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Klimaschutz-Plan der UmweltministerinKein Torf mehr fürs eigene Beet

Moorboden als Gartenerde? Geht es nach Umweltministerin Steffi Lemke, soll damit bald Schluss sein. Dabei setzt die Grüne auf Freiwilligkeit.

Nicht gut fürs Kli­ma:­ Torf­ab­bau im Goldenstedter Moor in Niedersachsen Foto: Willi Rolfes/imago

Potsdam taz | Klimakrise und Artensterben zugleich will Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) mit ihrem „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ bekämpfen. Am Mittwoch hat sie den Entwurf für das Programm vorgestellt. Er enthält zahlreiche Projekte, die die Natur in die Lage versetzen sollen, Kohlendioxid zu speichern sowie Tieren und Pflanzen Lebensräume zu bieten. „Wälder und Auen, Böden und Moore, Meere und Gewässer, naturnahe Grünflächen in der Stadt und auf dem Land: Sie alle können Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden und langfristig speichern“, so Lemke.

Messen werden wir das Programm an seiner tatsächlichen Wirksamkeit

Naturschutzbund

Unter anderem will sie die hierzulande beinahe gänzlich trocken gefallenen Moore wieder vernässen. 92 Prozent der Moorböden in Deutschland sind entwässert und werden meist als Acker-, Weideland oder zum Torfabbau genutzt. Statt ein wichtiger CO2-Speicher zu sein, sind die Flächen so laut Umweltministerium zu Emissionsquellen geworden: Sie setzen jährlich rund 53 Millionen Tonnen CO2 frei, etwa 6,7 Prozent der gesamten nationalen Treib­hausgas-Emissionen.

Außerdem bieten Moore einen Lebensraum für hochspezialisierte Pflanzen und Tiere. Um die Flächen wieder herzustellen, soll die vorhandene Moorschutzstrategie „ambitioniert umgesetzt“ werden; die öffentliche Hand soll ein Vorkaufsrecht für Moorböden erhalten und Paludikulturen – also die landwirtschaftliche Nutzung von nassen Böden – gefördert werden. Zudem strebt das Umweltministerium ein Ende der Torfnutzung an. Bis 2026 sollen zunächst Hobbygärtner auf Torf verzichten, bis 2030 auch Erwerbsgärtnereien. Erreichen sollen dies Vereinbarungen auf freiwilliger Basis.

Für die Hersteller von Gartenerde ist das schwer vorstellbar. „Es gibt Alternativen zum Torf, etwa Kompost, Kokosfasern oder Rindenmulch“, sagt Anna Hackstein, Geschäftsführerin des Industrieverbands Garten, „aber nicht in den Mengen und in der Qualität, wie wir sie benötigen“. Die Erden- und Substrathersteller haben sich verpflichtet, den Torfanteil in Gartenerde bis 2025 von jetzt 52 Prozent auf 50 Prozent zu senken, bis 2030 auf 30 Prozent. Diese Zeit brauche man auch, sagt Hackstein.

Um auch trockene Böden stärker als Lebensraum und CO2-Speicher zu nutzen, sollen zu den vorhandenen etwa 795.000 Hektar Grünland, Heiden und Gewässerrandstreifen in den nächsten acht Jahren 503.000 Hektar hinzukommen. Ihre Pflege soll finanziell gefördert werden.

Klima- und Biodiversitätsschutz in Städten und Gemeinden soll unter anderem mit mehr Bäumen erreicht werden. „Wir werden Kommunen bei der Erstellung von Straßenbaumkonzepten und der Pflanzung von insgesamt 150.000 zusätzlichen Bäumen bis 2030 unterstützen“, heißt es. Außerdem ist eine Beratungsagentur vorgesehen, die Kommunen bei der Bauleitplanung unterstützt. „Schätzungen zufolge sind rund zehn Prozent der gesamten Treib­hausgas-Emissionen in Deutschland auf die Landnutzung und Landnutzungsänderungen zurückzuführen“, schreibt Lemkes Ministerium – unter anderem durch Neubauten.

Zwar sei der natürliche Klimaschutz ein wesentlicher Baustein für die Erreichung der Klimaziele, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Anja Weisgerber (CSU), der Deutschen Presse-Agentur. Lemkes Entwurf entschärfe aber nicht den Zielkonflikt zwischen immer mehr Flächenschutz einerseits und Flächen zur Nahrungsmittelproduktion andererseits.

Von den Umweltverbänden erhielt Lemke für ihren Vorstoß Lob, allerdings mahnten sie seine Umsetzung an. „Messen werden wir das Programm an seiner tatsächlichen Wirksamkeit. Hierfür muss der Entwurf noch nachgeschärft und konkretisiert werden“, teilte der Nabu mit. Das Aktionsprogramm will Lemke im nächsten Frühjahr ins Kabinett einbringen und erste Maßnahmen noch im Laufe dieser Legislaturperiode umsetzen.

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9 Kommentare

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  • "...will sie die hierzulande beinahe gänzlich trocken gefallenen Moore wieder vernässen... Statt ein wichtiger CO2-Speicher zu sein..."



    Hm, wurde da auch berücksichtigt, dass unter anaeroben Bedingungen gerne mal Methan gebildet wird? Ich frage ja nur...

    • @sollndas:

      Das ist leider gerade im Kontext Wiedervernässung ein massives Problem

  • Was die Grünen dringend brauchen sind - wie Olli Kahn sagen würde - Eier. Moore sind neben den im Artikel geschilderten Dingen auch wichtig im Kontext Regenrückhaltung.



    Torf als Bestandteil von Gartenerde gehört ganz schlicht verboten. Vereinbarungen, die auf Freiwilligkeit basieren, kann man sich auch sparen.



    Und das anschließend die konservative Kampfpresse von BILD bis FAZ die alten Platitüden wieder aufwärmt, muss man halt in Kauf nehmen

  • Mit Freiwilligkeit sind wir bislang ja schon unglaublich weit gekommen... 😬 so wird das nix.



    Gartenerde braucht keinen Torf. In meinen Hochbeeten ist kein Krümel Torf, das Gemüse wächst und gedeiht ganz hervorragend. Und auch die Unmengen an Wegwerfpflanzen, die in den Gartencentern über den Ladentisch gehen, kämen ohne Torf aus. So was funktioniert aber nicht mit freiwilligem Verzicht, da braucht's mal eine klare Ansage in Form eines Verbots. Lemke, trau Dich!

  • "Erreichen sollen dies Vereinbarungen auf freiwilliger Basis."



    das klappt bestimmt. das man da vorher nicht schon draufgekommen ist...

  • "Für die Hersteller von Gartenerde ist das schwer vorstellbar. „Es gibt Alternativen zum Torf, etwa Kompost, Kokosfasern oder Rindenmulch“, sagt Anna Hackstein, Geschäftsführerin des Industrieverbands Garten, „aber nicht in den Mengen und in der Qualität, wie wir sie benötigen“. Die Erden- und Substrathersteller haben sich verpflichtet, den Torfanteil in Gartenerde bis 2025 von jetzt 52 Prozent auf 50 Prozent zu senken, bis 2030 auf 30 Prozent. Diese Zeit brauche man auch, sagt Hackstein."

    Täusche ich mich, oder hatte die Gartenindustrie bereits genügend Zeit, für einen Wandel? Wenn es nach mir ginge, wäre da nichts mit "Freiwilligkeit".

    • @Axel Donning:

      Es ist wie in vielen anderen Bereichen, die mit der sich anbahnenden Klimakrise in Zusammenhang stehen: man hätte sehr wohl Zeit für einen Wandel gehabt, aber man hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt oder hat den nötigen Wandel aus Bequemlichkeit und/oder aus finanziellen Gründen auf die lange Bank geschoben. Man hat entsprechende Innovationen nicht mit Nachdruck angeschoben und nun fällt einem das alles nach und nach auf die Füße, weil man nun wirklich handeln muss um zu retten, was evtl. noch zu retten ist.

      • @J. Straub:

        Verschärft wird das Ganze noch durch die Rechtslage: nur Substrate, die zum Anbau von "Tomaten", "Kräutern", "Gemüse" usw ausgewiesen sind, müssen in Deutschland auf Schadstoffe getestet werden. In anderen Ländern ist man da weiter.

        Das Resultat? Nun, was ist der billigste Torfersatzstoff? Kompost aus Laub von Stadtbäumen - hochgradig mit Blei und Cadmium aus dem Feinstaub (Brems- und Reifenabrieb usw) des motorisierten Individualverkehrs belastet...

        Übrigens werden torfhaltige Erden aus Gartenbaubetrieben in der Regel verbrannt. Man könnte auch überschüssige Nährstoffe mit Regenwasser ausschwemmen, das nasse Substrat (mit Wasserdampf unter Hochdruck) desinfizieren, und es wiederverwenden. Torf sind ja mumifizierte Pflanzenteile, und zersetzt sich nicht. Aber da die Forschung und der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur 40 Jahre lang verschleppt wurden, bleibt nichts anderes als DIY.

        • @Ajuga:

          Bei uns gab es mal vom Landkreis geförderte torffreie Gartenerde. Die war zumindest für den privaten Gebrauch sehr brauchbar und auch noch regional erzeugt. Leider ist die mittlerweile nicht mehr erhältlich. Ich müsste mich mal schlau machen, aus welchen Gründen.