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Auswirkungen der Hitzewelle auf StädteHeißes Eisen

Bis zu 15 Grad kann der Temperaturunterschied zwischen Städten und Umland betragen. Ex­per­t*in­nen fordern einen nationalen Hitzeschutzplan.

Der Rasensprenger erfrischt Bäume und Jogger im Tiergarten am Morgen Foto: Christoph Soeder/dpa

Am gefährlichsten ist die Hitze, wenn sie am wenigsten offensichtlich ist: nachts, wenn von der Sonne nichts zu sehen ist. Wenn die Thermometer dann immer noch mehr als 20 Grad messen, ist die Rede von einer Tropennacht. Für den Körper ist das besonders belastend. Er braucht die nächtliche Kühle zwischen zwei Hitzetagen.

Beides, also Tropennächte und Hitzetage, erlebt auch Deutschland durch den Klimawandel immer häufiger. Das Land hat sich laut dem Deutschen Wetterdienst insgesamt schon um 1,6 Grad erwärmt, also noch mehr als der globale Durchschnitt von etwa 1,2 Grad. Besonders trifft die Hitze aber Städte. Beton, Glas, Asphalt und Stahl saugen die Hitze auf und geben sie auch nachts nur schlecht wieder ab.

Bis zu 15 Grad kann der Temperaturunterschied zwischen den urbanen Hotspots und dem Umland betragen, hat kürzlich die Gemeinsame Forschungsstelle der EU-Kommission ermittelt. In einer Studie haben die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen weltweit Satellitendaten zur Temperatur ausgewertet.

Das Phänomen hat einen Namen: urbaner Hitzeinseleffekt. Damit zufriedengeben, dass Städte im Sommer nun mal zu Todesfallen werden, muss man sich aber nicht. „Wir sind dem Hitzeinseleffekt nicht schutzlos ausgeliefert“, sagt etwa Dirk Messner, Chef des Umweltbundesamts. „Mit deutlich mehr Grün, vor allem neuen Bäumen und mehr Verschattung durch außenliegenden Sonnenschutz sowie Dach- und Fassadenbegrünung lässt sich der Aufenthalt im Freien und die Temperaturen in den Wohnungen wesentlich angenehmer gestalten.“

Auch einfache Maßnahmen in Städten können helfen

Grünflächen machen die Stadt also nicht nur hübscher – sondern auch gesünder. „Neben neuen Bäumen müssen wir vor allem den alten Baumbestand in den Städten schützen“, meint der Experte.

Die Hitze belaste insbesondere „vulnerable Gruppen in stark verdichteten Innenstädten“, heißt es bei seiner Behörde, die im Juni eine Studie dazu veröffentlicht hat, wie die Städte sich an die zunehmende Hitze anpassen können. Gemeint sind diejenigen, die eben in den besonders grauen Gegenden wohnen. Das ist die soziale Komponente der Hitze: Sie trifft arme Menschen besonders, die nicht einfach in die teuren, grüneren Kieze oder ins Villenviertel ziehen können.

Auch sonstige Maßnahmen können laut der Studie die Temperatur in der Stadt senken. Dazu gehören schon vergleichsweise einfache Maßnahmen wie helle Fassadenfarben. Außerdem wirkt sich natürlich auch eine bessere Dämmung positiv aus. Was im Winter beim Heizenergiesparen hilft, macht also im Sommer auch die Hitzewelle etwas harmloser.

Für manche Gegenden, allerdings eher im subtropischen Raum, attestiert die Studie auch, dass es wohl ohne Klimaanlage nicht geht. Der Nachteil: Die Geräte fressen viel Strom und sind deshalb kein Allheilmittel. Für Deutschland kommt das Umweltbundesamt deshalb zu dem Schluss, dass sie höchstens etwa in Dachgeschosswohnungen zum Einsatz kommen sollten.

Dass Deutschland sich dringend auf die Hitze einstellen muss, sieht auch eine Gruppe so, die qua Beruf nicht an den starken Auswirkungen auf die Gesundheit vorbeikommt: Ärzt:innen. „Hitzewellen werden immer häufiger und ex­tremer“, warnt etwa Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. Neben baulichen Maßnahmen wünscht er sich, dass die Bundesregierung besser plant, was im Akutfall einer Hitzewelle zu tun ist. „Wir brauchen dringend einen nationalen Hitzeschutzplan auf Bundesebene.“

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10 Kommentare

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  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Umstellen wollen, wenn es (fast) zu spät ist, ist überall gerade groß im Kommen. Davor haben all jene gewarnt, die zuvor ignoriert wurden. Die Kurbe ist zu scharf, um sie so schnell nehmen zu können.

  • In gedämmten Dachgeschoßwohnungen sind vor allem Schatten für Dachflächenfenster und wärmespeichernde Bauteile - beispielweise phasenwechselnde Materialien oder einfach mehr Baumasse - ausreichend, um für kühlere Verhältnisse an warmen Tagen zu sorgen.

  • Wir werden langsam über Flächenentsiegelung, Straßenrückbau und Renaturierung reden müssen. In vielen Städten und Ortschaften werden immernoch Plätze geplant, die fast komplett versiegelt sind. Keine Bäume, kein Schatten nur Stein und Beton. Niemand mag sich im Sommer an solchen menschenfreundlichen Orten aufhalten. Das Straßensystem ist eine gigantische Heizplatte egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Sie muss endlich zu den vielen Umweltschäden, die durch den Individualverkehr verursacht werden, hinzugerechnet werden. Überall parkende Autos und Betonwüsten. Straße aufreißen, Bäume Pflanzen und nur einen kleinen Fahrstreifen für Versorgungs- und Einsatzfahrzeuge und ökologisch nachhaltige Mobilität. Dann gibt es vor jeder deutschen Haustür einen Park, die Klimakrise wird gedämpft und Städte, Ortschaften und Straßen tragen nicht mehr so stark zur Klimaerwärmung bei.

    • @Mark Hochreiter:

      In der Zukunft wird nicht genug Regen fallen, um diese Bäume und Pflanzen ausreichend zu versorgen. Bewässern wird auch nicht funktionieren, weil in vielen Städten das Trinkwasser knapp werden wird.



      Die Straßen und Parkplätzen müssen trotzdem weg, selbst eine Steppenlandschaft hat weniger Hitze-Kapazität.

  • Wenn man sich ansieht, was in den Städten gerade gebaut wird (siehe z.B. Neue Mitte Altona), muss man zubdem Schluss kommen, dass in der Bauwirtschaft bezüglich solcher Zusammenhänge Ahnungslosigkeit herrscht und die Politik Vorgaben machen muss.

    • @sàmi2:

      Die Politik macht gerade im Bau umfangreiche Vorhaben in Form von Bebauungsplänen und Stellplatzvorschriften zu Gunsten von mehr Autos.

      Steht im Bebaungsplan eie Straße, kann der Bauträger nicht einfach ein autofreies Gebiet planen, auch wenn es dafür mehr Nachfrage gäbe.

      • @meerwind7:

        Okay, das klingt plausibel, danke für den Hinweis. Das macht es leider nicht besser...

  • wir haben doch jetzt schon erneuerbare Energie, wozu also nur in Dachwohnungen Klimageräte?



    Und einfach aus der Stadt ziehen ins Umland, dann werden Häuser frei die abgerissen werden können um Bäume zu pflanzen.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    In Berlin ist es an heißen Tagen am Stadtrand 2-4° C kühler als in der Innenstadt. Warum wohl.

  • Bundesplan - wozu?



    Offenbar geht es um örtliche Details in der Gestaltung der Stadt - das ist rein kommunale Zuständigkeit.



    Da hat der Bund keinen Einfluss drauf....