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Gasknappheit in DeutschlandZeit für Tacheles

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Der Großteil des Gasverbrauchs geht auf das Konto der Industrie. Die Politik sollte nicht abwarten, sondern die Unternehmen zwingen, Energie zu sparen.

Zur Hälfte wird das Gas von Industrie, Handel, Gewerbe und Dienstleistungen verbraucht Foto: Christoph Hardt/imago

E s ist an der Zeit, dass Politik und Wirtschaft Tacheles miteinander reden. Wie alle EU-Staaten ist auch Deutschland aufgefordert, seinen Erdgasverbrauch um 15 Prozent zu senken. Vielleicht muss der Energiekonsum sogar noch stärker fallen, weil Russland das Gas weiter verknappt. Und richtig schwierig wird es, falls der nächste Winter wieder kälter ausfällt.

Deutschland benötigt endlich ein klares Konzept, wer auf Gas verzichten soll. Bisher blieben alle Bemühungen und Aufrufe zum Energiesparen reichlich abstrakt. Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass auch die Haushalte ihren Beitrag leisten.

Genauso richtig ist die Idee, in öffentlichen Gebäuden die Raumtemperatur abzusenken. Doch diese Maßnahmen werden nicht reichen. Denn zur Hälfte wird das Gas von Industrie, Handel, Gewerbe und Dienstleistungen verbraucht. Also muss auch die Wirtschaft sparen.

Da stehen heikle Entscheidungen an. Klar, manche Maßnahmen liegen auf der Hand. So ist offensichtlich, dass Schwimmbäder mit Außen­becken von 32 Grad nicht mehr in die Zeit passen. Auch gibt es Schlimmeres, als einen Winter ohne heiße Sauna zu verbringen. Aber nur mit Kürzungen bei den Wellnessangeboten sind die nötigen Einsparungen nicht zu schaffen. Notgedrungen wird auch die produzierende Industrie ihre Fertigung einschränken müssen.

Die Lieferketten sind komplex

Das gab es noch nie in der bundesdeutschen Geschichte. Das Unterfangen ist komplex, denn es dürfen nicht ganze Lieferketten kollabieren. Wenn etwa die Glasindustrie ihre Produktion reduziert, darf es nicht zu Versorgungsengpässen bei den Lebensmitteln kommen, weil Verpackungen für die Konserven fehlen. Wenn die Papierindustrie Energie spart, darf nicht der gesamte Versandhandel ausfallen, weil er keine Kartons mehr bekommt.

Der Staat kann die komplizierten Lieferketten nicht überblicken – das vermag nur die Industrie. Für die Politik könnte es daher verführerisch sein, sich ganz herauszuhalten und auf die Marktgesetze zu vertrauen. Nach dem Motto: Wenn die Gaspreise steigen, wird es automatisch zu Einsparungen kommen, ganz einfach weil einige Produktionsprozesse zu teuer sind. Bei diesem Ansatz ist jedoch die Gefahr groß, dass ausgerechnet sehr wichtige Firmen aufgeben müssen.

Da hilft nur noch eine weitere „konzertierte Aktion“: Branchenverbände und Politik müssen zusammenarbeiten. Die Industrie muss Sparvorschläge machen, weil nur sie das nötige Wissen über die Lieferketten besitzt. Die Politik muss am Ende entscheiden und die Entschädigung regeln. Doch bisher ist dazu wenig zu hören. Das ist überraschend, denn viel Zeit bleibt nicht mehr bis zum Winter.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.