EuGH begrenzt Fluggastdaten: Schwere Eingriffe ins Grundrecht
Die Vorratsdatenspeicherung für Fluggäste wird verkürzt. Die Auswertung muss sich laut EuGH künftig auf Terror und schwere Kriminalität beschränken.
Pro Fluggast werden derzeit bis zu 19 Datengruppen erfasst und gespeichert: zum Beispiel Reiseziel, Reisepartner, Telefon, E-Mail-Adresse, Kontodaten und Sonderwünsche beim Essen. Diese Daten werden fünf Jahre lang gespeichert. Nach sechs Monaten werden die Daten zwar „depersonalisiert“, so dass sie nicht mehr einer konkreten Person zugeordnet werden können. Bei Bedarf kann dies allerdings (nach richterlicher Genehmigung) wieder rückgängig gemacht werden.
Die Speicherpflicht geht auf eine 2016 beschlossene EU-Richtlinie (PNR-Richtlinie) zurück. Allerdings geht das deutsche Gesetz noch über das von der EU geforderte Minimum hinaus. Erfasst werden nicht nur alle Flüge in die EU oder aus der EU heraus, sondern auch alle Flüge zwischen EU-Staaten. Nur bei rein innerstaatlichen Flüge (etwa von München nach Hamburg) sollen die Passagierdaten nicht gespeichert werden.
System kontinuierlicher Überwachung
Die Fluggastdaten werden zum einen mit Fahndungsdateien wie Inpol und SIS (Schengener Informationssystem) abgeglichen. Mit den Daten sollen aber auch bisher unbekannte Straftäter anhand bestimmter „Muster“ erkannt werden. Wer zum Beispiel die gleichen Reiserouten nutzt wie Drogenkuriere und sich auch sonst wie ein Drogenkurier verhält, muss mit einer individuellen Überprüfung rechnen. Für die Auswertung ist in Deutschland das Bundeskriminalamt zuständig.
Der EuGH stellte nun fest, dass die EU-Richtlinie ein „System kontinuierlicher, nicht zielgerichteter und systematischer Überwachung“ schafft. Es gehe hier um „fraglos schwerwiegende Eingriffe“ in die Grundrechte der Flugreisenden, so der unmissverständliche Kommentar. Die Richtlinie sei nur dann mit EU-Recht vereinbar, wenn sie „eng ausgelegt“ und die Befugnisse der Behörden auf das „absolut Notwendige“ begrenzt werden, betont der EuGH.
So darf bei der Auswertung der gespeicherten Fluggastdaten keine künstliche Intelligenz im Rahmen maschinell lernender Systeme mehr eingesetzt werden, wenn sie nicht menschlich gesteuert und kontrolliert wird. Der EuGH sieht die Gefahr, dass die so entstehenden Algorithmen zu vielen Falschverdächtigungen führen. In den Jahren 2018 und 2019 waren immerhin fünf von sechs Treffern „falsch positiv“, führten also zu einem falschen Verdacht. Deshalb müssten auch sonst alle Treffer aus der Mustererkennung sorgfältig daraufhin überprüft werden, so der EuGH, ob hier wirklich verdächtiges Verhalten entdeckt wurde.
Datenauswertung auf Terror und Kriminalität beschränken
Außerdem sollen die Fluggastdaten nicht mehr fünf Jahre gespeichert werden, sondern nur noch sechs Monate. Nur wenn jemand bei den Überprüfungen aufgefallen ist, soll eine längere Speicherung der Daten möglich sein.
Die Auswertung der Daten muss sich künftig auf Terror und auf schwere Kriminalität beschränken, die mit dem Flugverkehr zu tun hat, etwa Flugzeugentführungen. Dagegen sind Ermittlungen wegen vieler anderer Delikte wie Mord, Vergewaltigung und Umweltkriminalität nicht mehr möglich. Die Fluggastdaten dürfen auch nicht zu ganz anderen Zwecken, wie verbesserten Grenzkontrollen, genutzt werden.
Und schließlich sollen die Fluggastdaten auf Inner-EU-Flügen nur noch ausnahmsweise vorsorglich gespeichert werden, insbesondere wenn es eine akute terroristische Bedrohung gibt.
Das EuGH-Urteil begrenzt zwar die Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten spürbar, diese bleibt aber grundsätzlich bestehen. Der EuGH hält sogar eine Vorratsdatenspeicherung für Bahn- und Schiffsreisen für möglich – aber natürlich nur, wenn sie sich auf das absolut Notwendige beschränkt. Das Urteil betrifft die Auslegung der EU-Richtlinie, hat also Bedeutung für die gesamte EU. Allerdings wurde beim EuGH noch nicht über anhängige Vorlagen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zur Fluggastdatenspeicherung entschieden.
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