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Indexmietverträge in DeutschlandSteigt Inflation, steigt Miete

Indexmietverträge sind an die Inflation geknüpft. Die Linkspartei will die Verträge deshalb verbieten, Wohneigentümer wollen das verhindern.

Es wird immer heißer auf dem deutschen Mietmarkt. Ob eine Abschirmung hilft? Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Ende Juni erhält Verena König einen Brief von ihrer Hausverwaltung. Im Betreff steht: Indexmieterhöhung. Für König heißt das, ab August muss sie monatlich 94,66 Euro mehr Miete zahlen, 7,9 Prozent mehr als davor. „Es ist eine Kata­strophe, alles wird mit der Inflation teurer und dann kommt die Mieterhöhung obendrauf“, klagt König am Telefon. Schon jetzt graut es ihr angesichts der steigenden Energiepreise vor der nächsten Heizkostenabrechnung. „Wenn das so weitergeht, kann ich diese Wohnung nicht mehr halten“, sagt sie.

Das Problem, das König hat, betrifft derzeit Mieter*innen, die einen Indexmietvertrag haben. Bei diesen Verträgen wird die Miete nach dem Verbraucherpreisindex berechnet, der jährlich vom Statistischen Bundesamt erhoben wird – die Miete ist direkt an die Inflation gekoppelt. Steigt die Inflation, steigt die Miete.

Der Index orientiert sich an der durchschnittlichen Preisentwicklung von Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte kaufen. Lebensmittelpreise werden etwa berücksichtigt, Kleidung, Versicherungen – aber auch Energie- und Strompreise. Menschen, die einen Indexmietvertrag haben, sind somit doppelt mit den steigenden Energiepreisen konfrontiert. Steigende Energiepreise treiben die Indexmiete hoch, die jährliche Heizkostenabrechnung kommt aber noch obendrauf. Im Mai erreichte die Inflation mit 7,9 Prozent den Höchstwert seit der Wiedervereinigung. Eine jährliche Mieterhöhung in dieser Größenordnung wird wohl kaum ein Haushalt stemmen können.

Eine Indexmiete kann vonseiten der Ver­mie­te­r*in­nen einmal im Jahr gemäß der Inflation erhöht werden, eine Zustimmung ist nicht erforderlich. Die Erhöhung muss nur schriftlich angekündigt und transparent dargelegt werden. Mie­te­r*in­nen haben kaum Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Verena König will keinen Konflikt mit ihren Vermietern, deshalb wurde ihr Name von der Redaktion geändert. Die taz durfte aber ihre Unterlagen sichten.

Der Mietmarkt ist viel zu angespannt

König wohnt gemeinsam mit ihren zwei Kindern in Berlin. Vier Zimmer, 103 qm, östlicher Randbezirk, die Kinder gehen hier zur Schule, haben Freunde, ihre Hobbys. Alles perfekt – außer dem Mietpreis. Ab August werden es 1.530 warm sein. Bei Vertragsabschluss vor sechs Jahren kostete die Warmmiete noch fast 200 Euro weniger. Zudem teilte König sich damals noch die Miete mit ihrem damaligen Partner. Nach Trennung behielt sie die Wohnung, zwei Drittel der Zeit seien die Kinder nun bei ihr.

König ist Akademikerin und arbeitet in Teilzeit im Bereich Finanzverwaltung. Nebenbei studiert sie, um sich weiterzubilden. Sie hat ein sehr gutes Haushaltseinkommen. Mit ihrem Gehalt, einer privat vereinbarten Unterhaltszahlung und dem Kindergeld stehen ihr nach eigenen Angaben im Monat 3.100 Euro netto zur Verfügung. Das Problem ist: König gibt nahezu die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aus. Zum Leben bleiben dann 1.500 Euro für drei Personen. „Ich bezahle alles: die Miete, Kleidung, Klassenfahrten“, sagt sie.

Als König Ende 2015 den Vertrag unterschrieb, wusste sie nicht, was ein Indexmietvertrag ist. Sie war froh, eine Wohnung bekommen zu haben. Im Vertrag, der auch der taz vorliegt, stand die Indexklausel unter „sonstige Vereinbarungen“: Eine Indexmiete wurde dort ab dem 3. Mietjahr vereinbart. „Indexmiete habe ich erst gegoogelt, als die erste Mieterhöhung kam“ erzählt sie. Indexmieten werden vermehrt erst seit der rasant steigenden Inflation diskutiert und problematisiert. Wie viele Mie­te­r*in­nen tatsächlich Indexmietverträge haben, ist unklar – statistisch wird das nirgends erfasst.

Rudolf Stürzer, Vorsitzender des Vereins Haus und Grund München, schätzt den Anteil der Indexmieten bei den Münchener Mietwohnungen auf 40 Prozent, das beträfe etwa 240.000 Haushalte in der Stadt. „Bei neuen Mietverträgen sind inzwischen etwa 65 Prozent indexiert“ sagte Stürzer der taz. Volker Rastätter vom Mieterverein München geht davon aus, dass Indexmietverträge in München eher „eine Nische sind“. Nur „3 bis 5 Prozent der Mitglieder“ hätten schätzungsweise einen Indexmietvertrag. Die Vorstellungen liegen also weit auseinander.

Indexmieten haben eine hohe Akzeptanz

Doch in einer Sache sind sich beide fast einig. „Die Indexmiete hat in der Stadt eine hohe Akzeptanz, weil es viel weniger Rechtsstreitigkeiten als bei Mieterhöhungen nach dem Mietspiegel gibt“, meint Stürzer am Telefon. In den letzten zehn Jahren seien die Mieten nach dem Mietspiegel in München sehr viel stärker gestiegen als die Indexmieten: „Für Mieter war das ein Vorteil.“

Erst seit dem russischen Angriffskrieg habe sich „das Blatt gewendet.“ Volker Rastätter vom Mieterverein München stimmt zu, in der Vergangenheit habe man sogar zu solchen Verträgen geraten. „In den letzten zehn Jahren war eine Indexmiete oft günstiger als Mieten, die nach dem Mietspiegel berechnet werden, weil die Inflation niedrig war“, erklärt Rastätter.

Stürzer und Rastätter ziehen daraus unterschiedliche Konsequenzen. Während Haus und Grund München zuversichtlich ist, dass Mie­te­r*in­nen und Ver­mie­te­r*in­nen gemeinsam gute Regelungen finden können, fordert der Mieterverein München eine Kappungsgrenze für Indexmietverträge, so wie sie bei anderen Mietverträgen auch gilt. „Vermieter, die lange gar nicht erhöht haben, holen das jetzt nach. Teilweise müssen Mieter nun Erhöhungen von 30 Prozent auf einmal stemmen“, sagt Rastätter.

Zum Vergleich: Bei Mieten, die sich nach der üblichen Vergleichsmiete richten, darf eine Miete maximal um 20 Prozent in drei Jahren steigen. In Lagen, wo der Wohnungsmarkt als angespannt gilt, sind es 15 Prozent in drei Jahren. Die Regierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, diese sogenannte Kappungsgrenze von 15 Prozent auf 11 Prozent zu senken. Umgesetzt ist das allerdings noch nicht.

Indexmietverträge erlauben es, trotz Mietpreisbremse Erhöhungen durchzusetzen

„Nicht per se schlecht“

Ein Indexmietvertrag hat noch eine Besonderheit. Die Anfangsmiete muss sich zwar nach dem örtlichen Mietspiegel richten – darf also mit der Mietpreisbremse maximal 10 Prozent über der Vergleichsmiete liegen. Danach gilt für die Indexmiete anders als bei Standardverträgen jedoch keine Grenze mehr nach oben. Anders ausgedrückt: Indexmietverträge sind eine Möglichkeit, trotz Mietpreisbremse unbegrenzt Erhöhungen durchzusetzen.

Eine Indexmiete sei „nicht per se schlecht“, erklärt Rolf Bosse, Chef des Hamburger Mietervereins, der taz. „Miete ich zum Beispiel eine unsanierte Wohnung an, dann kann eine Indexmiete von Vorteil sein, wenn Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden und die Kosten nicht auf die Miete umgelegt werden können.“ Doch Ver­mie­te­r*in­nen würden die Indexmietverträge taktisch klug nutzen: „Indexverträge sind für Vermietende rentabel, wenn keine Modernisierungsmaßnahmen geplant sind und die Ausgangsmiete bereits die ortsübliche Miete übersteigt. Dann kann man davon ausgehen, dass der Verbraucherpreisindex schneller steigt als der Mietenspiegel und Erhöhungen eher verlangt werden können“, so Bosse. Bei Neuvermietungen geht Bosse davon aus, dass mittlerweile die Hälfte der Verträge indexiert ist.

Auch politisch gehen die Vorstellungen weit auseinander. Während der Deutsche Mieterverein akuten Handlungsbedarf sieht und eine Kappungsgrenze für Indexmiet­verträge fordert, hält der Eigentümerverein Haus und Grund Indexmietverträge immer noch für eine „faire Sache“. Schließlich seien Ei­gen­tü­me­r*in­nen auch mit steigenden Kosten belastet. Vonovia, der größte Immobilienkonzern Deutschlands, hat bereits angekündigt, in Zukunft vermehrt auf Indexmietverträge zu setzen. Die Linkspartei fordert, Indexmietverträge abzuschaffen.

Im Mai sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz der Funke-Mediengruppe, sie sei „kein Fan von Indexmieten“. Ihr Bauministerium prüft derzeit, wie Mie­te­r*in­nen von Indexmietverträgen vor übermäßigen Belastungen geschützt werden können. Einen genauen Zeitplan gibt es auf Nachfrage noch nicht. Für Mietrecht ist derzeit ohnehin das FDP-geführte Justizministerium zuständig. Es teilte der taz schriftlich mit, dass es sich „der Diskussion um das Thema Indexmieten bewusst“ sei. Allerdings müsse geprüft werden, „ob hier gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.“

Verena König hat das Gespräch mit ihren Vermietern nicht gesucht – das Verhältnis sei angespannt. „Vielleicht sagen manche, ich muss einfach in eine kleinere Wohnung ziehen. Ich suche, aber einfach ist das nicht in Berlin“, sagt sie. Was sie nun macht? Sie hofft, dass die Inflation wieder abflaut und sie ihre Wohnung halten kann.

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10 Kommentare

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  • Indexmieten sind doch eher eine Ausnahme.

    Viel wichtiger ist hingegen, dass Mieter mit Indexmieten stets sehr günstig gefahren sind. Mieterhöhungen waren quasi ausgeschlossen. Kommt es jetzt mal zu einer leichten Anpassung folgt der #Aufschrei.

    Vollkommen unverständlich.

    • @DiMa:

      Artikel nicht gelesen? Sie waren eher die Ausnahme. Seitdem die ortsüblichen Vergleichsmieten in der Ballungsräumen tendenziell stagnieren und die Inflation demgegenüber erheblich steigt, wird aber immer mehr zur Indexmiete gegriffen (laut Haus und Grund in München aktuell 40%). Bis zum letzten Jahr war die Indexmiete bei Wohnraumvermietern ja gerade deshalb unbeliebt, weil die ortüblichen Vergleichsmieten viel stärker gestiegen sind als der VPI.

      Dagegen ist ja auch im Grunde nichts einzuwenden, eine Kappungsgrenze zur Abfederung sozialer Härten in Zeiten hoher Inflation wäre allerdings sinnvoll.

  • "König ist Akademikerin und arbeitet in Teilzeit im Bereich Finanzverwaltung. [..] Als König Ende 2015 den Vertrag unterschrieb, wusste sie nicht, was ein Indexmietvertrag ist."

    Also, das glaub' ich wirklich nicht. Vermutlich hat Frau König vor 7 Jahren wohlwissend den Indexmietvertrag angeschlossen in der Hoffnung "Es wird schon nicht so schlimm werden."

    Vor allem jedoch hätte die Redakteurin hier nachhaken müssen - 6, setzen!

  • Die LINKE fordert in einem Antrag das Verbot neuer Verträge mit Indexmiete.



    twitter.com/CarenL...wWgoCx4eaSm4ArAAAA

  • "Nur" 1500€ pro Monat zum Leben? Manche verdienen das insgesamt netto und müssen noch Miete davon zahlen. Da sollte dann auch eine Klassenfahrt pro Jahr noch drinn sein.

    Aber zum Thema: Das Problem sind nicht die Indexmietverträge sondern die hohe Inflation! Diese muss bekämpft werden und das möglichst bald. Man darf gespannt sein was sich die EZB einfallen lässt.



    Die Mieter haben in den vergangenen Jahren mit niedriger Inflation ja auch von den Verträgen profitiert. Nun hat sich das Blatt leider gewendet.

    • @CrushedIce:

      Was erwarten Sie von einer Zentralbank, die nicht die Lösung sondern das Problem darstellt mit einer Geldpolitik, die das Vermögen von Arbeitenden zwangsläufig zu Kapitalbesitzern umverteilt. Die schiere Unmöglichkeit für einigermaßen gut verdienende Menschen, Vermögen aufzubauen, zeugt vom Wohlstandsverlust in Deutschland, der neben hoher Abgabelasten und überbordender Bürokratie eine direkte Folge des Wertverlustes des Euro ist (quasi die neu Lira). Diese Politik beschert Ländern wie Deutschland zu billige Arbeitsplätze und Italien zu teure.

  • Wenn die Miete mit dem Inflationsindex steigt ist das keine Reale Erhöhung - der Vermieter erhält nur einen Inflationsausgleich, die Realmiete bleibt auf dem Niveau des Vertragsabschlusses (für immer) - Fairer geht es ja wohl nicht mehr.



    Das gerne mitzunehmen wenn die Inflation jahrelang unter 1% liegt und dann zu jammern, wenn es eben mal 8% sind ist lächerlich. Der Vermieter hat sich in Zeiten niedriger Inflation auch nicht beschwert. Und nochmal: Er macht auch jetzt keinen unlauteren Reibach - die Miete wurde nur um den Kaufkraftverlust ausgeglichen. Er bekommt hier nur ersetzt was ihn auch mehr kostet, z.b. Handwerker und Services rund ums Haus.

    Die Ideen von Mietern, dass ihre Miete über die Zeit gefälligst real immer billiger zu werden hat in dem sie nominell stagniert ist absurd. Wir leben in einem Land in dem Verträge bindend sind, und nicht einfach von einer Seite gekündigt werden können, wenn sie mal für sie nicht vorteilhaft ist. Wer einen Mietvertrag hat, in dem der Inflationsausgleich die einzige Erhöhung der Kaltmiete ist, der hat einen super fairen Vermieter, der seine Rendite eben nicht real steigern will - er will nur auch nicht draufzahlen.

    • @hup:

      "Wir leben in einem Land in dem Verträge bindend sind, und nicht einfach von einer Seite gekündigt werden können, wenn sie mal für sie nicht vorteilhaft ist."

      Wohnraummietverträge können mieterseits jederzeit ordentlich gekündigt werden, sofern kein befristeter Kündigungsausschluss vereinbart wurde.

      • @Barrio:

        Natürlich - es kann fristgerecht gekündigt werden. Viel Spaß bei der kurzfristigen Suche nach gleichwertigem Wohnraum in der aktuellen Mietsituation. Der Vermieter wird kein Problem haben die Wohnung zur alten Miete plus Inflationsausgleich sofort neu zu vermieten.

        Worum es hier ging ist der Eingriff in bestehende Verträge, wie die Linke sich das vorstellt, zur Deckelung der Inflationsausgleichssteigerungen.

  • "Als König Ende 2015 den Vertrag unterschrieb, wusste sie nicht, was ein Indexmietvertrag ist."

    Eine Akademikerin die in der Finanzverwaltung arbeitet?

    Und selbst ohne diese Vorbildung sollte man schauen, was man unterschreibt. Sondervereinbarungen sind üblicherweise der letzte Punkt vor der Unterschrift.