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Nahverkehr in der CoronakriseÖPNV hofft auf Frühjahr

Noch immer meiden viele Kun­d:in­nen wegen der Pandemie Busse und Bahn. Verkehrsunternehmen wollen Fahrgäste mit neuen Tarifangeboten zurückholen.

Leere U-Bahnen, leere Kassen bei den Verkehrsbetrieben, hier in Berlin im November 2020 Foto: Sabine Brose/Sorge/imago

BERLIN taz | Die Verkehrsbranche erwartet eine wirtschaftliche Erholung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ab Ende März. Dann werden die Corona-Maßnahmen weitgehend eingestellt. Noch liegen die Fahrgastzahlen nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zwischen 22 und 40 Prozent unter denen der Vor-Coronazeit aus dem Jahr 2019.

„Wir haben aber in den vergangenen zwei Jahren festgestellt, dass die Nachfrage nach Ende der jeweiligen Infektionswelle wieder relativ schnell auf 70 bis teilweise 90 Prozent des früheren Niveaus gestiegen ist“, sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann.

Die Coronakrise hat den Verkehrsunternehmen hart zugesetzt. Viele Kun­d:in­nen mieden aus Angst vor einer Infektion Busse und Bahnen, außerdem entfielen viele Fahranlässe etwa wegen der Homeoffice-Pflicht. Gleichzeitig haben die Verkehrsbetriebe ihr Angebot weitgehend aufrechterhalten. Der VDV geht von Einnahmeverlusten in Höhe von 4 Milliarden Euro für das Jahr 2021 aus. Ursprünglich hatten die Unternehmen mit einem Minus von 3,6 Milliarden Euro gerechnet. Die steigenden Infektionszahlen ab November trieben die Verluste nach oben.

Auch das Jahr 2022 bleibt schwierig. Die Branche rechnet mit einem Einnahmeminus von 3,1 Milliarden Euro. Die wirtschaftliche Lage bleibe angespannt, sagte Wortmann. „Aber wir haben nach aktueller Prognose die Talsohle weitgehend durchschritten.“ Bis Ende 2022 will die Branche bei etwa 85 Prozent der Fahrgastzahlen von 2019 liegen. „Dann fehlen allerdings immer noch rund 15 Prozent der Kundinnen und Kunden, um das Niveau zu erreichen, von dem aus wir eigentlich jährlich deutlich wachsen wollten“, sagte Wortmann.

Neue Angebote

Um die Fahrgäste auf Dauer zurückzugewinnen, arbeiten Verkehrsunternehmen an neuen Angeboten. Einige testen etwa spezielle Homeoffice-Tickets, eine neue Zwischenstufe zwischen Monatsticket und 4-Fahrtenkarte, Demand-Angeboten oder Tarifmodelle auf Kilometerbasis. Dabei zahlen Kun­d:in­nen pro Kilometer umso weniger, je weiter sie fahren.

Um die finanziellen Einbußen auszugleichen, haben Bund und Länder die Branche in den vergangenen beiden Jahren mit Milliarden gestützt. Im Koalitionsvertrag hat die Ampelregierung vereinbart, pandemiebedingte Ausfälle im ÖPNV auszugleichen.

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25 Kommentare

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  • Der Berliner Homeoffice-Tarif ist schon mal dadurch unpraktisch geworden, dass der Tagespreis ein Stück über dem Preis von zwei Fahrten (mit der 4er Karte) liegt, und damit stressige Rechnen erfordert, wann man diese Einzelkarten und wann einen Tag aus dem Monatsangebot nehmen soll.



    Nicht selten rechnet es sich andererseits mit einer Mischung aus Tagen mit nur einer Hin- und Rückfahrt und Tagen mit mehr als zwei Strecken, kommt z.B. billiger als vier Tageskarten plus vier Hin- und Rückfahrten, von denen sich letztere gerade nicht lohnen.

  • Wie wäre es mit einem Nulltarif, d.h. einer fahrscheinlosen Nutzung? Refinanzierung liefe via höherer Besteuerung der Wohlhabenden und minimal der Touris (bspw. Kurtaxe). Keine Einknastungen von Armen, keine Fahrscheinkontrolleties (Bullshitjobs) , keine komplizierte Tarife (für deren Erstellung Arbeitskraft verschwendet wird), keine Ticketschalter und -automaten und Tickets (unnötige Ressourcenverschwendung) ...! :-)



    Wie wäre es mit Prüfungen der Virenverbreitung und ggf. Einbau von virendeaktivierenden Lüftungssystemen?

    • @Uranus:

      Und bitte keine Kameraüberwachung unverdächtiger Fahrgäste mehr! Ich will mich als BVG-Fahrgast nicht filmen lassen als sei ich in einem Hochsicherheitsbereich.

      Zum Glück gibt es Gesichtsmasken: Gut gegen Corona und gut für den Datenschutz.

  • Im Frankfurter Verkehrsverbund werden die Preise erst einmal kräftig erhöht, soviel zur Verkehrswende !

  • Seltsam, ich habe keine leeren Bahnhöfe, U- und S-Bahnen erlebt, als ich in Berlin war. Allerdings war auch keine beängstigende Enge zu bemerken, als alles in allem sehr angenehm.

    • @snowgoose:

      Und das ist ein Punkt - beängstigende Enge - zu den Stoßzeiten ähnelte die Fahrt mit den Öffis vor Corona nicht selten einem Viehtransport. Das vermisse ich eher nicht.

      Tatsächlich ist es jetzt zu den Hauptzeiten auf eingien Strecken bereits wieder unangenehm überfüllt. Da sollte man ansetzen - menschenwürdiger Personentransport - zu jeder Tageszeit.

      • @Sciaridae:

        Menschenwürdig ist für mich z.B. nicht lange Strecken unter der Erde fahren zu müssen. Von Autofahrer/innen verlangt man das i.d.R. nicht. Zum Glück bin ich nicht klaustrophobisch veranlagt, trotzdem finde ich U-Bahnen generell furchtbar, weil man nur künstliches Licht hat und nichts von der Welt sieht. Es sollte mehr Straßenbahnen geben.

  • Es würde Sinn machen vor allem die längeren Fahrten im SPNV billiger zu machen. 1. sind die Züge an den Linienenden meist ziemlich leer, d.h. man verramscht freie Kapazitäten. 2. entstehen die Kosten nicht dann wenn der Fahrgast zusteigt, sondern da wo der Zug eingesetzt wird. Das wiederum hat etwas mit Kostenwahrheit zu tun, welche die EU fordert. 3. kann man kurze Strecken mit dem Fahrrad zurücklegen, während das bei längeren Strecken kaum geschehen dürfte. 4. bringt die Verlagerung längerer Strecken auf den SPNV eine höhere Entlastung der Straßen als die Verlagerung kurzer Strecken. 5. muss man das Ganze unter dem Aspekt betrachten, dass wir 40% unseres Rohöls aus Russland beziehen.

    • @H-J Maass:

      "5. muss man das Ganze unter dem Aspekt betrachten, dass wir 40% unseres Rohöls aus Russland beziehen."



      Ja, wir staunen, wie wenig im Auto-Sektor auf die plötzlich so knappe Energie geachtet wird. Man erzählt uns was von kalten Wohnungen, aber ein Tempolimit auf der Autobahn scheint nicht erwähnenswert. Dabei kann man da leicht ein Viertel sparen.



      Allerdings ist autofrei auch unter dem Gesichtspunkt, Putin (oder wem auch immer) kein Erdöl abzukaufen, die allerbeste Lösung

  • Die BVG legt offenbar nicht mehr viel Wert auf (zahlende) Kundschaft.



    Z.B. hat sie mitten in der Pandemie die Möglichkeit abgeschafft, im Bus einen Fahrschein gegen Geld zu erwerben.



    Ich habe meistens eine Viererkarte in der Tasche, aber nicht immer. Derzeit nicht, ich habe sie kürzlich verschenkt.



    Wenn ich jetzt spontan mit dem Bus fahren wollte, müßte ich erst zum U-Bahnhof laufen um mir dort einen Fahrschein zu kaufen, den ich dann im Bus entwerten kann.



    Geht's noch?

    • @Yvvvonnne:

      Die für eine hygienisch saubere Übergabe von Bargeld notwendigen Hygienemaßnahmen sind beim Busfahrer einfach nicht möglich. Legen Sie sich doch einfach die Ticket-App der BVG zu und buchen und bezahlen Sie direkt über das Smartphone.

      • @Šarru-kīnu:

        Ich habe kein Handy und werde mir auch keines anschaffen. ÖPNV und Hygiene in einem Atemzug zu nennen ist auch etwas gewagt. Soll ich auch keine Haltegriffe mehr anfassen?

        • @Yvvvonnne:

          Im Rahmen der Coronamaßnahmen wurden alle Fahrgäste im ÖPNV und der Bahn gebeten sich nach Benutzung von Haltegriffen und anderen Kontaktflächen möglichst die Hände zu desinfizieren. Ich würde die niemals freiwillig anfassen in Berlin. Es findet jetzt eine regelmäßige Reinigung dieser besonders gefährlichen Bereiche statt. Ich habe immer das Gefühl die Mehrheit in diesem Land hat die Pandemie unter einem Stein verbracht.

          • @Šarru-kīnu:

            Im Sitzen oder angelehnt braucht man nicht unbedingt Haltegriffe. In der U-/S-Bahn sowieso nicht.

            "Es findet jetzt eine regelmäßige Reinigung dieser besonders gefährlichen Bereiche statt." Einmal am Tag oder wie? Ob seit der letzten Reinigung 20 hingegriffen haben oder 200 Leute, die selber die meisten Keime der ersten 20 an der Hand haben, dürfte unerheblich sein.

      • @Šarru-kīnu:

        Das setzt allerdings ein Smartphone (und entsprechendes Einkommen, Bedienungswissen, Bereitschaft sich durch Smartphone grundsätzlich permanent tracken zu lassen) und Bereitschaft Apple/Google Play Store zu installieren/nutzen voraus.

        • @Uranus:

          90% der Deutschen besitzt inzwischen ein Smartphone. Die BVG App lässt sich übrigens auch auf PC installieren.

          • @Šarru-kīnu:

            "Die für eine hygienisch saubere Übergabe von Bargeld notwendigen Hygienemaßnahmen sind beim Busfahrer einfach nicht möglich. "



            Also bei uns gibts Automaten im Bus, da kann man sein Geld reinwerfen. Es gilt auch beim Fahrscheinkauf: Nicht mit dem Busfahrer sprechen. Der Automat antwortet eh nicht.

          • @Šarru-kīnu:

            "Die BVG App lässt sich übrigens auch auf PC installieren."



            Klasse Idee, ich lauf dann immer mit meinem Oldie-Computer durch die Gegend. Am besten auf eine Sackkarre stellen, dann ist er nicht so schwer zu tragen.

          • @Šarru-kīnu:

            Die BVG hat bei der "Ticket-App" nur Links auf Apple und Google. D.h. ich bezweifele, daß ich die problemlos auf meinem Linux-PC zum Laufen kriege. Mit Apple und Google will ich nichts zu tun haben, aus naheliegenden Gründen.

            Ist die Bezahlung per App wenigstens vollkommen anonym oder können Dritte, die meine Busfahrt nichts angeht, meinen Fahrscheinkauf nachvollziehen?

            • @Yvvvonnne:

              Nehmen Sie halt einen Android Emulator wie Anbox um die auf Linux zum Laufen zu bringen. Anwender mit Linux sollten aber eigentlich keinen Support benötigen und das selbst rausfinden können. Wie anonym kann eine Zahlung denn sein die über Ihr Bankkonto abgewickelt wird? Jetzt mal ganz ehrlich wer soll sich denn für Ihre Fahrscheinkäufe interessieren? Geht das nicht schon so ein bißchen Richtung Aluhut? Wenn Sie allerdings unbedingt Gründe suchen warum Sie das nicht wollen, kaufen Sie sich am besten Fahrsacheine auf Vorrat, nur eben nicht mehr im Bus direkt beim Fahrer wie früher.

              • @Šarru-kīnu:

                Den Source-Code der BVG-Ticket-App kann ich auch nirgends finden. Closed Source? Offenbar hat die BVG etwas zu verbergen.

              • @Šarru-kīnu:

                Ihre Argumente wirken merkwürdig. Noch nie von Massenüberwachung, Cambridge Analytica, Snowden gehört?

                Und wer bezahlt denn einen Busfahrschein per Bankeinzug? Wohl niemand.

                Tatsache ist, daß die BVG das spontane (legale) Fahren im Bus ohne Not erschwert hat, weil der ganz normale Fahrscheinkauf nicht mehr geht. Das ist eine Verschlechterung des Komforts. Das muß man doch nicht krampfhaft bestreiten!

                • @Yvvvonnne:

                  Ich zahle per Apple Pay zum Beispiel. OpenSource fände ich natürlich aber auch besser. Das ist aber mit Payment Providern manchmal etwas schwierig. Massenüberwachung und Snowden wenn es um den Kauf von Bustickets in Berlin geht? Mit so einer Einstellung ist das Leben wahrscheinlich ziemlich anstrengend.

                  • @Šarru-kīnu:

                    Das Leben ohne Handy und ähnlichen Quatsch ist nicht unbedingt anstrengend, aber es wird einem z.B. durch die BVG künstlich anstrengend gemacht.

                    Es ist doch ganz einfach: Wenn ich etwas bezahle was den Gegenwert einer Eigentumswohnung unterschreitet, zahle ich bar oder gar nicht. Das ging bisher und es gibt keinen guten Grund, warum das nicht mehr gehen sollte.

                    Dabei gibt es auch durchaus datenschutzfreundliche Alternativen zum Bargeld. In Buenos Aires gibt es z.B. Guthabenkarten für den ÖPNV, die vollständig anonym und übertragbar sind. Aber die BVG ist am Datenschutz ihrer Fahrgäste nicht interessiert.

      • @Šarru-kīnu:

        Man kann in jedem Supermarkt immer noch bar bezahlen.