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Frauenrecht in SpanienMenstruation ist kein Urlaub

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Was in Spanien an Gesetzgebung auf dem Weg gebracht wird, ist ein Gamechanger: Weibliche Gesundheit gehört mitten ins öffentliche Bewusstsein.

Auf dem Weg zur Arbeit, ein Morgen in Madrid Foto: Paul White/ap

D rei bis fünf Krankentage pro Monat bei Menstruationsbeschwerden, kostenfreie Tampons und Binden in Bildungseinrichtungen und Gefängnissen, Schwangerschaftsabbrüche auch ab dem Alter von 16 Jahren ohne Zustimmung der Eltern und Mutterschutz ab der 39. Woche: All das sieht ein Gesetz vor, das das spanische Kabinett am Dienstag verabschiedet hat. Das Parlament muss noch zustimmen.

Aufmerksamkeit bekommen derzeit zumindest in der deutschen Öffentlichkeit vor allem die Krankentage, die auch in Spanien umstritten sind: Führt „Menstruationsurlaub“ dazu, dass Frauen schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben? Die eigene Gesundheit aufgrund dieser Befürchtung zu opfern ist die seit Langem von vielen praktizierte, aber denkbar schlechteste Lösung. Von „Urlaub“ zu sprechen ist schlicht Ignoranz: Es ist höchste Zeit, dass sich Frauen mit teils immensen Schmerzen offiziell nicht mehr zur Arbeit schleppen müssen.

Ein Gamechanger ist zudem, dass Spanien zusammendenkt, was zusammengehört: Menstruation, Verhütung, Abbrüche und Mutterschutz sind Teil der Gesundheit von Menschen, die schwanger werden können. Währenddessen sind im deutschen Diskurs sogenannte reproduktive Rechte noch längst nicht angekommen, geschweige denn umfassend gewährt.

Ihr Sinn ist es, den Alltag von Menschen, die Kinder bekommen können, angemessen zu gestalten: auf eine Art und Weise also, die es ermöglicht, eigenständig zu entscheiden, ob und wann und wie viele Kinder sie bekommen wollen oder eben nicht, Kinder unter sicheren Bedingungen aufzuziehen und bei alldem nicht Gefahr zu laufen, vermeidbare Schmerzen zu erleiden oder zu sterben, zum Beispiel aufgrund illegaler Abbrüche.

Was Spanien auf den Weg bringt, ist ein wichtiger Kontrapunkt zu den USA, wo Frauen gerade Gefahr laufen, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch nach einem halben Jahrhundert zu verlieren. Nichts ist je endgültig gesichert. Umso mehr muss das Ziel sein, reproduktive Rechte – Menschenrechte – abzusichern. Spanien könnte dabei mit gutem Beispiel vorangehen.

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Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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12 Kommentare

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  • Hecht schreibt: "Von 'Urlaub' zu sprechen, ist schlicht Ignoranz.

    Das stimmt, macht aber außer in Deutschland keiner. Die freien Tage heißen auf Spanisch nicht "Menstruationsurlaub", das ist eine Fehlübersetzung für "permiso menstrual" (oder "baja menstrual"), das heißt einfach "arbeitsfreie Menstruationstage" oder "Menstruationsabwesenheit".

    Anders die deutsche Begriffsbildung lässt sich aus dem spanischen Begriff nichts "Urlaubsmäßiges" herleiten oder die Tage als "Ferien" imaginieren, diese deutsche Konnotation von "Urlaub" schwingt da einfach nicht mit.

  • Verwunderlich, dass das in Spanien nicht längst selbstverständlich ist. Natürlich sind heftige Schmerzen - aus welchem Grund auch immer - ein akuter Krankheitszustand, der zur Arbeitsunfähigkeit führen kann. Die Frage ist eher: Warum gibt es die Lohnfortzahlung nicht für andere Krankheitszustände auch??

    In Deutschland dürfte so ein Gesetz vor allem deshalb unnötig sein, weil wir eine Lohnfortzahlung vom ersten Krankentag an haben. Starke Menstruationsschmerzen können hier jetzt schon ganz normal zur Krankschreibung ohne Lohnnachteil führen, wenn die Betroffene zum Arzt geht.

    • @Normalo:

      Es gibt ein weiterer Vorteil gegenüber Deutschland. Mit dieser spanischen Regelung hat auch der Arbeitgeber keine (reinen) finanziellen Nachteile vom Arbeitsausfall. Ich glaube in Deutschland ist der Arbeitgeber zur Lohnausgleich zumindest teilweise verpflichtet?

      • @Doktor No:

        Ist er, aber er kann sich das ausgezahlt Geld von der Krankenkasse wiederholen. Kann sein, dass für die Lohnnebenkosten etwas anderes gilt, aber ob das in Spanien nicht genau so läuft weiß ich nicht. Jedenfalls finde ich ein System wie das spanische, in dem wohl die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall die Ausnahme ist, in jedem Fall nicht so arg vorteilhaft.

  • Ja wie? Ihr Tuppes!

    “Ihr seid über den Ausdruck "Gamechanger" gestolpert und wisst nicht, was das bedeuten soll? Wir verraten euch, was dahinter steckt und wie ihr ihn verwendet.



    er Ausdruck "Gamechanger" ist aus dem Englischen abgeleitet und bedeutet wortwörtlich "Spielveränderer". Damit wird eine Person oder Sache, die den Kurs, die Strategie, den Charakter von etwas radikal verändert. Ein Resultat oder Ergebnis werden durch einen "Gamechanger" erheblich beeinflusst und gestalten Märkte, Branche und mehr neu.“ Booey - da schau her!



    oder



    “ Das bedeutet Gamechanger: etwas, das die Art und Weise, wie Dinge als Ganzes getan werden, signifikant verändert. Der Ausdruck "Gamechanger" ist aus dem Englischen abgeleitet und bedeutet wortwörtlich "Spielveränderer".“ - 🙀🤪



    & grad hat es wurde Die Zeit-Joffe das Handtuch geworfen! Bravo Bravo! Gell.



    & @TZ-B bekundet -



    “ Ich hatte die ZEIT 20 Jahre im Abo, bis es mir vor zehn Jahren zu blöd wurde, und ich merke immer wieder warum.“

    Ja & das gamechanginieren ala taz erinnert mich an die 70er: da gings mir dank der Gräfin & Theo “Helmut - du wirst dich nicht erinnern“ Sommer & deren Fremdwort-Gedödel an Worthülsensalat derart auf die cochones



    Daß Donnerstag ab da nicht mehr & nie wieder - ZEIT-Tag war.



    Mit Harry Rowohlt & wehret den beschleunigten Anfängen: “Wer einem so derart deutlich (zunehmend) zeigt - daß er von mir nicht gelesen werden will. Den will ich auch bi lütten nicht länger quälen & ihm den Gefallen doch endlich mal tun!“



    Coming 🔜 - wie‘s unter Jazzern heißt.



    Wär ich denn einer - 🙀🥳🤔 -

  • Wo ist der Unterschied zu einer Krankschreibung von drei Tagen, bei der man nicht angeben muss, warum?

    • @fly:

      Laut Artikel besteht der Unterschied im Anspruch auf Lohnfortzahlung im Gegensatz zur normalen Krankschreibung

      • @Vroni M.:

        Ja genau. Es ist ein finanzieller Unterschied für die Arbeitnehmerin. Wenn das Gesetzesvorhaben durchgeht, bekommen sie vollen Lohnersatz ab Tag eins. Der Gang zum Arzt bleibt, aber es wird behandelt wie eine Behinderung, heißt, sie muss auch nicht eine mindestdauer Beitragszahlerin gewesen sein.

      • @Vroni M.:

        Genau, die Krankenversicherung (seguridad social) soll alle Kosten des Arbeitsausfalls ab dem ersten Tag übernehmen. In der heutigen Regelung gibt es Geld Nachteile für den Arbeitnehmer.

      • @Vroni M.:

        Entschuldigung, das steht nicht oben im Artikel, dann habe ich das heute an anderer Stelle gelesen. Leider weiß ich nicht mehr, wo

    • @fly:

      Es scheint diese in Spanien nicht zu geben. Ich persönlich hielte es daher für besser, diese Kranken-Tage für Menschen jeden Geschlechts auch dort zu ermöglichen; eine Sonderregelung für Frauen ist nicht zielführend, zumal es nur eine Minderheit betrifft, die meisten Frauen haben damit ja keine Probleme.

    • @fly:

      Das verstehe ich auch nicht.