Deutschlands Katholiken und der Krieg: Kein Glaube an Frieden ohne Waffen
Die katholische Kirche in Deutschland übt Solidarität mit der Ukraine und verurteilt Russlands Krieg. Doch danach hört die Einigkeit auch schon auf.
Auch Worsel war nach Kriegsbeginn unter russischer Besatzung, und die Ausbildungsstätte der römisch-katholischen Kirche blieb nicht verschont. Die Studenten konnten zwar rechtzeitig flüchten, das Gebäude war nach dem Rückzug der Russen aber schwer ramponiert. Soldat:innen hatten offenbar im Priesterseminar übernachtet, die Einrichtung geplündert, die Räume beschädigt. Eine Marienstatue sollen sie enthauptet haben.
So steht es zumindest in einem Bericht von Kirche in Not. Die katholische Hilfsorganisation hat in der vergangenen Woche angekündigt, die Diözese Kyiv-Schytomyr bei der Instandsetzung zu unterstützen. Das pastorale Hilfswerk, das spendenfinanziert arbeitet, rechnet dafür mit Kosten in Höhe von 150.000 Euro.
Karitative Hilfe wenig kontrovers
Wiederaufbau, humanitäre Unterstützung, karitative Hilfe: Das sind die einen Felder, in denen die katholische Kirche im Ukraine-Krieg gefordert ist. Eine große Aufgabe, oftmals belastend, zumindest aber wenig kontrovers. „Die große Solidarität mit den Opfern des Krieges ist ein wichtiges Signal, dass wir der Aggression nicht ohnmächtig zuschauen“, sagte beispielsweise Mitte Mai 2022 die Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa beim Jahresempfang der Organisation in Berlin.
In Deutschland engagiert sich die Caritas – neben vielen anderen, auch kirchlichen Institutionen – in der Flüchtlingshilfe. Über die Abteilung Caritas international unterstützt sie in der Ukraine den dortigen Schwesterverband, der Lebensmittel und andere Güter ausgibt, Notunterkünfte betreibt und Kriegsopfern psychologischen Beistand bietet.
Ein anderes, kontroverses Feld: Welche Antworten gibt die katholische Kirche auf die Frage, wie es zum Krieg kam und wie der Weg zurück zum Frieden aussieht? Zwei Wochen nach Kriegsbeginn wagte sich im März die Deutsche Bischofskonferenz mit Sitz in Bonn an diese Fragen.
Deutsche Bischofskonferenz
Deutsche Bischöfe unmissverständlich, nicht so der Papst
In der gemeinsamen Erklärung „Der Aggression widerstehen, den Frieden gewinnen, die Opfer unterstützen“ äußerten sich die Bischöfe unmissverständlich zu den Ursachen und den Verantwortlichen. „Wir beklagen den Überfall auf ein international anerkanntes Land, einen Angriffskrieg, der gegen das in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Gewaltverbot verstößt“, schrieben sie in dem Papier. Und: „Die Begründungen, die von der russischen Regierung zur Rechtfertigung vorgetragen werden, vermögen allesamt auch dann nicht zu überzeugen, wenn man bereit ist, russische Sicherheitsbedürfnisse prinzipiell anzuerkennen.“
Ein anderer Ton war das als auf manchen Friedenskundgebungen, in manchen Talkshows und in offenen Briefen, wo man mit dem Finger auf den Westen, die Nato und dessen Osterweiterung als zumindest indirekten Kriegsgrund zeigt. Ein anderer Ton allerdings auch im Vatikan, wo Papst Franziskus im Interview mit der Corriere della Sera vom „Bellen der Nato an Russlands Tür“ sprach.
Kritik an der russischen Regierung dosiert der Papst spärlich, womöglich mit dem Kalkül, keine diplomatischen Wege zu verbauen. Eine Kyiv-Reise vermeidet er bislang trotz vieler entsprechender Forderungen; in dem Punkt erinnert er fast an den Bundeskanzler.
Kein Widerspruch gegen Waffenlieferungen
Noch brisanter als der implizite Widerspruch zum Papst ist in der Erklärung der deutschen Bischöfe die Einlassung zu Waffenlieferungen. Die Debatte werde auch in der Katholischen Kirche intensiv geführt, heißt es in dem Papier. Deren Vertreter hätten Waffenexporte stets kritisch begleitet und werden dies auch in Zukunft tun.
Aber: Von der konkreten Situation dürfe man bei der Entscheidung nicht absehen. „Rüstungslieferungen an die Ukraine, die dazu dienen, dass das angegriffene Land sein völkerrechtlich verbrieftes und auch von der kirchlichen Friedensethik bejahtes Recht auf Selbstverteidigung wahrnehmen kann, halten wir deshalb für grundsätzlich legitim“, schreiben die Bischöfe.
In die Details der Debatte begeben sich die Bischöfe selbst nicht, sie wägen nicht ab zwischen leichten und schweren Waffen, Schützen- und Flugabwehrpanzern.
Pax Christi mag das Bundeswehr-Sondervermögen nicht
Ihre Erklärung ist kein Plädoyer für Waffenlieferungen, so weit gehen sie nicht. Sie brechen auch nicht mit allen Prinzipien der Friedenstheologie, sondern erinnern daran, dass sich die Kirche in Lehre und Handeln „der Gewaltlosigkeit Jesu verpflichtet“. Dennoch lehnen die Bischöfe militärische Unterstützung im konkreten Fall aber eben auch nicht explizit ab: „Es ist denjenigen, die die Entscheidung zu treffen haben, aufgetragen, präzise zu bedenken, was sie damit aus- und möglicherweise auch anrichten. Dies gilt gleichermaßen für die Befürworter wie für die Gegner von Waffenlieferungen.“
Und: Das von der Bundesregierung infolge des Kriegs geplante Sondervermögen für Verteidigungsausgaben, aus dem die Bundeswehr neue Waffen finanzieren soll, sei „grundsätzlich plausibel“ – auch wenn daraus keine Verengung auf die rein militärische Logik folgen soll.
Auf Widerspruch stößt die Bischofskonferenz mit ihrer Position beim Bundesvorstand von Pax Christi, der katholischen Friedensorganisation. Der räumt in einem Brief an die Mitglieder zwar Irrtümer ein. In Putin habe man sich geirrt, die Gefahr unterschätzt. Auch wolle man nicht von anderen, denen auf die rechte Wange geschlagen wird, einfordern, auch die linke hinzuhalten. Statt auf Waffen setzt die Organisation dennoch auch im aktuellen Kontext auf „aktive Gewaltfreiheit und zivilen Ungehorsam“. Und das neue Geld für die Bundeswehr? Lehnt Pax Christi „als Schritt in die falsche Richtung“ ab.
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