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Westliche Sanktionen gegen RusslandPutins Fehlkalkulation

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

Die beschlossenen Sanktionen werden Putin vielleicht nicht zu Fall bringen. Aber sie werden ihn massiv finanziell schwächen – somit auch politisch.

Auch auf Demos (wie hier am Samstag in Spanien) eine Forderung: Russlands Swift-Rauswurf Foto: Reuters

E ine 180-Grad-Kehrtwende. Richtig so. Bis zuletzt wollte die Bundesregierung nicht wahrhaben, dass moralische Appelle bei einem kaltblütigen Machtpolitiker wie Wladimir Putin nicht wirken, sondern nur scharfe Gegenmaßnahmen. Deutschland war das letzte EU-Land, das sich gegen Russlands Rauswurf aus dem Bankennetzwerk Swift sträubte, mit der Begründung: Das könnte teuer werden.

Italien, Zypern, selbst Ungarn sprachen sich im Laufe des Samstags für einen Swift-Ausschluss aus. Am Ende hatte die Ampel-Koalition gar keine andere Wahl, als ihre Blockadehaltung aufzugeben. Die gesamte westliche Welt hatte nur noch fassungslos auf Deutschland geschaut.

Nun also die deutsche Zustimmung für Russlands Ausschluss. Das wird seinen Außenhandel massiv einschränken. Was das Putin-Regime aber noch schwerer schaden dürfte: EU, USA und Großbritannien wollen auch das Vermögen der russischen Zentralbanken einfrieren und damit verhindern, dass Putin seine in den letzten Jahren angehäuften Währungsreserven für die Finanzierung seines Krieges nutzt.

Das dürfte nicht nur dazu führen, dass der Rubel abstürzt und die ohnehin hohe Inflation in Russland noch weiter in die Höhe treibt, sondern kommt einer Enteignung eines ganzen Staatsvermögens gleich. Zusammengenommen handelt es sich um die schärfsten Sanktionen, die in der jüngeren Geschichte gegen eine Volkswirtschaft verhängt wurden.

Der Einwand ist berechtigt: Sanktionen gegen eine ganze Volkswirtschaft treffen auch immer die Bevölkerung hart. Doch das liegt in der Natur eines Krieges. Und angezettelt hat diesen Putin. Pauschal zu behaupten, Sanktionen bringen nichts, ist aber falsch. Sie werden Putin vielleicht nicht zu Fall bringen, aber sie werden ihn massiv finanziell und damit auch politisch schwächen.

Putin zahlt schon jetzt einen hohen Preis. Die russischen Währungsreserven aus den Exportüberschüssen, mit denen er prahlt, hat er auf Kosten der Bevölkerung angehäuft. Seit den Sanktionen im Zuge der Krim-Annexion stagniert Russlands Wirtschaft. Investitionen hat es kaum mehr gegeben. Die Inflation galoppiert davon, der Lebensstandard sinkt. Das russische Pro-Kopf-Einkommen liegt inzwischen unter dem von Rumänien. Mit dem Krieg will Putin von den wirtschaftlichen Problemen ablenken. Damit verschärft er sie aber nur.

Erreichen wird Putin zweierlei: Die Hinwendung zu China, damit aber auch die Abhängigkeit von einem inzwischen sehr mächtigen Land, das Russland traditionell verachtet. Und: Eine neue Ära der militärischen Aufrüstung in Europa und der Welt. Das kostet. Putin wiederholt damit den Fehler der einstigen Sowjetunion. Wirtschaftlich schwach, rüstete die Sowjetregierung immer weiter auf. Sie ging daran zugrunde.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
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20 Kommentare

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  • In Bezug auf die Sanktionen sollten wir auch die Geldwäscher unter den Oligarchen enteignen. Ohne die 30%-Beteiligung des Putin-Freundes Mordaschow wäre die TUI schon längst pleite, Geld verdient sie ja schon lange nicht mehr. Ich denke, da wäre ziemlich viel zu holen, um die Ukraine wieder bewohnbar zu machen. Neuaufbau schafft Arbeit.

  • Mann wir alt die Kubakriese war 1962

  • So sehr ich Herrn Lee wünsche, dass er recht hat - ich glaube es nicht.

    Die Sowjetunion musste immer darauf gefasst sein, dass die USA irgendwo versuchen einzumarschieren oder wenigstens Nuklearbomben rüberschicken.

    Die Sowjetunion, wie auch etwa die DDR, fühlte sich ständig in ihrer Existenz bedroht.

    Durchaus wohl nicht zu unrecht.

    Putin braucht sich dagegen nicht auf einen Rüstungswettlauf einlassen.

    Er hat genug Atomwaffen für eine atomare Abschreckung.

    Die wirkt ja gerade schon.

    Und die Zeiten haben sich geändert.

    Aktuell gibt es keinen Staat, der realistischerweise zu einem existenzbedrohenden Angriff auf die Russische Föderation bereit wäre.

    Die NATO erlebt gerade einen Moment der Schwäche, begründert insbesondere auf der Schwäche der USA.

    Putin muss den jetzigen Status nur halten.

    Natürlich können andere das besser einschätzten als ich.

    • @rero:

      Ich finde Ihre These richtig, dass auch Russland ein Sicherheitsbedürfnis hat.



      Die Nato hat mit Ihrer Rollback Strategie sich bis an die Grenzen Russlands für Verunsicherung gesorgt. Ja diese neuen Staaten zu Russland sind souveräne Staaten. Aber war Kuba nicht auch ein souveräner Staat. Hatte es nicht auch das Recht unter den Atomschirm der UDSSR zu schlüpfen, aus schlechter Erfahrung in der Schweinebucht. War Jugoslawien nicht auch ein souveräner Staat und wurde nach dem Hufeisenplan von der NATO zerlegt?

      Ein gutes Video unter dem Titel „Es begann mit einer Lüge (WDR)“

      www.youtube.com/watch?v=ZtkQYRlXMNU



      Ok werden viele sagen das wollten die Menschen in einem eigenen Staat leben. Aber haben die Menschen auf der Krim und der Ostukraine nicht auch das Recht sich an Russland anzuschließen?



      Jetzt muss ich etwas Zynisch sein „Damit der Grüne Kleinbürger und die Kleinbürgerinnen mich nicht als Putin Versteher bezeichnen



      1.Kein Krieg ist die Fortsetzung der Diplomatie mit anderen Mitteln, sondern er bleibt ein Krieg.



      2.Ich verstehe die Sicherheitsinteressen Russlands, das erlaubt aber keine militärischen Mittel.



      Liebe Grüne Kleinbürger und Kleinbürgerinnen. habe ich mich nach Eurer Meinung von Putin distanziert ?

    • @rero:

      Nein, solange die Sowjetunion Ruhe gab, musste sie nicht damit rechnen, dass die USA einmarschierten. Und die eigentliche Bedrohung kam nicht von aussen, sondern von innen. Letztlich scheiterte die Sowjetunion daran, dass sie Bedürfnisse ihrer Bürger in materieller und politischer Hinsicht nicht zu befriedigen vermochte und ideell so abgewirtschaftet war, dass noch nicht einmal mehr die eigene Nomenklatura ihr noch Sinn geben konnte. Die glaubte selbst nicht mehr, was sie da so von sich gab.

      • @Galgenstein:

        Es gab von den USA die roll back Strategie, die unter Außenminister der USA John Foster Dulles entwickelte, wurde. Die Strategie für das Rollback beruhte auf dem anhaltenden Vertrauen in die nukleare Überlegenheit. Diese Strategie beinhaltete auch die Risikobereitschaft zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Die Idee des Roll Back, die während des Kalten Krieges von den USA bekundete Absicht den Einfluss der westlichen Welt auszuweiten. Der Einfluss der Sowjetunion auf die anderen sozialistischen Staaten sollte beseitigt werden.



        Die Pingpong Diplomatie mit China unter Mao (ein Entwicklungsland zu diesem Zeitpunkt) konnten sich die USA so mit dem Wettrüsten mit Russland konzentrieren. Ein Wettrüsten mit China und Russland hätte die USA schwerer geschaft. Nur blöd das China zu Mächtig wurde und Rüstungsgeld in die Wirtschaft stecken konnte. Heute ist China nicht mehr zu schlagen. Die USA haben das zu spät bemerkt.



        Ich interpretiere, das Sie noch Jünger sind und den Kalten Krieg der 50,60 und 70 Jahre nicht miterlebt haben. Ich saß 1963 noch mit meinen Eltern vor dem Fernseher. Die USA wollte Kuba verbieten russische Raketen zu stationieren. Die USA stoppten in internationalen Gewässern russische Schiffe. Die Welt stand vor einem Atomkrieg. Die UDSSR hat klein beigegeben obwohl die USA Ihre Atomwaffen in der Türkei und Westeuropa behielt. Nur Nebenbei 1961 haben die USA versucht in der Schweinebucht auf Kuba ein Marionetten Regime zu installieren wie Putin in der Ukraine. Ich verurteile den Krieg den Putin vom Zaune gebrochen hat. Doch wie die USA in Kuba Ihre Sicherheit bedroht sah und mit dem Atomkrieg drohte (wie sich die Geschichte doch wiederholt) gibt es auch Sicherheitsinteressen Russland.



        Bitte verzeihen Sie mir diesen Exkurs der nicht belehrend wirken soll. Es gibt immer eine These und eine Gegenthese und daraus folgt die Synthese und klassenmäßiger Standpunkt. Das ist was ich in der TAZ bemängelt. Hier werden These ohne Gegenthese zur Synthese und jeder zum

        • @Nobody:

          zum Putin Versteher der andere Meinung vertritt.

      • @Galgenstein:

        Wir sollten bei den nächsten Klimastreiks die Ukraine mit einbeziehen: Es ist auch unser Krieg, solange wir so verschwenderisch mit den Ressourcen umgehen.

      • @Galgenstein:

        Und? Ist der Unterschied zwischen arm und reich heute nicht viel größer als in der UdSSR ? Ich will den Parteikommandostaat der Stalin-Nachfolger weiss Gott nicht schön reden, auch die Lebensbedingungen in der DDR: Aber es gab nicht so viel Armut wie heute, wo es praktisch keinen Sozialstaat mehr gibt, Statt bevormundender 'Fürsorge' jetzt: 'Seht zu, wie Ihr Euch durchschlagt, sonst verliert Ihr'. Diesen Ellenbogenstaat, an den wir auch hierzulande gewöhnt wurden, mag ich auch nicht (mit Hartz 4, schwächeren Gewerkschaften, Minijobs und und Minirenten), zumal er Schwurblern und Querdenkern und Trumps Auftrieb ermöglicht.

        • @Dietmar Rauter:

          "... die Lebensbedingungen in der DDR: Aber es gab nicht so viel Armut wie heute, ..."

          Doch.

          Ein Hartz IV-Empfänger hat heute weniger wirtschaftliche Armut als viele DDR-Bürger mit Arbeit in den Achtzigern.

          Der Vergleich ist aber nicht ganz einfach und führt im Thema nicht weiter.

  • Ein wahrer Irrsinn.

    Ökonomisch kann der Westen Russland an die Wand spielen, daran habe ich keine Zweifel.

    Wie wird aber Russland reagieren? Wie wird Putin und seine Machteliten reagieren, wenn es für sie immer enger wird? Wenn man die eigene Situation als immer bedrohlicher empfindet, dann sucht man nach einem Befreiungsschlag. Im Kleinen war das der Überfall auf die Ukraine für Putin. Wenn Putin scheinbar nichts mehr zu verlieren hat, wie entscheidet er dann, der "kaltblütige Machtpolitiker"? Vielleicht zieht er dann seinen militärischen Joker, seine einzig verbliebene Machtoption.

  • Die heutige Verhandlungsinszenierung kam wie erwartet.



    Am expansiven Nationalismus des Kreml ändert das nichts.



    Wenn die NATO und die Medien zu Erdogangs Krieg gegen die Kurden nicht länger schweigen würden, und wenn die Grauen Wölfe statt der PKK verboten würde, dann würde die Nato an Legitimität und Angriffsfläche verlieren.



    In die Nato können Staaten ja ein- und austreten. Mazedoniens Mitgliedschaft ist egal, aber Polen und das Baltikum sahen ihren Beitritt ab 1991 als dringende Notwendigkeit. Geschichte lebt.

    "Das wird seinen Außenhandel massiv einschränken."



    Leider werden die Preise für viele Produkte und Services nicht nur ansteigen, sondern Firmen mit Sitz in den westlichen Metropolen werden auch versuchen das globale Sourcing erneut zu verbilligen. Sprich Dumping Diktate auf Arbeit im globalen Süden. Ganz ohne Militär.

    • @nzuli sana:

      "Die heutige Verhandlungsinszenierung kam wie erwartet."



      Ja, das ist eine Verhandlungsinszenierung. Sie nützt den Ukrainern, weil sie Zeit kauft. Und jedem, der in der Kremlelite irgendetwas zu sagen hat, etwas mehr Zeit schenkt, um eine Wahl zwischen tätiger Reue oder Gefängnis zu treffen. Erste Absetzbewegungen gibt es schon. Die Ukrainer werden keine Zugeständnisse machen, allenfalls scheinbare Zugeständnisse. Sie sind nämlich gerade dabei, den Krieg zu gewinnen, nicht nur politisch (das steht schon fest), sondern auch militärisch.



      Die russischen Truppen agieren desaströs und haben hohe Verluste. Das absurde Kriegsziel, aus der Ukraine einen Vasallenstaat zu machen, ist unerreichbar. Putin hat mit seiner "einsamen Entscheidung", aus der Anerkenunng der "Volksrepubliken" einen Angriffskrieg zu machen, alle betrogen, einschließlich des eigenen Militärs.



      "Am expansiven Nationalismus des Kreml ändert das nichts."



      Alles in Russland wird sich ändern (zum Guten).

      • @Barbara Falk:

        Aha. Bin erstaunt. Ich vermute das russische Militärpotenzial ist riesig und die holen vielfach Nachschub für die nächsten Monate.

  • Wenn man die SWIFT-Abschaltung, wie ein anderer TAZ-Artikel, als Waffe bezeichnet, dann ist das angekündigte Einfrieren der Devisenreserven der Zentralbank die Atomwaffe. Diese extreme Maßnahme zu einem wirtschaftlichen Kollaps führen, zumal ja auch ein Ölembargo -oder Teilembargo schon in Vorbereitung ist.



    Allein die Ankündigung hat gereicht. Der Bankrun in Russland hat heute schon bekommen, vorerst nur an den Cashautomaten, wo man Fremdwährung ziehen kann, gegen Rubel oder vom eigenen Fremdwährungskonto, was viele Russen haben. Ich glaube nicht, dass morgen viele russische Bankfilialen offen sein werden, oder das an der Börse gehandelt wird.



    China wird sich hüten, Russland zu helfen, die Sanktionen der gesamten westlichen Welt zu unterlaufen, so wichtig ist der Markt dann auch nicht. Zwei chinesische Handelsbanken haben schon angekündigt, Russland zu verlassen, weil sie Angst vor US-Sanktionen haben. Und auch wenn Russland weiter Rohstoffe an China verkauft – die von Putin abgeschlossenen Öl- und Gasverträge sind so ungünstig für Russland, dass es damit nicht viel verdient.

    • @Barbara Falk:

      Warum sollte es auch in Chinas Interesse liegen Russland zu stärken?

  • Kühle Kalkulation oder Magisches Denken? Gibt es Hybride oder Revival?



    //



    www.rnd.de/politik...YRRLVTYLB44.html//



    2014://



    www.srf.ch/news/in...ine-konflikt-ein//



    2020://



    taz.de/Russisch-Or...andbrief/!5672951/



    //



    Krankheit als Strafe und Krieg als ???

  • Es stellt sich dann noch die Frage: Wie wild schlägt jemand um sich, der mit dem Rücken an der Wand steht?

  • Sehr gute Analyse