Proteste am Tagebau bei Lützerath: Gegen Braunkohle als Gasersatz
Umweltverbände warnen vor der Illusion, russisches Gas gegen Kohle austauschen zu können. Nötig sei ein massiver Ausbau erneuerbarer Energieträger.
Anlass der Warnungen sind Empfehlungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, ausfallende Gaslieferungen aus Russland durch „disponible Leistung aus heimischer Kohle“ zu ersetzen. Da die Förderung von Steinkohle in Deutschland Ende 2018 ausgelaufen ist, kann es dabei nur um den verstärkten Einsatz von Braunkohle gehen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Dienstag dagegen erklärt, die Bundesregierung halte am geplanten Kohleausstieg fest. „Wir werden allerdings alle Kohlekraftwerke, die vom Netz gehen, in der Reserve halten“, schränkte Habeck jedoch ein. Vorerst werden Kohleblöcke damit wohl nicht vollständig stillgelegt oder gar abgerissen.
Umweltschützer:innen warnen, Kohlekraftwerke könnten Gas nicht ersetzen. „Gas wird vor allem zum Heizen und für Industrieprozesse genutzt“, sagt BUND-Geschäftsleiter Jansen. 15 Prozent des in Deutschland verbrauchten Gases gingen in hocheffiziente Kraftwerke, die neben Strom auch Heizwärme lieferten.
Kaum Wärme aus Kohle
Kohlekraftwerke etwa im Rheinischen Revier zwischen Köln und Aachen lieferten dagegen kaum Fernwärme. Denn die extrem klimaschädliche Braunkohle hat einen Wassergehalt von mehr als 50 Prozent. Ein Transport über längere Strecken lohnt nicht. Die Kraftwerke zur Verstromung stehen deshalb in unmittelbarer Nähe der Tagebaue und damit Dutzende Kilometer von Großstädten entfernt – ein nennenswertes Fernwärmenetz existiert nicht.
Sinnlos sei aber auch, verstärkt Steinkohle einsetzen zu wollen, warnt etwa Greenpeace: Aktuell bezieht Deutschland nicht nur 55 Prozent seines Gases, sondern auch 50 Prozent seiner Steinkohleimporte aus Russland.
Stattdessen müssten die erneuerbaren Energieträger massiv ausgebaut werden, sagt nicht nur BUND-Mann Jansen – und zusätzlich müsse Energie gespart werden. „Der Energieverbrauch muss drastisch sinken“, forderten an der Tagebau-Abbruchkante auch Klimaaktivist:innen. So sei etwa ein Tempolimit auf Autobahnen überfällig.
In Lützerath ist einer der riesigen Braunkohlebagger nur noch 119 Meter vom Dorf entfernt – obwohl die schwarz-gelbe Landesregierung 2021 eine Leitentscheidung verkündet hatte, die einen Mindestabstand von 400 Metern vorsieht. Zusammen mit dem Lützerather Landwirt Eckardt Heukamp, der vor dem nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht gegen seine drohende Enteignung klagt, forderten auch Sprecher:innen von Fridays for Future oder der Initiative Lützerath lebt die Landesregierung auf, die Bagger des Tagebaubetreibers RWE wenigstens bis zur für Ende März angekündigten Urteilsverkündung zu stoppen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug
Nach Hinrichtung von Jamshid Sharmahd
„Warum haben wir abgewartet, bis mein Vater tot ist?“
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“