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Besuch von Guterres in Moskau und KiewMit leeren Händen

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Der Ukrainekrieg ist schon längst keine reine europäische Angelegenheit mehr. Wo der Weltfrieden bedroht ist, ist das Handeln der UNO gefordert.

Und wieder jemand am lächerlich langen Tisch: Guterres erfolgloser Besuch Foto: Vladimir Astapkovich/Sputnik/ap

U NO-Generalsekretär António Guterres ist zu spät nach Moskau und Kiew gereist und kehrt mit nahezu leeren Händen nach New York zurück. Das ist von großer Tragik. Zumal der Ukrainekrieg schon längst nicht mehr auf den europäischen Kontinent beschränkt ist. Er hat dramatische globale Auswirkungen, die die Bezeichnung 3. Weltkrieg schon jetzt rechtfertigen. Insbesondere, weil dieser Krieg die Nahrungsmittelversorgung vor allem für die Länder in Afrika immer mehr einschränkt.

Die Zahl der Menschen, die infolge dieses Kriegs im Globalen Süden verhungern, wird letzten Endes wahrscheinlich sehr viel höher sein als die Zahl der durch russische Angriffe getöteten Zivilisten und Soldaten in der Ukraine. Das ist eine Bedrohung des Weltfriedens, für dessen Bewahrung und Wiederherstellung die UNO laut ihrer Charta die oberste Verantwortung hat.

Die 136 nichteuropäischen Mitgliedstaaten der UNO haben sich schon viel zu lange vergebens darauf verlassen, dass die 57 Mitglieder der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) diesen Konflikt auf ihrem Kontinent beilegen. Daher sollte Generalsekretär Guterres jetzt nicht resigniert aufgeben, sondern auf Basis der mit großer Mehrheit verabschiedeten Resolution der Generalversammlung vom 2. März zur Verurteilung dieses Krieges gemeinsam mit einer Gruppe führender UNO-Mitglieder aus dem Globalen Süden eine Initiative starten.

Die Vermittlung eines Waffenstillstandes im Ukrainekrieg ist notwendige Voraussetzung für ernsthafte politische Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew. Zu dieser Gruppe sollten vorzugsweise Staaten aus dem Globalen Süden gewonnen werden, die sich bisher nicht als Unterstützer einer der beiden Kriegsparteien exponiert haben. Auch wenn China dieses Kriterium zumindest nach den bisherigen Äußerungen aus Peking zu dem Ukrainekrieg nicht erfüllt, kämen zumindest die anderen drei mit Russland in der Brics-Ländergruppe verbündeten Staaten Brasilien, Indien und Südafrika für diese Vermittlungsinitiative der UNO infrage.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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11 Kommentare

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  • Ich weiß gar nicht, was man bei solchen Artikeln schreiben soll.

    Die Sonderbotschafterin für internationale Strafjustiz der UN Beth Van Schaack berichtet erst heute Morgen, das valide Informationen vorliegen, dass die Russen inzwischen sogar Ukrainer ermorden, die versuchen sich zu ergeben.

    www.n-tv.de/politi...ticle23143824.html

    Und Sie erklären hier ernsthaft zwei religiöse rechte Hardliner und Südafrika, ein europäischer Ebene völlig unbedeutender Player sei die beste Trumpfkarte der UN? Das wird fantastisch funktionieren... /s

    "Die Zahl der Menschen, die infolge dieses Kriegs im Globalen Süden verhungern, wird letzten Endes wahrscheinlich sehr viel höher sein als die Zahl der durch russische Angriffe getöteten Zivilisten und Soldaten in der Ukraine."

    Die Art von Zynismus zerfrisst alles, Ukrainer sterben, weil Russland sie überfällt und ermordet. Die von Herrn Zumach angesprochenen Staaten habe die genannten Probleme, weil die von deren dysfunktionalen Eliten gegen die Wand gefahren werden, ich empfehle dazu z.B. die sehr guten Artikel von Frau Neumann aus dem Libanon.

    • @Sven Günther:

      Sie haben Recht.



      Wenn überhaupt, wird China in der Position sein, Russland auf die Finger zu klopfen.



      Die sind nur noch nicht ganz so weit.



      Man sollte China offen sagen, dass die Sanktionen weiter bestehen bleiben - und das dem Weg Russlands als chinesischem Befehlsempfänger nichts entgegen stünde.



      Und was man sonst noch so will: Die nördlichen Schiffsrouten vielleicht?



      Möglicherweise scheidet aber auch China aus, es könnte eng werden für Xi.



      Nullcovidstrategie - da hat er sich vergaloppiert. Und in der viel zu frühen Solipartnerschaft mit Russland auch - in der ebenso irrigen Annahme, die Ukraine wäre in Tagen erledigt und der Westen zahnlos.



      Inwieweit ein langjähriger Diktator noch zuReflexion und Positionswechsel fähig sein mag...



      Nun ja, die chinesische Unterstützung Russlands scheint nicht ganz so dolle...



      Aber was hätte ein Inder, der nach Moskau fährt an den großen Tisch in der Hand?



      Ein paar Tönnchen Rohöl, die man billig kauft oder nicht?



      Und hat man genau deswegen überhaupt ein Interesse an einer Beilegung des Krieges?



      Billiges Öl gegen billiges Getreide...

    • 0G
      05867 (Profil gelöscht)
      @Sven Günther:

      "Ich weiß gar nicht, was man bei solchen Artikeln schreiben soll."

      Vorschlag: Vielleicht bleiben sie einfach beim Thema des Artikels.

      Es geht darin nämlich ausnahmsweise mal nicht um Menschenrechtsverletzungen im Detail sondern darum, wie man diesen Krieg beenden könnte.

      Höchste Zeit, das sich jetzt auch mal jemand darum kümmert, und nicht allein um kriegverlängernde Waffenlieferungen und wirtschaftliche Rachefeldzüge mit suizidalem Charakter.

      • @05867 (Profil gelöscht):

        Der Krieg kann heute Mittag enden, Russland hat in der Ukraine nichts verloren.

        Selenskij ist der demokratisch gewählte Präsident der Ukraine und die hat sich für den Widerstand gegen den russischen Überfall entschieden.

        Weder Sie noch ich haben zu entscheiden wann die Ukrainer damit aufhören. Man verkauft nicht die Freiheit anderer Menschen für ein Linsengericht. Aber das ist für Deutsche ein schwierig zu verstehendes Konzept, das Freiheit einen Preis hat.

        "Wirtschaftliche Rachefeldzüge mit suizidalem Charakter" für wen denn? Der ganze "Globale Süden" hat keine Sanktionen gegen Russland verhängt, die kaufen da alle fleißig weiter ein und wenn man Weizen aus der Ukraine kaufen will, muss man eben auch Druck auf Russland ausüben, die Ukraine zu verwüsten.

        Oder geht es Ihnen am Ende doch nur um ihr eigenes billiges Gas und die ganzen humanitären Gründe sind nur vorgeschoben?

        • @Sven Günther:

          Wovon reden Sie?



          Es geht um Menschenleben, die durch schnellen Frieden gerettet werden.



          Den Toten nützt Freiheit nichts.

          • @nordmolentroll:

            Die Ukrainer wählen ihren Weg selbst. Wir werden helfen so gut es geht und wenn die Ukrainer eine andere Entscheidung treffen wollen, werden wir Ihnen auch helfen.

            Ihnen steht das Urteil nicht zu.

  • „Die Vermittlung eines Waffenstillstandes im Ukrainekrieg ist notwendige Voraussetzung für ernsthafte politische Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew“



    Die bisherigen Erfahrungen mit Putin lehren, nur wenn er selbst will, wird es was. Ansonsten hat er genug Möglichkeiten, alles zu verhindern, was er NICHT will: Direkte Verhandlungen mit Selenskij hat er bereits abgelehnt: „Noch zu früh“. Verhandlungen mit Beauftragten und mit Vermittlern fanden statt, blieben aber erfolglos, weil es nur um die Art und Weise der Realisierung der Putinschen Kriegsziele gehen sollte.



    Guterres wird wohl auch nicht mehr erreichen. Wenn doch, bleibt immer noch das russische Veto im Sicherheitsrat.



    Falls R.‘s Niederlage droht, wird Putin nicht zögern, seine Kernwaffen eizusetzen.



    Nur eine Kapitulation der Ukraine könnte Putin milde stimmen, darüber würde er sicher gern verhandeln (nach dem Motto: Was Meins ist, bleibt meins. Verhandeln wir über Deins!).



    Danach würde er sein nächstes Kapitel beginnen. Moldawien ist bereits ins Auge gefasst!

  • Unrealistisches Szenario. Was ausgerechnet Brasilien, Indien und Südafrika als neutrale Vermittler qualifizieren soll, ist mir schleierhaft. Alle drei haben sich in der UN-Generalversammlung nicht imstande gesehen, den Angriffskrieg gegen die Ukraine als solchen zu benennen und entsprechend zu verurteilen - so viel sind diesen Ländern die Prinzipen der UN wert (UN-Charta Art. 1: "1. den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken").



    Zumachs Vorschlag scheint im übrigen der Vorstellung zu folgen, es handele sich primär um ein Mediations-Problem, mithin so eine Art Paar-Therapie für miteinander verzankte Staaten. Es geht hier aber um sehr viel Handfesteres, nämlich um die Expansionswünsche Putins einerseits und Sicherheitsgarantien für die Ukraine andererseits. Zumindest letzteres kann nur die Nato bzw. westliche Staaten bieten, während Brasilien, Indien und Südafrika dazu weder willens noch in der Lage sind.

    • 0G
      05867 (Profil gelöscht)
      @Schalamow:

      Sie sollten vielleicht einfach mal zur Kenntnis nehmen, das es außerdem Deutschlands und Europas auch noch eine Welt mit Menschen gibt, die sich zunehmend darüber Sorgen machen, warum Europa gerade dabei ist, sich in Schutt und Asche zu zerlegen.

      Für Selbstgerechtigkeit gibt mangels irgendwelcher Erfolge auch gar keinen Anlaß.



      Die Euorpäer versagen diplomatisch auf ganzer Linie, gut das sich jetzt andere kümmern wollen.

      • @05867 (Profil gelöscht):

        Mal sollte schon präzise bleiben: Es ist nicht Europa, das sich in Schutt und Asche zerlegt, sondern Putin und seine Handlanger vor Ort, die seit dem 24.2. ukrainische Städte und Dörfer systematisch in Schutt und Asche legen.



        Die Vorstellung, man müsse Putin nur gut zureden, dann werde das schon wieder, ist hochgradig absurd. Nicht einmal sein Lawrow hat es ja geschafft, ihm letzten Jahres die hirnrissigen Forderungen auszureden, die praktisch auf ein Ende der Nato hinausliefen. Aber vielleicht sind da ja die Herren Modi und Bolsonaro eher auf selber Wellenlänge wie Putin



        www.dw.com/de/popu...navirus/a-57425490



        taz.de/Indisch-eur...haeltnis/!5846887/

  • Augenscheinlich sind die Europäer ja weder willens noch in der Lage, den Krieg zu stoppen.



    Eine PolitikerIn von der Statur und den Möglichkeiten einer Angela Merkel fehlt einfach.



    Die Millenials haben leider nur moralisch-ideologisch getriebene PolitikerInnen hervorgebracht, die bisher wenig zur Entspannung beigetragen haben . (Finnland, Schweden, Estland, Deutschland).



    Dazu kommen die Nationalisten der Visegrad-Staaten und ein populistisch-antidemokratisches England.



    Bleiben Frankreich, Italien, vielleicht Holland …



    Da werden die Europäer sicherlich auf politische Hilfe von außen angewiesen sein.



    Wenn sie (unerwartet) klug agieren, verlassen sie sich dabei nicht nur auf Staaten, den die wirtschaftliche Zerstörung Europas‘ gerade recht käme.