piwik no script img

Neonazis auf dem LandWenn Rechtsextreme Erntedank feiern

Ein Hof bei Eschede ist Treffpunkt der Neonaziszene. Das Netzwerk Südheide kritisiert, dass die Behörden nicht einschreiten.

Treffpunkt der Neonaziszene: Bauernhof in der Gemeinde Eschede Foto: Alexander Körner/dpa

I n Zeiten harter Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie waren die Brauchtumsfeiern eingeschränkt, kein Zusammentreffen um Odin zu beschwören oder Ostara zu gedenken. Am kommenden Wochenende aber richtet die NPD auf einen Hof bei Eschede wieder ein Erntedankfest aus. Die ganze Familie soll zu der Brauchtumsfeier kommen, bei der meist Volkstanz, Kinderprogramm und Flohmarkt angeboten werden.

Hier in der niedersächsischen Gemeinde werden die vermeintlich ureigene Kultur gepflegt und szenerelevante Kontakte geknüpft. Bei dem Fest wird eben nicht bloß der Ernte von Obst, Gemüse, Getreide oder Kürbissen gedankt. „Das eigentliche Ziel ist es, auf dem ‚Treffen der Treffen‘ der norddeutschen Neonazi-Szene Termine abzusprechen und neue Aktionen vorzubereiten“, sagt Wilfried Manneke, Sprecher des Netzwerkes Südheide gegen Rechtsextremismus.

Vor etwa drei Jahren, 2019, kam in der Region zwischen Celle und Uelzen die Hoffnung auf, dass auf dem Hof keine rechtsextremen Events mehr stattfinden könnten. Der Besitzer, Joachim Nahtz, hatte finanzielle Probleme, der Zustand des Hofes offenbarte schon lange die Finanzlage. Nahtz hatte bereits sieben Hektar Wiese verkauft, 2014 fing die Scheune Feuer.

Auf dem rund 5.000 Quadratmeter großen Hof hatten Kameraden versucht, Schrott und Gerümpel wegzuräumen und verbrannten Abfälle, was zu dem Brand geführt haben soll. Die NPD half ihrem langjährigen Parteifreund, der der Partei seit über 15 Jahren angehört. Sie kaufte den Hof, begann mit Renovierungs- und Ausbauarbeiten. Trotz Corona-Einschränkungen leisteten Kameraden im April 2020 Arbeitseinsätze. Das Ziel der Partei: ein gut saniertes Zentrum.

Kern der extremen Rechten

2019 beklagt das Netzwerk Südheide den reibungslosen Verkauf. „Jetzt haben wir es nicht nur mit einem irrlichternden Landwirt, sondern mit einer organisierten rechtsextremen Parteistruktur in unserer Nachbarschaft zu tun. Das ist eine neue Qualität“, sagte Manneke nach Bekanntwerden des Verkaufs. Bis heute erkennt das Netzwerk nicht, dass staatliche Institutionen einschreiten. Im Sommer hätten sie feststellen müssen, dass nicht viel getan worden war, um dem Treiben auf dem Hof ein Ende zu bereiten.

„Im Gegenteil“, sagt Manneke, „Baumaßnahmen sind erfolgt und der Hof somit auch erweitert worden.“ Die Behörden würden keine direkten Auskünfte geben und lediglich bekanntgeben, dass es Sanierungsarbeiten seien, die notwendig wären, um den Hof zu erhalten und bewohnbar zu machen, erzählt der pensionierte Pastor und betont: „Die Rechtsextremen auf dem NPD-Hof sind eben nicht die netten Jungs von nebenan. Sie gehören zum harten Kern der extremen Rechten in Norddeutschland.“

In den vergangenen Jahren hat das Netzwerk immer wieder Gegenproteste organisiert. Am Samstag plant jetzt das Netzwerk zusammen mit dem DGB-Kreisverband Celle erneut eine Demonstration zum NPD-Zentrum. Eine breite Allianz sei längst entstanden.

„Die Behauptung, gegen Rechtsextreme demonstrieren ja nur Linke, ist reine NPD-Propaganda. Die NPD versucht mit diesem Argument darüber hinwegzutäuschen, dass die überwiegende Mehrheit unserer Gesellschaft rechtsextremes Gedankengut entschieden ablehnt“, sagt Manneke.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Andreas Speit
Autor
Rechtsextremismusexperte, Jahrgang 1966. In der taz-Nord schreibt er seit 2005 die Kolumne „Der Rechte Rand“. Regelmäßig hält er Vorträge bei NGOs und staatlichen Trägern. Für die Veröffentlichungen wurde er 2007 Lokaljournalist des Jahres und erhielt den Preis des Medium Magazin, 2008 Mitpreisträger des "Grimme Online Award 2008" für das Zeit-Online-Portal "Störungsmelder" und 2012 Journalisten-Sonderpreis "TON ANGEBEN. Rechtsextremismus im Spiegel der Medien" des Deutschen Journalistenverbandes und des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt. Letzte Bücher: herausgegeben: Das Netzwerk der Identitären - Ideologie und Aktionen der Neuen Rechten (2018), Die Entkultivierung des Bürgertum (2019), mit Andrea Röpke: Völkische Landnahme -Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos (2019) mit Jena-Philipp Baeck herausgegeben: Rechte EgoShooter - Von der virtuellen Hetzte zum Livestream-Attentat (2020), Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus (2021).
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Und auf welcher Rechtsgrundlage soll da nun wegen was eingeschritten werden?

    Die angebliche Hoferweiterung wird nur in den Raum gestellt, nicht näher begründet.

    Gegen Volkstanz, Kinderprogramm und Flohmarkt ist Einschreiten auch schwierig.

    Schade, dass da das Netzwerk Südheide dazu nicht näher befragt wurde.