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Wochenrückblick mit Ampel und QueenMit Schirm, aber unbehütet

Armut, Insolvenzen – im Alltag kommen die Einschläge immer näher. Und während alle über Schirme reden, stirbt die Frau, die so lang den Hut aufhatte.

Schirme können alle tragen, Hüte stehen nicht jedem: Elizabeth II. (hier bei einer Gartenparty 2018) Foto: Yui Mok/dpa

D ass uns die Woche am Ende unbehütet zurücklassen würde, war zu Wochenbeginn noch nicht absehbar – vielmehr ging es zunächst um Schirme: Nicht nur wegen der Wettervorhersage, die beharrlich jeweils für die nächsten Stunden Regen ankündigte, der dann bis Donnerstag auf sich warten ließ. Auch politisch war viel von Rettungsschirmen die Rede: Breit würden sie sein, versprach Wirtschaftsminister Robert Habeck den von explodierenden Rohstoffpreisen und Energiekosten geschwächten kleinen und mittleren Unternehmen.

Anschließend ergingen sich alle in rechthaberischen Diskussionen darüber, ab wann ein Unternehmen denn nun tatsächlich insolvent sei und inwiefern sich das von einer Saison- beziehungsweise temporären Flaute unterscheide. Und ob Habeck nun einfach keine Ahnung von Wirtschaft habe (so der CDU-Chef und überaus erfolgreiche Finanzlobbyist Friedrich Merz) oder ob seine Aussagen doch in der Sache gar nicht so falsch seien (so der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest).

Ich bin jedenfalls auch für staatliche Hilfen, ob man sie nun Schirme nennt oder Pakete, denn die Einschläge kommen näher: Der kleine Weinladen in meinem Haus und die Bar in meiner Straße haben neuerdings nur noch eingeschränkte Öffnungszeiten – Personalkosten zu hoch, zu wenig Umsatz. Der Inhaber rennt jetzt zwischen seinen beiden Lokalen hin und her, aber es kommt eh kaum noch wer. „Die Leute halten alles zusammen für den Winter“, so seine Klage.

Und es stimmt: Als wir uns mit den Kindern am Wochenende einen schönen Abend machen wollten, saßen wir in einem fast leeren Kino, eine gruselige Erfahrung an einem Samstagabend mitten in der Berliner City. Danach waren wir in einem Lokal mit wenig Gästen. Der Biergarten in unserem Viertel, sonst immer gut gefüllt: fast leer, und das bei angenehmen Spätsommertemperaturen. Dafür waren im Discounter die Kisten mit dem billigsten Bier leer. Leer war auch das Klopapierregal. „Ist es schon wieder so weit?“, rutschte mir laut heraus. Panikkäufe, bestätigte die Verkäuferin: Der Traditionsklopapierhersteller Hakle hat wegen gestiegener Herstellungskosten Insolvenz angemeldet.

Um eine Hutträgerin ärmer

Auf dem Weg zum Elternabend passierte mir dann etwas, das mir noch immer im Magen liegt: Eine ältere, sorgfältig gekleidete Dame sprach mich an. Sie sei Italienerin, habe 48 Jahre lang in der Küche eines Restaurants gearbeitet, jetzt reiche die Rente nicht zum Essen. Nun hatte ich zwar einen Schirm in der Tasche, aber keinen Cent Bargeld, seit Corona habe ich mir das irgendwie abgewöhnt.

Auch beim Elternabend ging es ungewöhnlich viel ums Geld: Um einen freiwillig erhöhten Solibeitrag für die Klassenfahrt, ein unsichtbarer Rettungsschirm sozusagen für Eltern, die sich die Fahrt nicht leisten können. Und ums Taschengeld: Pro Kind nicht mehr als 10 Euro mitgeben, damit die mit wenig Geld nicht blöd dastehen. Umverteilung und Nivellierung im Kleinen, und zwar ohne endlos zu diskutieren, ob Familie A nun wirklich arm ist oder ob Mutter B nicht doch eher Hilfe vom Jobcenter braucht – ein kleiner, aber doch ermutigender Beitrag in einer von Definitionshubereien (Habeck) und unappetitlichen Aufwiegelungsversuchen (Wagenknechts Bundestagsrede und die neue AfD-Kampagne) geprägten Woche.

War es übrigens ein Omen, dass ich auf dem Rückweg vom Elternabend am Geschäft einer bekannten britischen Hutmacherin vorbeifuhr? Seit Donnerstagabend ist die Welt um eine prominente und würdevolle Hutträgerin ärmer. Sicher: Die Hüte der Queen waren nie so breit, dass sich darunter die working class des Landes geschützt fühlen konnte. Ihre Krempen, egal wie ausladend, verhinderten auch nicht das Abdriften der britischen Inseln vom EU-Festland.

Und wie lang sich die Schotten noch unter dem Deckel halten lassen, war zuletzt schon fraglich. Aber ihre vielen fantasievollen Kopfbedeckungen signalisierten, dass da eine wenigstens symbolisch den Hut aufhat. Einfach den Kopf darunter austauschen, wird nicht funktionieren: Schirme können alle tragen, Hüte stehen nicht jedem.

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Nina Apin
Redakteurin Meinung
Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.
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2 Kommentare

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  • Klassenfahrt- „Pro Kind nicht mehr als 10 Euro mitgeben“ Wurde bei uns auch vereinbart, die Hälfte hat sich nicht dran gehalten.

  • Herrlich lakonischer Schreibstil mit Schirm, Charme aber ohne Melone aber mit groß umränderten Hut wie eine Deckelung Royal Geschäfte auf Konalinseln, Isle of Main und Übersee zu verschatten. Mehr davon. Danke