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KlimaschutzEin wenig grüne Hoffnung

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

In den USA, Australien und Brasilien ist der Klimaschutz plötzlich wieder wichtig. Was aber fehlt, sind schnelle, radikale Maßnahmen.

Besser schnell handeln: Ein Flugzeug verteilt rot gefärbtes Löschmittel in Kalifornien im Juni 2022 Foto: David Swanson/reuters

B rauchen Sie mal eine gute Nachricht vom Klima? Bitte sehr: Das „Inflations-Bekämpfungs-Gesetz“, das der US-Kongress am Freitag nach Redaktionsschluss endgültig beschließen wollte, pumpt nicht nur 370 Milliarden Dollar über die nächsten Jahre in die grüne Infrastruktur der USA, sondern auch Hoffnung in die globalen Klimaverhandlungen. Und auch anderswo scheint die Vernunft zu siegen: Die EU plant ihr ehrgeiziges Klimapaket; Australien stellt sich unter dem neuen Labor-Premier Anthony Albanese endlich der Realität im Treibhaus; in Brasilien könnte eine Abwahl des ökofeindlichen Präsidenten Bolsonaro dem Amazonas-Regenwald eine Atempause verschaffen; in Kolumbien verspricht der neue Präsident Petro einen ökosozialen Kurs und weltweit fallen die Preise von Sonnen- und Windkraft weiter.

Gute Zeichen für den Klimaschutz also. Aber werden sie ausreichen, um das festgefügte fossile System ernsthaft zu erschüttern? Zumindest für die Klimaverhandlungen in drei Monaten in Ägypten haben sich die Aussichten verbessert. Doch in Scharm al-Scheich wird es nicht um neue Regeln gehen, sondern um eine konkrete Umsetzung des Pariser Abkommens: schnelle Schnitte bei den CO2-Emissionen, zuerst in den Industrieländern; finanzielle und technische Hilfen für die Schwellen- und Entwicklungsländer beim Aufbau einer CO2-armen Infrastruktur; Unterstützung bei der Anpassung an den Klimawandel und Schadensersatz für arme Länder, die nichts zur Klimakrise beitragen, aber von ihr am härtesten getroffen werden.

Bei diesen konkreten Schritten wird das Bild schon deutlich trüber. Die ab 2020 versprochenen 100 Milliarden Dollar jährlich haben die Industriestaaten immer noch nicht geliefert; beim Schadensersatz hängen die Gespräche fest; die Emissionsreduktion geht viel zu langsam und zu zaghaft. In der Krise greifen die alten Mechanismen: Hohe Energiepreise gelten als gefährlich, statt sie fürs Energiesparen zu nutzen; fossile Industrien wie Fluggesellschaften werden als systemrelevant subventioniert, statt sie entschlossen umzubauen; soziale Ungleichheiten werden zum Killerargument gegen Klimaschutz, statt sie mit ökosozialer Umverteilung zu kontern; die Lobbyinter­essen der Fossilen und der Agrarindustrie bremsen den Umbau, auch und vor allem in den wichtigen Ländern China, Indien, Indonesien, Brasilien oder Südafrika, von den Ölstaaten ganz zu schweigen.

Unter der Oberfläche von positiven grünen Nachrichten rast der globale Verbrennungsmotor also weiter. Ob es gelingt, ihn zu drosseln, hängt an vielen Faktoren gleichzeitig: Machen die G7 endlich Ernst mit dem Umbau ihrer Volkswirtschaften – und ziehen sie die G20 mit? Bekommen China und Indien ihren irren Kohleboom mit teuren Überkapazitäten und politischer Korruption in den Griff? Wie schnell sehen die Länder in Afrika, dass ihre Zukunft nicht in neuen Gasfeldern, sondern in den Erneuerbaren liegt?

Die Bedingungen für eine grüne Revolution waren nie besser, die Zeiten nie drängender. Es gibt inzwischen die Technik, das Wissen, das Bewusstsein und das Kapital für eine kohlenstoffarme, gerechtere Welt. Was fehlt, ist die Abschaltung und Entsorgung des fossilen Systems, das unsere Zukunft verbrennt. Bisher heißt Klimapolitik in fast allen Ländern, vorsichtig kleine Schritte zu machen, die niemandem wehtun. Aber um die billionenschweren Industrien der fossilen Energien zu zügeln, braucht es mehr Mut: Ein allgemeiner CO2-Preis für die G20 wäre ein erster Schritt. Ein völkerrechtlicher Vertrag zum Verbot fossiler Energien wäre sinnvoll, ein weltweiter Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas mit Kompensationen für die Produzentenländer ebenso.

Weder reale Klimakatastrophen noch eine Pandemie mit ihren globalen Konsequenzen haben solche radikalen Schritte bewirkt. Klima-Schockreaktionen wie das Abreißen des Golfstroms (wie im Film „The Day after Tomorrow“) sind bereits im Gange, aber bislang in Zeitlupe. Um aber die Erderhitzung in der Nähe von zwei Grad zu halten, sind drastische Maßnahmen auf globaler Ebene nötig. Da sind 370 Milliarden Dollar und ein paar Regierungswechsel Hoffnungszeichen, aber nur ein kleiner Anfang.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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7 Kommentare

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  • Abklingbecken zu Schwimmbädern!



    Es gibt tatsächlich Hoffnungsschimmer.



    Es ist nicht lange her, da hatten die USA einen Präsidenten, der den Klimawandel leugnete.



    Wir sollten sehen, dass wir mit den Willigen weiter vorangehen. Endlich wacht auch Australien auf!



    Positives muss benannt werden, die ewige Nörgelei setzt keine Energie frei!



    Das "höher, schneller, weiter" wird nicht sinnvoller, wenn man oder frau es auf andere Zusammenhänge überträgt.



    Wer will, kann schon jetzt mit der Energiediät anfangen!

  • Die 370 Mrd., die in den nächsten Jahren in den USA in "grüne" Infrastruktur investiert werden sollen, haben dann einen positiven Klimaeffekt, wenn diese Infrastrukturen zum CO₂ Nulltarif entstehen würden. Das werden sie aber nicht. Sie entstehen zusätzlich, bevor vielleicht, irgendwann, die alten Infrastrukturen zurückgebaut werden. Was ebenfalls nicht zum CO₂ Nulltarif zu haben sein wird.



    Und ja, man könnte sagen, dass diese Investitionen in ein paar Jahren CO₂ Einsparungen bringen werden. Für diesen Gedanken muss man allerdings ignorieren, dass die Verweildauer von CO₂ in der Atmosphäre mehrere Jahrhunderte beträgt und das auch für heutige CO₂-Emissionen zur Herstellung "grüner" Infrastrukturen gilt. Nicht nur in den USA.



    Mir ist nicht bekannt, dass auf dem afrikanischen Kontinent afrikanische Energiekonzerne federführend bei der Erschließung und Förderung von Rohstoffen sind. Vielleicht gibt es ja auch dort online Petitionen, um die Plünderung ihres Reichtums durch multinationale Konzerne und gekaufte Regierungen zu unterbinden. Aber ich bezweifle, dass diese von westlichen Regierungen gutgeheißen werden, weil sie den billigen Stoff für sich brauchen.



    Was für den afrikanischen Kontinent gilt, gilt überall. Z.B. auch in Guyana



    www.spiegel.de/wir...-8256-770cb75872af



    Übrigens: Den 340 Mrd. stehen 740 Mrd. gegenüber, die 2020/21 von den 30 größten Finanzkonzernen für Investitionen in Öl, Gas und Kohle bereitgestellt wurden.



    Hoffnung würde mir machen, wenn die Wirklichkeit des business as usual nicht so häufig ausgeblendet würde. Die versprochenen 100 Mrd. brauchen die Industriestaaten, nein, wir bereits selbst, für die im Grundgesetz festgeschrieben Rüstungsausgaben. Wir könnten in diesem Herbst auch noch ein paar Milliarden locker machen: für Ausgleichszahlungen an unsere Land- und Forstwirte, Binnenschiffer und vielleicht sogar, für existenzbedrohte Skiliftbetreiber im Winter.

  • "...weltweit fallen die Preise von Sonnen- und Windkraft weiter."



    Das hilft aber nichts, wenn gleichzeitig der Speicherbedarf (und damit die Kosten) sinnlos in immer größere Höhen getrieben werden.



    "Es gibt inzwischen die Technik, das Wissen, das Bewusstsein und das Kapital für eine kohlenstoffarme, gerechtere Welt."



    Schön wär's, wenn es auch ein Konzept gäbe, wie dieselbe denn realistischer Weise zu verwirklichen wäre.



    "Was fehlt, ist die Abschaltung und Entsorgung des fossilen Systems, das unsere Zukunft verbrennt."



    Das fossile System wird erst abgeschaltet werden, wenn Alternativen verwirktlicht sind, keine Sekunde früher. Kein "völkerrechtlicher Vertrag zum Verbot fossiler Energien" kann daran etwas ändern. Derartige Verträge haben die Eigenschaft, dass sie gebrochen werden, wenn's eng wird.

  • Es geht bei diesen globalen Klimaprogrammen der EU und der USA nur darum, das die Massen nicht zu schnell verzweifeln und aufhören zu konsumieren und zu arbeiten.



    Nach dem Motto wir tun ein bisschen für das Klima und machen aber weiter wie bisher.

    Konsequenter Klimaschutz würde nur mit vernünftigem Verzicht funktionieren, mit weniger Autos, weniger Fleischkonsum, weniger Flügen, mit langlebigen Produkten. Das würde zu reduziertem Wachstum und schrumpfendem Energiebedarf führen, sodass die erneuerbaren schneller übernehmen könnten.

    Aber Verzicht ist in der Marktwirtschaft nicht vorstellbar, sinkendes Wachstum führt zu weniger Steuereinnahmen, zu kollabierenden Aktienmärkten. Staaten würden ökonomisch und politisch destabilisiert. Zudem sind Menschen (noch) nicht bereit auf Konsum und Reisen zu verzichten, auch weil sie sich darüber definieren.



    Das ist das Dilemma unserer Zeit - Wirtschaft, Politik, Menschen - keiner ist wirklich bereit zu konsequentem Klimaschutz.

  • "Hohe Energiepreise gelten als gefährlich, statt sie fürs Energiesparen zu nutzen"

    Das ist einer der übelsten Knackpunkte hier. Statt sich der schlichten Tatsache zu stellen, dass Knappheit (und das ist eine Form von Knappheit) ein Verteilungsproblem ist und wir uns Gedanken machen müssen, ob wir die Schwächeren unter uns stützen oder einfach verhungern lassen will jede*r so weitermachen wir bisher.

    Könnte ja sein, dass er/sie/es was abgeben muss. Das geht gar nicht! Sollen die anderen anfangen!

  • "ein weltweiter Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas mit Kompensationen für die Produzentenländer ebenso." China, Russland, Indien, Australien und die Saudis also mit Kompensationszahlungen unterstützen. Diverse Länder in Afrika und Südamerika gleich mit. Klingt realistisch.

  • Eine schnelle und radikale Maßnahme wäre zunächst einmal Abrüstung und sich für Friedensverhandlungen einsetzen.