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Gas-Notfallplan der KommissionNeues Spardiktat der EU

Die EU erstellt einen Gas-Notfallplan nach deutschen Interessen. Sparen sollen auch Länder, die gar kein Gas aus Russland beziehen.

Ab Donnerstag soll durch die Nord Stream 1 wieder Gas nach Europa kommen. Und wenn nicht? Foto: Paul Langrock

Brüssel taz | Es dürfte im kommenden Winter nicht mehr reichen, die Gasheizung herunterzudrehen und die Raumtemperatur auf 19 Grad zu senken. Vielmehr muss der Gasverbrauch drastisch reduziert werden, und das sofort: Dies fordert die EU-Kommission in ihrem Notfallplan, der am Mittwoch in Brüssel vorgestellt wurde.

Hinter dem wohlklingenden Titel „Save gas for a save winter“ („Gas sparen für einen sicheren Winter“) verbirgt sich ein harter Eingriff. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mischt sich nicht nur in nationale Kompetenzen in der Energiepolitik ein. Sie will künftig sogar den Gasnotstand ausrufen dürfen. Dann nämlich, wenn Gazprom seine Lieferungen ganz einstellt oder es zu großen Engpässen kommen sollte.

Konkret geht es darum, dass alle 27 EU-Staaten ihren Gasverbrauch um 15 Prozent senken sollen – auch jene, die kaum Gas nutzen oder schon gespart haben. Die Entzugskur soll bereits am 1. August beginnen und bis Ende März 2023 dauern. Als Vergleichsbasis dient der Schnitt der letzten fünf Jahre. Die Einsparungen sollen zur Not auch gegen den Willen der betroffenen Länder erzwungen werden. Als Grundlage für diese Zwangsmaßnahme dient Artikel 122 des EU-Vertrags, eine Art Notstandsklausel für den Energiebereich.

„Russland nutzt Energie als Waffe“, begründete von der Leyen ihr Vorgehen. Deshalb reiche es nicht mehr aus, dass jeder EU-Staat allein handele. Vielmehr müssten alle solidarisch zusammenstehen, wie in der Coronapandemie. Bei letzterer kümmerte sich die EU-Kommission um die Beschaffung von Impfstoffen, was mehr schlecht als recht klappte. Vor allem aus Deutschland gab es anfangs Beschwerden. Daraus hat von der Leyen offenbar gelernt: Sie schneidet ihren Notfallplan für Gas ganz auf Deutschland zu, selbst entfernte EU-Länder wie Portugal sollen helfen.

Von der Leyen in der Defensive

Dabei hängen Portugal, Spanien und die meisten anderen Mitgliedstaaten gar nicht an der deutsch-russischen Ostseepipeline Nord Stream 1, die nun Probleme bereitet. Finnland hat sich schon völlig von russischen Gaslieferungen unabhängig gemacht, die Niederlande haben ihren Verbrauch bereits um 20 Prozent gesenkt. Dennoch sollen alle solidarisch sein. Ob auch Deutschland seinen Gasverbrauch senken muss, um das 15-Prozent-Ziel zu erreichen, blieb zunächst unklar. In den ersten fünf Monaten des Jahres war der Gasverbrauch gut 14 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte.

Das Einsparziel werde wohl noch zu Debatten führen, hieß es in Brüsseler EU-Kreisen. Die 15-Prozent-Marke sei ebenso wenig in Stein gemeißelt wie die Bemessungsgrundlage der letzten fünf Jahre. Am Dienstag ist ein Sondertreffen der EU-Energieminister geplant. Dann wird sich zeigen, ob von der Leyen durchkommt.

Die deutsche EU-Chefin ist in der Defensive. Bisher hatte sie behauptet, es stünden genügend andere, nichtrussische Versorger zur Verfügung. Doch die Suche nach Ersatz erwies sich als schwierig. Ohne russisches Gas, so viel räumt man nun auch in Brüssel ein, wird es im Winter kalt in Europa.

Gespräche mit Gazprom sind jedoch nicht geplant; von der Leyen erwähnte den Konzern mit keinem Wort. Die deutsche Politikerin will auch keine Zugeständnisse bei den Sanktionen machen. Der Streit um eine Gasturbine aus Kanada sei nur vorgeschoben, sagte sie, Kremlchef Putin sei nicht zu trauen. Moskau hatte seine üblichen Gaslieferungen gedrosselt und dann gestoppt, weil eine Turbine in Kanada gewartet wird. Seitdem bestand die Sorge, dass die Lieferung nicht wieder aufgenommen wird, auch wenn die Turbine wieder zurück und einsatzfähig wäre. Der Kassler Netzbetreiber Gascade kündigte am Mittwoch allerdings an, dass ab Donnerstag wieder Gas ankommen wird.

„Wir müssen uns auf eine vollständige Unterbrechung der russischen Gasversorgung vorbereiten“, warnte hingegen von der Leyen. Was passiert, wenn doch wieder Gas durch Nord Stream 1 fließt, sagte sie nicht. Brüssel macht Politik mit dem Worst-Case-Szenario. Ein EU-weiter Gas-Alarm scheint nicht mehr ausgeschlossen.

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9 Kommentare

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  • Gaskraftwerke sofort abschalten!!



    1. laufen die, weil die Atommailer in Frankreich marode sind und Frankreich Strom einkaufen muss, den wir mit Gaskraftwerken erzeugen!!



    2. Unser Strompreis richtet sich nach dem teuersten Erzeuger und das sind die Gaskraftwerke. Selbst wenn die anderen Preise weit unter denen der Gaskraftwerke liegen, müssen wir, weil der Gesetzgeber das so verfügt hat, den Preis des teuersten Anbieters zahlen!



    Vielleicht recherchieren das die Medien endlich mal und klären die Verbraucher auf, anstatt zu erzählen, dass der Preis wegen des Krieges so hoch ist!!

  • Ist doch ok wenn alle EU Länder sich solidarisch zeigen auch wenn sie kein Gas aus Russland beziehen ... Ich meine Deutschland ist auch solidarisch wenn darum geht als größter Netto Einzahler in die gemeinsame Kasse. Solidarität ist kein Einbahnstrasse.

  • "Diktat" stört mich schon mal als Wort. Das hört man sonst eher von BILD und der AFD. Die EU hat bei der Energiesicherheit einfach Kompetenzen und die nimmt sie wahr. Und Solidarität ist ein Grundgedanke der EU. Es ist ebenso nachrangig an welcher Pipeline man hängt, wie es selbstverständlich ist, dass Deutschland gerade Strom an Frankreich liefert. Die als "mehr schlecht als recht" bezeichnete Imofstoffbeschaffung auf EU- Ebene sollte übrigens dazu dienen, dass nationale Egoismen reicherer Länder wie Deutschland nicht die Preise hochtreiben und ärmere Länder benachteiligen, und das ist auch gelungen.

  • for a save winter…in dem Fall sollte es safe heißen.



    Ich habe genug von den überheblichen Einmischungen der Komission. Das schaffen die Länder selbstständig viel besser.



    Als Beispiel: www.tagesschau.de/...ersorgung-101.html

    • @Westried:

      Aber Deutschland nicht, weil bei uns seit zwanzig Jahren keine vorausschauende Polittik betrieben wird.

  • Na, da bin ich aber gespannt. Solidarität innerhalb der EU? Was werden Polen, Ungarn, Spanien Portugal, ... dazu sagen, dass sie Deutschland unterstützen sollen. Das Land, dessen Politiker (ohne echten Plan, also populistisch) vollmundig verkündeten, sich für immer und vollständig von russischem Gas und Öl lösen zu wollen, möglichst sofort. (Soweit dazu, dass Putin Gas als Waffe einsetzt).



    Ein Land, das Zugriff auf eine zweite, völlig intakte und lieferbereite Pipeline hat und sie trotzig nicht nutzt. Ein Land, in welchem Politiker den Menschen jetzt schon empfehlen, Pullover bereit zu halten und sich darauf einzustellen, die Heizungen abzuriegeln. Dieses Land, welches mit offenen Augen auf die Rasierklinge zuwandelt, auf welcher es dann, unter anderem wirtschaftlich, balancieren will. Ich glaube nicht daran, dass die Mehrzahl der Länder in der EU (Das Parlament wird ja vorsorglich von den Entscheidungen ausgeschlossen - köstlich) unter dem Motto "Solidarität" mit D Hand in Hand gehen wird. Und dann?

    • @Trabantus:

      Die Solidarität in der EU klappt doch, so lange alle etwas aus der gemeinsamen Kasse bekommen. Spätestens beim Einzahlen respektive Teilen von Ressourcen ist aber Feierabend. Genau wie bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, sofern sie nicht aus der Ukraine kommen.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Eric Bonse hat es nicht verstanden. Wenn 27 EU Mitglieder jeweils 15% Gas einsparen kommt Europa mit einem blauen Auge durch den Winter - aber nur, wenn nationale Gasresourcen "europäisiert" werden - das bedeutet, wenn nationale Gasresourcen unter den EU Ländern ausgetauscht werden. Derjenige der mehr Gas hat - reicht sein Gas weiter.

    Nach Ansicht der EU-Exekutive „ist die Energie, die im Sommer eingespart wird, für den Winter verfügbare Energie.“ Die Maßnahmen, die sie vorschlägt, entsprechen denen der Internationalen Energieagentur (IEA) und umfassen Schritte wie beispielsweise die Einstellung von Klimaanlagen auf eine höhere Temperatur im Sommer.

    Wenn die Heizsaison im Oktober beginnt, können die nationalen Regierungen auch Gas sparen, indem sie die Haushalte auffordern, ihre Thermostate um 1 °C zu senken – und indem sie anordnen, dass öffentliche Gebäude, Büros und Geschäftsgebäude nicht mehr so stark beheizt werden.

    Beispiel: Die französischen Einzelhandelskonzerne Auchan, E.Leclerc, Carrefour und andere haben sich am letzten Montag verpflichtet, ihren Stromverbrauch bei Nachfragespitzen zu drosseln, indem sie nach Geschäftsschluss das Licht ausschalten sowie die Innenbeleuchtung ihrer Lagerhäuser und Einzelhandelsgeschäfte abschalten.

    Die EU-Verordnung über die Versorgungssicherheit von 2017 verlangt bereits von den EU-Ländern, „die notwendigen technischen, rechtlichen und finanziellen Vorkehrungen zu treffen, um die Bereitstellung von solidarischem Gas in der Praxis zu ermöglichen.“

    Bisher sind sechs Gassolidaritätsabkommen zwischen EU-Ländern unterzeichnet worden, Die Abkommen dienen dszu, die gesetzlich geschützten Kunden der Nachbarländer im Krisenfall mit Gas zu versorgen.

    Es gibt Mitgliedstaaten, die direkter als andere von russischem Gas abhängig sind, und sie sind natürlich anfälliger für das Risiko einer Unterbrechung der Gasversorgung als andere.

    Ob Eric Bonse etwas gegen Solidarität der EU Länder untereinander hat?

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Und noch besser, wenn der Bundestag aus Solidarität die Heizung für den ganzen Winter abstellt