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Debatte um Hamburgs VerkehrspolitikTramophobie im Rathaus

Hamburgs Bürgermeister bezeichnet Straßenbahnen als „altmodische Stahlungetüme“. Keine Großstadt baue sie heute noch in ihr Zentrum. Aber stimmt das?

Früher, als Hamburg noch eine Straßenbahn hatte Foto: Arkviki/Imago

Hamburg taz | Es klingt nach einer endgültigen Absage. „Keine Großstadt baut eine neue Straßenbahn ins Zentrum“, sagte Hamburgs SPD-Bürgermeister Peter ­Tschentscher (SPD) am Dienstag im Rathaus. Diese seien „altmodische Stahl­ungetüme“, die ganze Verkehrsräume zerschneiden, zitierte ihn das Hamburger Abendblatt.

Dabei möchte auch Rot-Grün in Hamburg, dass Menschen weniger Auto fahren. Bis 2030 sollten 80 Prozent der Wege per Rad, zu Fuß oder per Bus und Bahn zurückgelegt werden, ist das erklärte Ziel eines Bündnisses, das Tschentscher vorstellte.

Da überrascht diese schroffe Absage an die Straßenbahn, für die es in Hamburg mal ein gut verzweigtes Netz gab und die Mobilität für jeden ermöglichte, als das Auto noch Luxusgut war.

Ein Blick auf die Karte „Straßenbahnen der Welt“ zeigt, wie weit verbreitet die Tram auch heute ist und in wie vielen Teilen der Welt neue Straßenbahnen entstanden. Allein in Frankreich gibt es in 27 Städten Straßenbahnen, und außer in Paris führen auch alle ins Zentrum, wie Dieter Doege von der Initiative „Pro-Stadtbahn-Hamburg“ bemerkt. „24 davon wurden in den letzten 20 bis 30 Jahren gebaut.“ Die modernen Straßenbahnen seien übrigens aus einer hochfesten Aluminium-Legierung. Doege: „Nix mit Stahl­ungetümen.“

Mit dem Bus dauert es vier mal länger

Doch es scheint, als sei das Thema für Hamburgs SPD Tabu, seitdem der frühere Bürgermeister Olaf Scholz 2011 die Pläne der vorangegangenen schwarz-grünen Regierung beerdigte, um sich als Politiker der Mitte zu profilieren. Schwarz-Grün war damals an einem verlorenen Volksentscheid gegen eine ambitionierte Schulreform zerbrochen. Scholz’ Botschaft damals: keine Experimente mehr, zumal es tatsächlich Proteste gab.

Die Linken-Verkehrspolitikerin Heike Sudmann vermutet nun, Tschentscher leide an „Tramophobie“. Sie hat flugs eine Anfrage eingereicht, in der sie auf neue Stadtbahn-Systeme weltweit verweist, und fragt, ob der Bürgermeister das nicht weiß?

Doch Hamburgs Sozialdemokraten setzten seit zehn Jahren auf U-Bahn-Bau, tief unter der Erde, wo sie den anderen Verkehr nicht stören. Nur sind diese Pläne, wie etwa für die neue U5 im Norden der Stadt, teuer und schwer realisierbar. Und der Unter-der-Erde-Bau dauert lange. Doege rechnet mit der fertigen U5 nicht vor 2040. Dagegen sollte die erste Linie der noch 2010 unter Schwarz-Grün geplanten Stadtbahn nach zwei Jahren Bauzeit fertig sein, so nachzulesen ist das in der Broschüre „Die Stadtbahn. Für die Zukunft Hamburgs“. Diese biete Komfort und sei ökonomisch richtig, schrieb die Stadt damals: „Viele Metropolen erkennen heute diese Vorteile und führen moderne Stadtbahnsysteme ein“, hieß es dort.

Tschentscher setzt nun auf den Ausbau von Rad- und Fußverkehr und verspricht für Bus- und Bahn einen Fünf-Minuten-Takt. All das reicht aber nicht, schon gar nicht für eine alternde Bevölkerung. Für viele ist das eigene Auto immer noch konkurrenzlos effizient. Vor allem für jene, die nicht zentral wohnen.

Grüne halten an der Idee fest

Eine Fahrt von Rahlstedt in das gar nicht mal so weit entfernte Marienthal zum Beispiel dauert mit dem Auto 15 Minuten, mit dem Bus viermal so lange. „Was fehlt, sind schnelle periphere Querverbindungen“, sagt Dieter Doege. Und die wären mit Straßenbahnen rasch und günstig realisierbar. Nach dem Netzplan, den seine Initiative 2010 entwickelte, gäbe es zum Beispiel mit der Linie 16 den „Billstedt-Lattenkamp-Express“, der nicht nur die Großsiedlung Steilshoop, sondern eben auch von Rahlstedt nach Marienthal führt. Solche Querlinien gäbe es laut diesem Plan auch nördlich, südlich und westlich der Alster.

In der Grünen-Fraktion hält man zumindest an der Idee fest. Durch Stadtbahnen würden Stadträume an großen Straßen wieder lebenswerter, sagte Verkehrspolitiker Gerrit Fuß. „Städte wie Paris oder Stockholm setzen daher aus gutem Grund auf den Auf- und Ausbau ihrer Trambahnen.“ Auch wenn die Stadtbahn in Hamburg aktuell auf der Agenda nicht ganz oben stehe, so Fuß, spiele sie langfristig „eine Rolle“.

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9 Kommentare

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  • Es gibt kein besseres öffentliches Verkehrsmittel als die Strassenbahn!

    Hamburg scheint da doch eher provinziell zu sein.

    Berlin hat sie und Brüssel hat auch eine super Tram. Bankstadt Zürich auch. In Strasbourg sind die Trams quasi Panoramaverglast, toll um die Stadt zu entdecken. Und und und...

    Aber wenn Hamburg zuviel Geld übrig hat, sollen sie halt eine U-Bahn bauen. Trotzdem schade ums Geld.

  • "Altmodische Stahlungetüme"



    -Es soll ja mal Leute in der SPD gegeben haben ( Eugen Wagner ), die die Stadt so gestalten wollten, dass sich die vierädrigen altmodischen Stahlungetüme ungehindert in der Stadt bewegen sollten und deshalb die Strassenbahn abgeschafft hat:



    Durch autobahnähnliche Ringe (1-3), Fussgänger am besten durch Unterführungen usw. .



    Dieses historische verkehrspolitische Totalversagen nicht eingestehen zu wollen, ist der eigentliche Grund für die Ablehnung der Strassenbahn schon bei der Hafencity.

  • Was is die ICD-11-Nummer von Tramophobie ? Is Tschentscher privatversichert ? Zahln die das ?

  • Man muss gar nicht nach Paris oder Stockholm schauen - auch im Berliner Zentrum gibt es Straßenbahnen, und dort ist auch eine Strecke (vom Hbf zur Turmstraße) im Bau und weitere in Planung.

  • Man sollte sich genau überegen, ob man das, was vor mehr als 100 Jahren modern war, als Zukunftstrend haben will.

    Die Schienen auf der normalen Fahrbahn sind ausgesprochene Radfahrerfallen.

    Seitdem ich mich zwei Mal hingepackt habe, weil ich mit dem Vorderrad in eine Schiene kam, fürchte ich Straßenbahngleise.

    Wo ich arbeite, starb ein Radfahrer vor mehreren Jahren, nach dem er mit seinem Rad in die Gleise geriet.

    Radfahrer leben ohne Straßenbahngleise länger.

    • @rero:

      Was für ein Quatsch !



      - Radfahrer leben ohne Automassen länger !!!



      Ich hatte bereits unzählige unverschuldete, auch schwere Unfälle mit Autos.



      Da war vom Dooring, ohne gucken aus der Ausfahrt schiessen, bis zum plötzlichen Frontalzusammenstoss, weil ein Auto plötzlich auf die Gegenfahrbahn fuhr Alles dabei.



      Alles, was diesen Autoirrsinn eindämmt, rettet Leben von Radfahrern !

      Eingelassene Schienen könnte man einfach durch einen gelben Warnstreifen daneben hervorheben, damit Radfahrer sie nicht übersehen.



      Dann sind die Sturzgefahren handhabbar. - Einfach nicht im spitzen Winkel drüberfahren !

      • @Gerald Stolten:

        "Eingelassene Schienen könnte man einfach durch einen gelben Warnstreifen daneben hervorheben, damit Radfahrer sie nicht übersehen."

        Dann muss ich als Radfahrer ja trotzdem noch abbremsen und vorsichtig über die Schienen fahren. Es muss doch darum gehen, dass man als Radfahrer schnell vorankommt, ohne ständig ausgebremst zu werden. Das geht auf Rad/Busspuren oder mit Tempo 30 für den Autoverkehr, aber nicht mit irgendwelchen gelben Linien neben Sturzfallen oder Verrenkungen, um einen spitzen Winkel zu vermeiden.

  • Die Diskussion um Straßenbahn und U-Bahn ist in Hamburg wahnsinnig verbohrt, es geht immer um entweder oder. Dabei brauchen wir eigentlich beides: Straßenbahnen, um überlastete Buslinien zu ersetzen und neue U-Bahnen (oder S-Bahnen) um weit außerhalb liegende Gebiete schnell mit dem Zentrum und dem Rest Hamburgs zu verbinden, dort wo es baulich notwendig ist auch unterirdisch.

    Auch unterirdische Straßenbahnstrecken machen vielleicht Sinn, das kriegen andere Städte ja auch hin. Und wenn es schneller geht, muss man vielleicht auch erstmal provisorisch Straßenbahnschienen verlegen, auch wenn abzusehen ist, dass dort in 20 oder 30 Jahren eine U-Bahn-Anbindung sein wird. Manchmal würden aber auch schon Busspuren helfen.

    Ganz so einfach, wie die Befürworter von Straßenbahnen tun, ist es aber auch nicht. Straßenbahnen, die einen großen Teil der Fläche mit Autos teilen, stehen genau so im Stau, wie jetzt die Busse. Ihre Strecken müssen schon getrennt sein, damit das Sinn macht. Und Straßenbahnschienen und Fahrradreifen mögen sich nicht besonders, das kann zu bösen Stürzen führen. Während sich Busspuren und Fahrradstrecken zumindest stellenweise kombinieren lassen, ist das mit Straßenbahnstrecken schwierig. Von daher haben Straßenbahnen den größten Platzverbrauch, und Platz ist in Hamburg ziemlich rar.

  • Die U-Bahn kostet und es spielt eine Rolle, in welchem Schichtsystem gearbeitet wird, die U-Bahn könnte auch viel schneller gebaut werden. Es ist eine politische Entscheidung, ob die Linie ab 2040 zur Verfügung steht oder ab 2030 oder 2035.

    Und sie ist schon die Top-Wahl. Eine Straßenbahn ist gut, aber ich bin mir nicht sicher, ob der Aufwand lohnen würde, um das System wieder einzuführen. Sie gab es ja mal. Dann hat man sie abgeschafft, weil sie damals laut war und Busse eine ähnliche Funktion haben. Buslinien werden auch ständig neue eingeführt, man kann von Barmbek Süd oder Winerhunde jetzt direkt nach Wandsbek und Jenfeld fahren.

    Und die Diskussion um Autos ist auch scheinheilig, auf der einen Seite stellt die Stadt immer neue Blitzer auf, versucht Autofahrer überall finanziell zu schnappen, wo es geht, auf der anderen Seite sollen die Leute mit dem Fahrrad fahren. Oder besser zu Fuß oder mit dem HVV. Es gibt auch Lebenssituationen, wo ein Auto Sinn ergibt, jedenfalls oft.

    Ich würde der Regierung raten, sich zu überlegen, wie sie agiert: U-Bahn ja, S-Bahn ja, aber Tram? Das scheint mir nicht zu Ende gedacht, zumal neue Systeme schnell und leise sind. In Frankfurt ist die Straßenbahn teilweise wie eine U-Bahn. Es gibt auch Variationen, die leiser, umweltfreundlicher sein können, wenn sie gewünscht sind.