piwik no script img

Reaktionen auf Massaker von ButschaWeniger Kohle, mehr Waffen

Die EU plant ein schrittweises Importverbot von russischer Kohle. Indes wollen mehrere Nato-Staaten der Ukraine nun auch schwere Waffen liefern.

Ein Arbeiter untersucht eine Kranschaufel im Kohlebergwerk in der russischen Stadt Meschduretschensk Foto: Andrey Rudakov/Bloomberg/getty

Brüssel taz | Mehr Sanktionen gegen Russland, mehr Waffen für die Ukraine: Vor dem Hintergrund des Massakers von Butscha und der Eskalation des russischen Krieges im Osten der Ukrai­ne haben die EU und die Nato ihre Gangart nochmals verschärft und die letzten Tabus gebrochen.

So bereitet die EU den Einstieg in das lange umstrittene Energie-Embargo gegen Russland vor. Die Botschafter der 27 EU-Staaten legten am Donnerstag in Brüssel letzte Hand an ein neues Sanktionspaket, das ein schrittweises Importverbot für russische Kohle enthält.

Der Boykott soll im Sommer greifen, sagten die EU-Diplomaten. Man könne nicht sofort starten, da Deutschland eine längere Übergangszeit brauche. Nach Angaben der EU-Kommission könnte Russland durch das Kohle-Embargo Einnahmen von 4 Milliarden Euro im Jahr verlieren.

Bisher hat die EU den Energiesektor von Sanktionen ausgeklammert, weil die Industrie von Lieferungen aus Russland abhängig ist. In den ersten vier Sanktionsrunden wurden Kohle, Öl und Gas ausgenommen. Damit sei es nun vorbei, erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel. Die 27 EU-Staaten gehen allerdings langsamer vor als erwartet. So sollte die fünfte Sanktionsrunde zunächst schon am Mittwoch verabschiedet werden. Mehrere Staaten traten jedoch auf die Bremse. Es seien noch „technische Fragen“ zu klären, hieß es.

Das Europaparlament forderte mehr Tempo. Eine große Mehrheit der Abgeordneten verlangte am Donnerstag einen sofortigen Lieferstopp von Öl, Kohle und Gas aus Russland. Zudem sprachen sie sich für ein Aus bei den Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 aus. „Das Massaker von Butscha und die anderen Gräueltaten von Putins Armee dürfen nicht ohne Konsequenzen bleiben“, sagte der EU-Parlamentarier Peter Liese (CDU). „Wir müssen Putin und seine Oligarchen dort treffen, wo es sie am meisten schmerzt. Das ist der Energiebereich.“

Auch schwere Waffen

Das Europaparlament verfolgt seit Langem eine harte Linie gegenüber Russland. Allerdings kann es Sanktionen nicht beschließen, das ist ein Vorrecht der Mitgliedstaaten. Auch auf die Waffenlieferungen an die Ukraine haben die Abgeordneten keinen Einfluss. Eine zunehmend wichtige Rolle spielt dagegen die Nato. Obwohl die Militärallianz offiziell keine Kriegspartei ist, übernimmt sie immer mehr Koordinierungsaufgaben im Krieg in der Ukraine.

Bei einem Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel erklärten sich mehrere Länder bereit, ab sofort auch schwere Waffen zu liefern. Tschechien habe bereits Kampfpanzer auf den Weg in die Ukraine gebracht, sagten Nato-Diplomaten. Auch Deutschland wolle prüfen, wie man das Land intensiver und koordinierter unterstützen könne, sagte Außenministerin Baerbock. Bei einem Sondergipfel vor zwei Wochen hatten sich die Alliierten noch wesentlich zurückhaltender geäußert.

Damals stand die Sorge im Vordergrund, dass die Nato in den Krieg hineingezogen werden könne. Nun sprach sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg für mehr Einsatz aus. Nach dem Massaker in Butscha gehe es darum, „die Invasionstruppen zurückzudrängen“, sagte er.

Die bisher getroffene Unterscheidung zwischen defensiven und offensiven Waffen sei hinfällig geworden, so Stoltenberg. Die 30 Alliierten müssten sich auch auf einen längeren Einsatz einstellen. Der Krieg könne noch „viele Monate oder sogar Jahre“ dauern.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • was heute noch gelten mag ...

    kann schon morgen makulatur sein.

    waffenlieferungen werden uns nicht davor bewahren.

    wenn nicht umgehend friedensplanangebote gemacht werden, geraten alle parteien mehr und mehr ins hintertreffen.

    • @adagiobarber:

      Da ist was dran, aber bisher hat Putin keinen Friedensplan vorgelegt...

    • @adagiobarber:

      Es wird keinen Konpromissfrieden geben. Deutschland wäre natürlich dazu bereit, keine Frage. Aber Sie verkennen die anglo-amerikanische Mentalität. Die intelligenten panzerbrechen Waffen aus den USA und GB haben den Verteidiger in die bessere Position gebracht. Der für alle Fachleute unfassbare Dilettantismus der russischen Militärführung und der verständlicherweise nicht vorhandene Kampfeswille der einfachen Soldaten erledigt den Rest. Aber um die besetzten Gebiete zu befreien, benötigt die Ukraine schwere Waffen, Ausbildung und Logistik. Je schwächer Russland wird - und das ist nur noch ein Spiel auf Zeit - desto mehr schwere Waffenlieferungen wird es geben, da man selbst nicht mehr konventionell durch Russland bedroht wird. Putin ist All-In gegangen und hat alles, wirklich alles verspielt.

    • @adagiobarber:

      Friedensplan: Russland raus aus der Ukraine inkl. Krim. Reparationen in Billionenhöhe. Putin und alle verantwortlichen Militärs, Söldner und zivile Mittäter nach Den Haag.



      Oder soll Putin wieder die Erfahrung machen, dass Invasionen schon akzeptiert werden am Ende. Ihre Sorgen ums Hintertreffen diskutieren Sie mal mit den Nachbarländer Russlands, vor allem Georgien.