Neue Serie „Herzogpark“ bei RTL+: Schickeria ohne Schmäh
Morde und Geheimnisse: „Herzogpark“ will sich über die Münchner High Society lustig machen. Doch die Serie auf RTL+ verhebt sich.
Es gibt diese Alterungs-Apps zum Runterladen. Wer darauf nicht vertraut, aber unbedingt wissen will, wie Florian Silbereisen in 30 Jahren aussehen dürfte, der muss diese (Mini-)Serie sehen. Muss Heiner Lauterbach sehen, der da nämlich ziemlich genau so aussieht, wie Florian Silbereisen in 30 Jahren aussehen dürfte. Wahrscheinlich zum ersten Mal seit dem 11. Teil des „Schulmädchen-Reports“ sieht man Lauterbach ohne Glatze, dafür mit graublondem Toupet. Dass irgendwann ein (wie Heiner Lauterbach) bestimmt topfitter Florian Silbereisen um die 70 auf diese Weise wie aus dem Ei gepellt die Szene betritt, wie Heiner Lauterbach jetzt in „Herzogpark“ – das will man jedenfalls sofort für möglich halten.
RTL verspricht eine „schillernde Hochglanzwelt mit ihrem ganz besonderen Flair“ für die Serie „Herzogpark“: „Glanz, Glamour und Champagner (…) stehen für die Münchener High Society an der Tagesordnung.“ Lambos auf den Straßen und Drehorten wie die Dachterrasse des Bayerischen Hofs machen klar, in welche Traditionsreihe man sich einzureihen gedenkt: Helmut Dietl und seine bis heute und – so viel sei vorweggenommen – auch darüber hinaus unübertroffene Serie „Kir Royal“ aus dem Jahr 1986. Dort standen Franz Xaver Kroetz und Mario Adorf auf ebenjener Dachterrasse und schufen einen der eindrücklichsten und komischsten Momente deutscher Fernsehgeschichte: „Ich schieb’et dir hinten und vorne rein! Ich scheiß dich sowas von zu mit meinem Geld, dass de keine ruhige Minute mehr hast!“
Tatsächlich erinnert „Herzogpark“ (Buch: Annette Simon; Regie: Jochen Alexander Freydank, Anca Miruna Lăzărescu) dann doch eher – und natürlich auch nicht zufällig – an ein anderes Serienprodukt etwas jüngeren Datums: Die in Wiener Nobelbezirken angesiedelten, inzwischen sechs Staffeln langen „Vorstadtweiber“ sind in Österreich ein Straßenfeger. In Deutschland hat die ARD erst die zweite und dritte Staffeln wegen zu geringer Einschaltquoten ins Spätprogramm abgeschoben und die Serie dann ganz abgesetzt. Offenbares Fazit bei den Kollegen von RTL: Die Idee ist gut, doch die gezeigte Welt und Darsteller wohl ein bisschen zu wienerisch für das deutsche Publikum. Was also lag da näher, als den Ösi-Intrigantenstadl ins 350 Kilometer Luftlinie entfernte München zu transferieren? Besetzt mit hiesigen TV-Größen.
Empfohlener externer Inhalt
Trailer „Herzogpark“
Derb-Deftig
Als da wären: Antje Traue als höhere Tochter und Socialite mit großen Charity-Verpflichtungen – und noch größeren Geldsorgen; Felicitas Woll (ja, die Lolle aus „Berlin, Berlin“) als Frau des Bürgermeister-Kandidaten (Trystan Pütter) mit geheimer Vergangenheit im Frankfurter Bahnhofsviertel; Lisa Maria Potthoff als taffe, in ihrer Kanzlei bei der Verpartnerung aber regelmäßig übergangene Anwältin. Wenn sie in ihrem Stammcafé eine Bestellung aufgibt, klingt das so: „Guten Morgen, Patrick. I hätt gern zwei Cortados to go und an Quickie im Lagerraum!“ Der Humor, der hier angestrebt wird, ist von der eher derb-deftigen Sorte. Ein bisschen so, als hätte man bei Detlev Buck ein Reboot des „Denver-Clans“ in Auftrag gegeben – der das natürlich abgelehnt hätte.
„Herzogpark“, 6 Folgen ab 29. 6. auf Vox oder bei RTL+
Allen drei Frauen ist jedenfalls gemeinsam, dass sie von Nikolaus van der Bruck erpresst werden, dem jedes billige Mittel recht ist, um seinen „Herzogpark-Tower“ mitten in das noble Villenviertel zu setzten. Der also ein veritables Riesenarschloch ist und von einem routiniert dick auftragenden, diesmal nur eben toupierten, siehe oben, Heiner Lauterbach gegeben wird. Das Frauen-Trio beschließt sein Ableben, hat aber die Rechnung ohne die von Heike Makatsch gespielte Catering-Unternehmerin gemacht, die mit van der Bruck ebenfalls noch eine Rechnung offen hat, weil er sie einst für zwei Jahre ins Gefängnis brachte. Wie und warum, erfährt man erst relativ spät in der Serie. Und dann wäre da auch noch van der Brucks Ehefrau, besetzt mit Jeanette Hain, die die Rolle mit einer so maliziös-zwanzigerjahremäßigen Divenhaftigkeit füllt, dass man sich unweigerlich fragt, wie es eigentlich sein kann, dass vier Staffeln „Babylon Berlin“ bislang keine Verwendung für sie hatten.
Auch das nämlich ist eine sehr viel bessere Serie als „Herzogpark“. Dessen Intrigen – von deutlich weniger Personal – sind erheblich einfacher gestrickt als die der „Vorstadtweiber“. Vom fehlenden Wiener Schmäh ganz zu schweigen. Oder, in einer Nussschale: Das Sehenswerteste bleibt hier sechs lange Folgen lang das Toupet auf dem Haupt von Heiner Lauterbach.
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