Städteplanung in Spanien: Auf heißen Sohlen in Madrid

Ein zentraler Platz der Hauptstadt ist wohl zur teuersten Bratpfanne Spaniens geworden. Schatten gibt es keinen mehr. Über eine hitzige Diskussion.

Menschen auf einem Platz bei Sonnenschein

Die Puerta del Sol, Madrids „Sonnentor“, im April Foto: Cavan/imago

Die Puerta del Sol – das „Sonnentor“ – ist der zentrale Platz Madrids. Hier befindet sich die Turmuhr, die im spanischen Fernsehen alljährlich das neue Jahr einläutet, hier ist der Kilometer null des radialen spanischen Straßennetzes.

Jetzt sorgt der Platz für Diskussionen. Denn seit über einem Jahr lässt der konservative Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida die 12.000 Quadratmeter große Fläche umbauen.

Brunnen und Kioske wurden entfernt, eine Statue an den Rand versetzt. So entstand eine riesige, mit Granitplatten gepflasterte Freifläche, ohne Bäume, ohne Sonnenschutz. Als Sitzgelegenheiten wurden ein paar Granitblöcke aufgestellt. Und selbst der Eingang zur Metro, der früher etwas Schatten bot, ist jetzt mit Glas überdeckt.

„Die Sonne brennt“, erklärt Miguel, der im spärlichen Schatten einer Werbetafel Schutz vor der Hitze sucht. Der junge Mann schlägt die Zeit vor einem Vorstellungsgespräch tot. „So lange bauen sie hier schon. Für das?“, wundert er sich.

„Sterben oder Einkaufen“

Auch Akram, Arabistikprofessor an der Universität Granada, kann es kaum glauben. Der Mann, der vor 40 Jahren aus Nordirak nach Spanien kam, hat sich in den Eingang eines Buchladens gedrückt. Als „aggressiv, unfreundlich, ja unmenschlich“ bezeichnet er die neue Puerta del Sol. „Sol“, wie der Platz nur genannt wird, kennt er seit Langem, die Arbeit führt ihn oft nach Madrid. „Ein Platz ist ein Ort zum Verweilen, um sich mit Leuten zu treffen – und nicht das hier“, meint Akram.

Nicht alle sehen das so. „Schatten, Bäume, wozu?“, fragt der Rentner Juan, der mit seiner Frau über die „Sol“ eilt. „Dieser Platz ist nicht zum Verweilen da, sondern ein Durchgangsort“, sagt er. So begründet auch die Stadtverwaltung die Baumaßnahmen.

Die angrenzenden Fußgängerzonen hingegen werden im Sommer mit riesigen Markisen abgedeckt. In allen Läden und Kneipen laufen bereits jetzt im Mai pausenlos die Klimaanlagen. „Sterben oder Einkaufen“ – so fassen Kommentare in den sozialen Netzwerken die beiden Alternativen für Passanten zusammen.

Fast nur Touristen halten sich in der prallen Sonne der Puerta del Sol auf – während die meisten Einheimischen den Platz nur rasch überqueren oder sich an eine der schattenspendenden Hauswände stellen. Carmen ist eine der wenigen Ausnahmen. Mit einer Sonnenbrille auf der Nase steht sie mitten in der Hitze. „Mir gefällt ‚Sol‘ so, ich kann sehen, wohin ich gehe, ich mag offene Plätze“, sagt die Rentnerin. Nach der Hitze gefragt, winkt sie ab. „Daran sind wir gewöhnt!“

„Offen“, das ist ein weiteres Argument, mit dem die Stadtverwaltung den umstrittenen Umbau begründet. Der Platz sei damit sicherer und von der Polizei überall einsehbar. „Außerdem haben wir keine Bäume gepflanzt, weil dies vom Amt für Kulturerbe nicht genehmigt wurde“, erklärt Rentner Julian und zeigt, dass er die mediale Debatte verfolgt hat.

Der ehemalige Bankangestellte ist extra gekommen, um zu sehen, wie die letzten Arbeiten vorangehen. „Zehn Millionen haben sie ausgegeben. Ich verstehe nicht, wofür“, sagt er. Die Opposition im Stadtrat hat eine Antwort: „Die teuerste Bratpfanne Spaniens“ nennen sie die „Sol“. Bereits Ende April heizten sich die Granit-Bodenplatten auf bis zu 50 Grad auf. Rentner Julian hingegen gefällt zwar „der offene Blick auf all die alten Gebäude“. Aber mit vielen Details ist er nicht einverstanden. Die neuen gläsernen Kioske seien einfach „nichtssagend“. Und die Granitblöcke zum Sitzen sind ohne Schatten unnütz, findet der alte Mann.

Neben Julian steht ein Paar aus Argentinien, das auf Europareise ist, im Schatten des Bahnhofseingangs. Auch sie haben schon von dem Streit um den Umbau gehört und sich eine Meinung gebildet. „Nicht zum Aushalten“, meint die Frau. Dann schließen sich die beiden in der gleißenden Sonne einer Touristengruppe an. Der Reiseleiter schützt sich mit einem Sonnenschirm.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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