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Antifeminismus und rechte VereineDie Kunstrasen-Bewegung

Seit über einem Jahrzehnt organisieren sich antifeministische Männerrechtler. Sie haben an Einfluss verloren – trotz mancher Überraschungscoups.

Die Kernthese der Aktivisten: Nicht Frauen, sondern Männer seien mittlerweile benachteiligt Illustration: Katja Gendikova

G emeinsam lächeln sie in die Kamera: Christiane Nischler-Leibl, Leiterin der Abteilung Gleichstellung im Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales – und Gerd Riedmeier, Vorsitzender des Forum Soziale Inklusion (FSI). Das auf der Webseite des Vereins stolz präsentierte Foto stammt von einer Tagung im Kloster Seeon am 6. und 7. November 2021. Das Treffen diente angeblich der “Stärkung ganzheitlicher Ansätze in der Geschlechterpolitik durch Vernetzung wichtiger Akteure“. Unterstützt wurde es aus dem bayerischen Landesetat, schon im März letzten Jahres hatten CSU und Freie Wähler dem FSI 20.000 Euro Förderung zugesagt.

Ein normaler Vorgang? Eher ein Beispiel, dass die Uhren im Freistaat anders ticken, genauer gesagt: nachgehen. In Genderfragen befindet sich dieser, mit Ausnahme der traditionell sozialdemokratisch regierten Hauptstadt München, im Blindflug. Geschlechterpolitische Debatten kommen dort regelmäßig mit Verspätung an. In Berlin und den meisten Bundesländern wissen Politik und Behörden längst Bescheid: Das Forum Soziale Inklusion ist eine gegen die Gleichstellung von Frauen ausgerichtete Gruppe von Männerrechtlern. Der Verein ist fast überall marginalisiert, nur in Bayern kann er ungehindert und öffentlich alimentiert Einfluss nehmen.

privat
Thomas Gesterkamp

ist promovierter Politikwissenschaftler und Autor für Radio und Printmedien in Köln.

Seit mehr als einem Jahrzehnt organisiert sich die maskulinistische Szene in Deutschland. Interessengruppen wie MANNdat oder Agens (“Arbeitgemeinschaft zur Verwirklichung der Geschlechterdemokratie“) wenden sich gegen einen vorgeblich zu mächtig gewordenen Feminismus. Die Kernthese der Aktivisten: Nicht Frauen, sondern Männer seien mittlerweile benachteiligt, ins Hintertreffen geraten durch gesetzliche Quoten und ein sie diskriminierendes Scheidungsrecht. Fantasiert wird gar von einem weiblichen “Umerziehungsstaat“. Trotz steiler Thesen, die an Verschwörungstheorien erinnern, hat die Lobbyarbeit manchmal Erfolg. So gelang es männerrechtlichen Gruppen wiederholt, auf etablierten Tagungspodien oder bei parlamentarischen Anhörungen zu Wort zu kommen. Einladende Organisationen ließen sich täuschen – oder sie wollten, wie in Bayern, ganz bewusst konservative Positionen im Gender-Diskurs unterstützen.

Antifeministische Strömungen wurden, erst in Fachkreisen, dann auch in den meisten Institutionen, als Element eines rückwärts gewandten Populismus identifiziert. Teile der Szene sind nach rechts abgedriftet, haben sich der AfD angeschlossen oder ihr zumindest angenähert. Deren Abgeordnete prangern in Landtagen oder Stadträten eine “um sich greifende Männerdiskriminierung“ an. Zur Randständigkeit maskulinistischer Ideologien trug auch der in Online-Manifesten verbreitete Frauenhass von Attentätern wie Anders Breivik in Oslo oder Stephan Balliet in Halle bei. Gemäßigte Männerrechtler wie der Blogger Arne Hoffmann distanzierten sich von den Terrorakten, doch Massenmorde bejubelnde Netzkommentare zeichnen das zwiespältige Bild eines Milieus, das wenig Abstand hält zur gewaltbereiten Rechten.

Die profeministischen Gegenstimmen sind gut vernetzt

Im Laufe der Zehnerjahre verschob sich der Schwerpunkt der antifeministischen Debatte vom Männerthema zum Feindbild “Gender“. Der Begriff beschreibt die soziale Konstruiertheit von Geschlecht, einst wurde er von Judith Butler in die wissenschaftliche Debatte eingeführt. Schon seit 2015 versuchen Männerrechtler, eigene “Gender-Kongresse“ durchzuführen. Von den großspurigen Ankündigungen im Netz, die Dutzende von unterstützenden Organisationen, Tausende von Be­su­che­r:in­nen und großstädtische Messegelände als Tagungsorte versprachen, blieb am Ende stets wenig übrig. Dreimal fand die Veranstaltung in äußerst überschaubarem Rahmen in Nürnberg statt; zuletzt fiel sie, auch wegen Corona, ganz aus. Ein typisches Muster war stets die Bitte um wohlwollende Grußworte, gerichtet an die lokale Politikprominenz. Als sich unter den Angefragten herumsprach, dass der Tagungstitel ein Euphemismus ist und es sich faktisch um einen “Anti-Gender-Kongress“ handelte, zogen die meisten Po­li­ti­ke­r:in­nen ihre Zusage zurück.

Maskulinistische Akteure konzentrierten sich zuletzt vorrangig auf das Einfordern von Väterrechten. Sie tarnen sich dabei mit unverfänglichen Labels: So setzt sich das in Bayern bezuschusste Forum Soziale Inklusion mitnichten für Kinder mit körperlichen, geistigen oder sozialen Handikaps ein – wie das dafür gebräuchliche Wort “Inklusion“ suggeriert.

Der Verein ergreift vielmehr Partei für geschiedene Väter, denen der Zugang zu ihren Kindern erschwert wurde. Hinter der so beklagten “Exklusion“ mag sich tatsächlich ein persönliches Drama abspielen, zu dem auch frühere Partnerinnen verlassener Männer beitragen können. Die Verbitterung einzelner Betroffener ist nachvollziehbar, doch Väterlobbyisten heizen die Stimmung an – gegen angeblich zu weiblich geprägte Jugendämter und Familiengerichte.

Im Bundeshaushalt 2021 war dem FSI die vergleichsweise hohe Summe von 400.000 Euro bewilligt worden – ein Überraschungscoup, der allerdings ein desaströses Medienecho auslöste. Grüne und Linke hatten nach stundenlangen Etatberatungen nicht aufgepasst, die damals noch mit der Union regierende SPD sich auf einen Tauschhandel eingelassen.

Wir schlucken eure Trennungsväter, wenn ihr unsere Frauenprojekte akzeptiert. Die Auszahlung der Gelder konnte bislang verhindert werden, das zuständige Familienministerium beruft sich auf seine Richtlinien: Die “antifeministische Haltung“ des Vereins sei nicht mit “partnerschaftlicher Gleichstellungspolitik zu vereinbaren“. Das Forum Soziale Inklusion hat Klage beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht, der Ausgang des Verfahrens ist noch offen. Auch im Jahr 2022 fordert das FSI Unterstützung, die Chancen unter einer grünen Ministerin der Ampel-Koalition sind gering.

Im Bund haben sich Maskulinisten und ihre Sympathisanten offensichtlich zu früh gefreut. Ihr “Marsch durch die Institutionen“ scheint vorerst gestoppt, zugesicherte Finanzspritzen bleiben aus. Und selbst in Bayern regt sich Widerspruch: Der Frauenausschuss des Münchner DGB zeigte der Koalition aus CSU und Freien Wählern die “Rote Karte“ für ihre Unterstützung einer antifeministischen Gruppe, im Landtag kritisierten SPD und Grüne die Förderentscheidung. Die Unkenntnis ist jedoch nach wie vor groß, selbst im linksliberalen Milieu mangelt es an Aufklärung über maskulinistische Taktik und Strategie.

Der von Antifeministen vereinnahmte Begriff “Männerrechtsbewegung“ ist Ausdruck einer kolossalen Selbstüberschätzung. Denn das Wort Bewegung klingt nach Graswurzel, nach alternativen Politikstilen. Statt um organisches Wachstum von unten handelt es sich um das Verlegen von Kunstrasen, um Onlineaktivitäten in isolierten Echokammern.

Am virtuellen Stammtisch machen sich die Beteiligten Mut, bestätigen sich in ihrer Blase. Auffällig oft wiederholen sich die Autorennamen, für Netzkommentare von Zeitungsbeiträgen werden zusätzlich Pseudonyme genutzt. So entsteht eine verzerrte Wahrnehmung, denn offline spielen Männerrechtler keine große Rolle, auf öffentlichen Veranstaltungen tauchen sie selten auf.

Ihr Versuch, in der Geschlechterpolitik an Einfluss zu gewinnen, ist weitgehend gescheitert. Ein Grund für den Bedeutungsverlust von Vereinen wie MANNdat oder Agens oder auch der Schweizer “Interessengemeinschaft Antifeminismus“ ist das geschärfte gesellschaftliche Bewusstsein für rechtslastige männerrechtliche Tendenzen. Die profeministischen Gegenstimmen sind gut vernetzt, auch über Parteigrenzen und inhaltliche Differenzen hinweg. Dennoch wirken ideologische Einflüsse nach: Maskulinistische Ideen sind nicht nur unter Rechten, sondern auch in der gesellschaftlichen Mitte anschlussfähig.

Unterschätzt wird in manchen frauenpolitischen Kreisen die Brisanz des Reizthemas Trennung, es fehlt an Verständnis für Kränkungen und Enttäuschungen. Geschiedene Männer fühlen sich auf die Rolle des Zahlvaters reduziert, durch die Unterhaltspflicht steigt für sie wie bei getrennt erziehenden Frauen das Risiko der Verarmung.

Im Familienrecht gilt schon seit 1988 der Grundsatz der gemeinsamen Sorge auch für nichteheliche Väter – wenn die Mutter zustimmt. Kinder sind heute seltener als früher Zankapfel in aufgelösten Beziehungen, vor allem die juristische Stellung unverheirateter Eltern hat sich verbessert. Mehr Paare finden eine einvernehmliche Lösung oder nutzen die Möglichkeit einer vermittelnden Mediation, statt gleich vor Gericht zu ziehen.

Zum Abstieg der Männerrechtler beigetragen hat auch die staatliche, finanziell allerdings sehr limitierte Unterstützung einer progressiven Männerpolitik. Konfrontative Interessengruppen haben im Dachverband “Bundesforum Männer“, dem Pendant zum Deutschen Frauenrat, wenig Chancen, Bündnisse zu schmieden. Die klare Abgrenzung gegen rechts birgt allerdings die Gefahr einer weiteren Radikalisierung. Maskulinistische Akteure entdecken inhaltliche Schnittmengen mit der AfD, in Österreich mit der FPÖ, in der Schweiz mit der SVP. Das liegt teils auch an den Versäumnissen anderer Parteien.

So kommen die Gleichstellungsberichte der Bundesregierung immer noch weitgehend ohne männliche Perspektive aus, das schafft Einfallstore für Protest. Kontroverse geschlechterpolitische Felder wie Gewalt gegen Männer (die weniger im häuslichen als im öffentlichen Raum stattfindet), die Vernachlässigung spezifisch männlicher Gesundheitsrisiken oder die schulischen Probleme von Jungen aus benachteiligten Familien müssen benannt und diskutiert werden. Eine emanzipatorische Männerpolitik sollte sich trauen, auch heikle Themen aufzugreifen und mit einer dialogisch orientierten Frauenpolitik kooperieren.

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