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Spannungen auf koreanischer HalbinselMilitär probt wieder den Ernstfall

Südkorea und die USA nehmen ihre vor vier Jahren ausgesetzten Militärübungen wieder auf. Nordkorea dürfte mit neuen Waffentests antworten.

Eine südkoreanische Panzerhaubitze feuert auf einem Truppenübungsplatz nördlich von Seoul Foto: Yonhap/epa

Peking taz | Erstmals nach vierjähriger Pause haben die USA und Südkorea am Montag ihre großangelegten Militärmanöver fortgesetzt. Beim elftägigen „Ulchi Freedom Shield“ lässt die bilaterale Allianz Kampfjets in die Luft steigen, Panzerformationen rollen und Soldaten den Ernstfall simulieren.

So wird unter anderem erprobt, wie nordkoreanische Massenvernichtungswaffen beseitigt oder südkoreanische Halbleiterfabriken vor einer Invasion verteidigt werden können. Die Truppenübungen, so betont der gemeinsame Stabschef, seien rein „defensiver Natur“.

In Pjöngjang sieht man das freilich anders. Vom nordkoreanischen Regime werden die Militärmanöver seit jeher als schwerwiegende Provokationen gewertet. Und ganz aus der Luft gegriffen ist der Vorwurf von „Kriegsvorbereitungen“ nicht: Denn während die erste Phase tatsächlich eine reine Verteidigungsübung ist, simuliert die zweite Phase einen nicht näher spezifizierten „Gegenangriff“.

Von daher ist es keine Frage, ob, sondern vielmehr wann Diktator Kim Jong Un mit Vergeltungsmaßnahmen zurückschlägt. Als wahrscheinlich gilt, dass das nordkoreanische Militär die Manöver nutzen wird, um kommende Raketentests zu rechtfertigen.

Routine, Eskalation oder Provokation?

Dabei stellen die Truppenübungen keine neue Eskalationsstufe dar, sondern eine Rückkehr zur alten Normalität. Das US-Militär, das nach wie vor über 28.000 Soldaten auf südkoreanischem Boden stationiert hat, führt seit 1976 alljährliche Sommermanöver gemeinsam mit südkoreanischen Truppen durch.

2018 setzte der damalige US-Präsident Donald Trump die Tradition aus: Einerseits wollte er guten Willen demonstrieren, um Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un atomare Abrüstungsverhandlungen schmackhaft zu machen. Gleichzeitig kritisierte Trump die hohen Kosten der Manöver, was insbesondere in Südkorea für böses Blut sorgte.

Die Manöver dienen vor allem zur Koordinierung von Truppenabläufen und Befehlsstrukturen, die alle paar Jahre neu erprobt werden müssen. Schließlich gibt es innerhalb der Streitkräfte stets eine hohe Rotation.

Und seit 2018 haben sich die geopolitischen Machtverhältnisse deutlich gewandelt: Einerseits sind die innerkoreanischen Spannungen massiv gestiegen, seit die Annäherungsversuche beim zweiten Gipfeltreffen Ende Februar 2019 zwischen Trump und Kim in Hanoi spektakulär scheiterten.

Hardliner in Seoul bietet Pjöngjang Anreize

Auch sitzt inzwischen in Seoul mit Yoon Suk Yeol mittlerweile ein konservativer Hardliner im Präsidentenamt in Seoul. Er will gegenüber Norkorea klare Kante zeigen.

Mitte August hat Yoon allerdings seine bislang deutlichste Offerte ausgesprochen: Er stellte dem Regime in Pjöngjang wirtschaftliche Konzessionen und Nahrungsmittellieferungen in Aussicht, sollte es erste Bemühungen zur atomaren Abrüstung bekunden.

Dass dies nicht passieren wird, hat Kim Jong Uns Schwester Kim Yo Jong mit einem rhetorischen Schlag unter die Gürtellinie mehr als deutlich gemacht. So bezeichnete sie Yoon als „Hund, der ständig bellt“. Sein Vorschlag sei „hochgradig absurd“.

Spekulation um Atomtest Nordkoreas

Ohne Frage: Nordkorea wird auf absehbare Zeit sein Atomprogramm, das es als Lebensversicherung gegenüber der Außenwelt betrachtet, nicht aufgeben. Seit Monaten warnen Experten, sein Militär könnte schon bald einen weiteren Atomwaffentest durchführen – den ersten seit 2017.

In diesem Fall, heißt es im Verteidigungsministerium in Seoul, würde man bei den US-Verbündeten darum ersuchen, sogenannte Strategic Assets nach Südkorea zu entsenden. Damit werden etwa Kampfbomber, Flugzeugträger oder atomwaffenfähige U-Boote bezeichnet.

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1 Kommentar

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  • Heute ist der 4.10.2022 und Nordkorea hat - wie vorausgesagt - Waffentests durchgeführt und dabei auch eine Rakete über Japan hinweg geschossen.

    Es ist zynischerweise schon irgendwie beruhigend, das zumindest dieser Krisenherd noch berechenbar erscheint. Irgendwie Business as usual.

    Es scheint sich über die Rakete anscheinend auch niemand wirklich aufgeregt zu haben.