB-Rat beschloss am Donnerstag eine Anhebung um 0,75 Prozentpunkte. Damit steigt der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken Geld bei der EZB leihen können, auf 1,25 Prozent. Weitere Zinserhöhungen dürften in den nächsten Monaten folgen, kündigte die EZB an.

Die Konjunkturaussichten für die Euro-Zone seien düster, das Wirtschaftswachstum werde sich wohl deutlich verlangsamen, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Die EZB rechnet mit einer Stagnation des Wirtschaftswachstums zum Jahresende und im ersten Quartal 2023.

Im laufenden Jahr wird noch ein Plus von 3,1 Prozent erwartet. Für das kommende Jahr sollen es laut EZB nun nicht mehr 2,1, sondern nur noch 0,9 Prozent sein. Das ist noch relativ optimistisch: Viele Volkswirte halten es inzwischen für möglich, dass die Wirtschaft im Euro-Raum aufgrund der Energiekrise in Folge des Ukraine-Kriegs und der noch nicht ausgestandenen Lieferkettenprobleme im Herbst in eine Rezession rutschen könnte.

Steigende Zinsen hemmen die Investitionsfreude von Unternehmen – und sind deshalb weiter Gift fürs Wachstum. Das ist den Zen­tralbankern aber inzwischen angesichts der rasant zunehmenden Inflation egal: Die EZB-Volkswirte gehen nun für das laufende Jahr von einer Teuerungsrate in der Euro-Zone von 8,1 Prozent aus.

Andere Notenbanken haben vorgelegt

Noch im Juni hatten sie 6,8 Prozent prognostiziert. 2023 soll die Inflation voraussichtlich bei 5,5 liegen und erst 2024 auf 2,3 Prozent sinken. Das ist etwa der Wert, den die EZB anstrebt. „Der Preisdruck hat in der gesamten Wirtschaft an Stärke und Breite gewonnen“, räumte die EZB ein.

Während andere Notenbanken wie die Fed in den USA längst die Zinsen angehoben hatten, hatte sich der EZB-Rat erst im Juli für die erste Zinserhöhung seit 11 Jahren entschieden. Geschäftsbanken müssen seither auch nicht mehr 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken.

Die Leitzinsen haben konkrete Auswirkungen: Wer ein Haus oder eine Wohnung finanzieren will, zahlt bereits jetzt schon dreimal so hohe Zinsen wie noch zu Jahresbeginn – die Zinsen dürften nun noch stärker zulegen. Schlecht für Häuslebauer.

Allerdings ist die sich derzeit vollziehende Zinswende gut für SparerInnen. Da die Wende hin zu höheren Zinsen offenbar voll im Gange ist, sollten AnlegerInnen gezielt auf kurze Laufzeiten setzen. ExpertInnen erwarten nämlich bald weiter ansteigende Zinsen als Folge der Entscheidung der EZB.

EZB kann wenig ausrichten

Höhere Zinsen können, so die Lehrmeinung, steigenden Teuerungsraten entgegenwirken. Ob die abrupte Abkehr von der Ära der Nullzinspolitik allerdings in der derzeitigen Situation hilft, ist zumindest umstritten: Die Lieferkettenprobleme sind durch die Coronapandemie entstanden, die extrem angestiegenen Energiepreise durch den Ukraine-Krieg.

Da kann die EZB wenig ausrichten. So twitterte der Politökonom Patrick Kaczmarczyk bereits vor der Entscheidung am Donnerstag: „Die EZB wird wohl signifikant die Zinsen erhöhen – wohl wissend, dass es gegen ‚diese‘ Inflation nicht helfen wird.“

Der große Zinsschritt sei positiv, sagte hingegen Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Jetzt komme es darauf an, dass die EZB ihre Leitzinsen in den kommenden Monaten trotz steigender Rezessionsrisiken auch tatsächlich weiter kräftig anhebe.

„Es ist für die Wirtschaft besser, wenn die EZB die Zinsen schnell anhebt, anstatt das Bremsmanöver und die Unsicherheit über lange Zeit zu strecken“, sagte auch Michael Heise, Chefökonom vom Anlageunternehmen HQ Trust.

Auch der sinkende Wert des Euro bereitet den Notenbankern Sorge: Sie nehme die Abwertung vor allem im Verhältnis zum Dollar zur Kenntnis, sagte Lagarde. Der Euro hat seit Jahresbeginn zum Dollar gut 12 Prozent an Wert eingebüßt. Damit werden zwar Waren aus der Euro-Zone auf dem Weltmarkt günstiger. Aber der schwache Euro-Kurs sorgt andererseits dafür, dass sich viele Importe wie etwa Öl verteuern, was die Inflation weiter anheizt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.