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Linke Wahlunion in FrankreichFrohe Botschaft

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Von Kommunisten bis Grüne: Die Allianz gegen Frankreichs Präsident Macron steht. Für die Parlamentswahl im Juni eröffnet das neue Perspektiven.

Bald Premierminister? Linken-Politiker Jean-Luc Mélenchon Ende April in Paris Foto: Sarah Meyssonier/reuters

F rankreichs Linksparteien einigen sich auf eine Wahlunion. Das ist endlich mal eine frohe Botschaft für die frustrierten LinkswählerInnen, die zuschauen mussten, wie Jean-Luc Mélenchon wegen der Spaltung und der Konkurrenz anderer linker Kandidaturen im ersten Wahlgang der Rechtsextremistin Marine Le Pen den Vortritt für das Wahlduell am 24. April gegen den bisherigen Präsidenten lassen musste.

Brauchte es zuerst die Niederlage in den Präsidentschaftswahlen, um einzusehen, dass mit vereinten Kräften mehr zu erreichen wäre? Für die Kommunisten und die Sozialisten kommt diese Einigung dem Eingeständnis gleich, dass es rückblickend wohl doch falsch war, an den aussichtslosen Kandidaturen von Fabien Roussel (PCF) und Anne Hidalgo (PS) festzuhalten. Roussel erreichte 2,3 und Hidalgo 1,7 Prozent der Stimmen, während Mélenchon als Dritter mit 21,95 Prozent nur knapp hinter Marine Le Pen (23,41 Prozent) die Qualifikation für die Finalrunde verpasste.

Als Mélenchon noch am Abend der Wiederwahl von Macron erklärte, er wolle die Parlamentswahlen im Juni gewinnen und Premierminister in Opposition zum wiedergewählten Staatschef Macron werden, erntete er Spott und Gelächter. „Größenwahnsinn“, „Provokation“ lauteten die Reaktionen. Die Überraschung war also verständlich, als seine Partei La France insoumise zu Wochenbeginn eine rasche Einigung mit den Grünen auf eine Wahlunion bekannt gab und gleich noch eine Erweiterung um Kommunisten und Sozialisten ankündigte.

Diese Einheit eröffnet neue Perspektiven: Sie kann verhindern, dass die extreme Rechte unbestritten als stärkste Oppositionskraft auftritt. Im besten Fall könnte die vereinte Linke die Parlamentswahl im Juni gewinnen. Wie ernst diese Aussicht genommen wird, bezeugen die empörten Reaktionen aus dem Lager von Macron. Auf jeden Fall schafft die Linkseinheit eine spannende Ausgangslage für Mitte Juni. Dass Macron wie 2017 eine gefügige absolute Mehrheit von Abgeordneten bekommt, die seine Regierungsvorlagen durchwinkt, ist nicht mehr garantiert.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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7 Kommentare

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  • Leider droht hier wieder ein ausmauscheln zwischen merh oder minder abgehalfterten Polit-Funktionären. Wie soll das Programm aussehen - Fragezeichen. Beteiligung der Basis an der Debatte - Fragezeichen. Alternativen zur herrschenden Politik - nicht nur in France - dürfte dem Gerangel um sichere Parlamentssitze zum Opfer fallen. Da fällt der Roman Lampedusas 'Der Leopard' ein: „Es muss sich alles ändern, damit alles so bleibt wie es ist.“

  • Das ist - mit Verlaub - alles Mist.



    Ein Wahlbündnis hatte Sinn im Präsidentschaftswahlkampf (Es kann nur einen geben), da wollten die Superegomanen aber nicht.



    Und jetzt plant man Fundamentalopposition, wo Frankreich genauso eigentlich konstruktive Arbeit benötigt.



    Das zwingt die Le Penner nicht in die blaune Gosse zurück.



    Macron ist nicht der Hauptfeind - Haupftfeind aller Progressiven sind die Reaktionäre, die gleiche Masse an Zukunftshassern und Realitätsverleugnern die auch bei uns nach dem volkseigenen Heiland suchen, der es schafft alles zum Heimatfilmidylligen zu wenden, ohne dem Veränderungsphobiker etwas abzuverlangen.

  • Melanchon zu wählen.um Le Pen zu blockieren ist die bekannte Wahl zwischen Pest und Cholera.



    Beide sind Extremisten, beide sind Anti Europäer.

    • @Max Sterckxc:

      Die Lösung

      Zitat @Max Sterckxc: „Mélanchon zu wählen.um Le Pen zu blockieren ist die bekannte Wahl zwischen Pest und Cholera.
Beide sind Extremisten, beide sind Anti Europäer.“

      Beide „Extremisten“-Lager bringen neuesten Umfragen zufolge zusammen zwei Drittel des Wählerpotentials auf die Wage - ein bißchen viel Holz für „Extremisten“. Dann bleibt dann dem verbliebenen Drittel der Macronisten der Yupi-Bobo-Bourgeoisie der „Beaux quartiers“ (Luis Aragon) wohl nur, das französische Volk aufzulösen und sich ein neues zu wählen...

  • He insisted international organisations such as the EU threatened to "strangle the voice of the people". Mehr muss man zu Mélenchon nicht sagen. Den zu feiern ist fragwürdig.

  • Macrons Wahlsieg - der Triumpf des Zynismus‘

    Zitat „Für die Kommunisten und die Sozialisten kommt diese Einigung dem Eingeständnis gleich, dass es rückblickend wohl doch falsch war, an den aussichtslosen Kandidaturen von Fabien Roussel (PCF) und Anne Hidalgo (PS) festzuhalten.“

    Das war wirklich eine politische Schnapsidee der institutionellen Restlinken, nichts als „politique politicienne“. Im bürgerlichen Establishment um Macron, aber auch hierzulande, fiel allen ein Stein vom Herzen, als es MLP doch noch in die zweite Runde schaffte. Eine wirkliche demokratische Richtungsentscheidung hätte es nur bei einem Duell Macron - Mélanchon gegeben. Aber so konnte sich der Jupiter-Präsident erfolgreich vor einer schonungslosen Bilanzierung seines quinquennats drücken. Und die fällt für ihn mehr als dürftig aus: Einer Umfrage von Cevipof zufolge halten 56% der Franzosen seine erste Amtszeit für „schlecht“, („mauvais“) 51% sein Programm für „gefährlich“ („dangereux“), das vor allem den Interessen der Privilegierten diene (72%). (Le Monde 15./16. 4.22). Die Hauptanklagepunkte sind das Sinken der Kaufkraft, die Heraufsetzung des gesetzlichen Rentenalters, die klimapolitische Untätigkeit und der Strafkatalog für Arbeitslose. Da konnte sich der einstige Darling auch des hiesigen Establishments europapolitisch noch so anstrengen und im Wahlkampf die Ukraine-Karte spielen: Das alles interessierte die Mehrheit der Franzosen herzlich wenig. Man hat dort jetzt andere Sorgen und empfindet des Wahlsieg Macrons als den „Triumpf des Zynismus‘„ (Serge Halimi in „Le Monde diplomatique“)

    Das Abschneiden des nunmehr geschlossenen Linksblocks im „Dritten Wahlgang“, den Parlamentswahlen, wäre dann auch ein Gradmesser für Macrons Europa- und Bündnispolitik und seine Haltung im neuen Kalten Krieg.

  • ich zitiere mich mal selbst vom 24.04.



    "Die hoffentlich etwas erzwungene cohabitation verspricht zumindest eine spannende Legislaturperiode...

    Sollte das nicht klappen (die Linke in irgeneiner Form wiederzubeleben und auch noch zu einigen), sehe ich für Frankreich in 2027 schwarz - Macron darf nicht mehr (brauch auch nicht) und MLP wäre bei einer zerfleischten "LINKEN" am Ziel ihrer faschistischen Träume.

    Ich wohne in einem 750-Seelendorf und es tut mir weh, dass von den 714 eingeschriebenen Wählern nur 549 gewählt haben, davon 268 MLP, 233 Macron, bei 36 blancs und 12 nuls"



    Schaumer mal am 12. und 19.06. Es ist noch nicht aller Tage Abend!