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Ukraine-KonfliktSelenski mahnt zur Ruhe

Im Konflikt mit Russland setzt Ukraines Präsident auf das Normandie-Format. Gleichzeitig kündigt er die Aufstockung ukrainischer Truppen an.

Er macht's vor: Präsident Selenski, die Ruhe selbst, bei einem diplomatischen Telefonat Foto: Ukrainian Presidential Press Service/reuters

Berlin taz | Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat seine Landsleute zu Ruhe und Zusammenhalt aufgerufen. Niemand werde über das Schicksal der Ukraine hinter Kiews Rücken entscheiden, sagte Selenski am Dienstag in einer Rede vor dem Parlament in Kiew. Gleichzeitig verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck, dass über ein weiteres Treffen im Rahmen des Normandie-Formats zeitnah entschieden werde. Zudem kündigte Selenski an, die Anzahl bewaffneter Truppen in den kommenden drei Jahren um 100.000 Sol­da­t*in­nen aufzustocken und deren Löhne zu erhöhen.

Im sogenannten Normandie-Format verhandeln Ver­tre­te­r*in­nen Russlands, Frankreichs, Deutschlands und der Ukraine auf der Grundlage der Minsker Abkommen aus den Jahren 2014/15 über eine Friedenslösung für die Ostukraine. Nach über zweijähriger Pause waren die Gespräche in der vergangenen Woche in Paris auf Beraterebene wieder aufgenommen worden. Ein Ergebnis war die Ankündigung, die Gespräche in der kommenden Woche fortsetzen zu wollen.

Offenbar will die Ukraine mit Polen und Großbritannien einen trilateralen Sicherheitspakt schließen. Das gab der ukrainische Premier Denys Schmygal am Dienstag bei einem Besuch seines polnischen Kollegen Mateusz Morawiecki in Kiew bekannt. Der britische Regierungschef Boris Johnson, der angekündigt hatte, die Zahl britischer Sol­da­ten*­in­nen in Osteuropa verdoppeln zu wollen, kam am Nachmittag zu Gesprächen nach Kiew. Als Freund und demokratischer Partner werde sich London für die Souveränität der Ukraine angesichts derer einsetzen, die sie zu zerstören versuchen, hatte er im Vorfeld gesagt.

Das Projekt gehe von Kiew aus und sei erstmals im vergangenen Oktober an die beiden Partnerstaaten heran getragen worden, schrieb der ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba dazu auf seiner Facebook-Seite. Dabei handele es sich um einen Teil kleiner Allianzen einer proaktiven Außenpolitik der Ukraine. „Der Kern besteht darin, dass wir nicht auf Sicherheit und Wohlstand irgendwann in der Zukunft warten können, wenn wir Mitglied der EU und der Nato werden, sondern dass wir das heute brauchen“, heißt es dort weiter.

Russland bestreitet, der USA geantwortet zu haben

Laut einer Umfrage der Gruppe „Raiting“, die das ukrainische Nachrichtenportal Zerkalo Nedeli zitiert, stehen 61 Prozent der Befragten dem neuen Dreierformat positiv gegenüber.

Unterdessen hat ein russischer Diplomat am Dienstag Berichte zurückgewiesen, Moskau habe mit einer schriftlichen Antwort auf Washingtons Sicherheits-Erklärungen reagiert. Das sei nicht wahr, zitiert die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Novosti den russischen Vize-Außenminister Alexander Gruschko. Russland hatte den USA und der Nato Ende vergangenen Jahres seinen Entwurf einer Vereinbarung zu Sicherheitsgarantien in Europa übergeben.

Darin wird unter anderem ein Ende der Nato-Osterweiterung gefordert. Insbesondere soll auf eine Aufnahme der Ukraine in das Verteidigungsbündnis verzichtet werden. Die US-Regierung hatte in der vergangenen Woche schriftlich geantwortet und Russlands Forderungen im Wesentlichen eine Absage erteilt.

US-Außenminister Antony Blinken hat den Kreml in einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow zur Deeskalation in der Ukraine-Krise aufgerufen. Blinken habe den Abzug von russischen Truppen und Ausrüstung an der Grenze zur Ukraine verlangt und Moskau aufgerufen, den Weg der Diplomatie einzuschlagen, teilte das US-Außenministerium am Dienstag mit. Lawrow sagte, Russland bestehe darauf, über Sicherheitsfragen in Europa zu sprechen.

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2 Kommentare

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  • Ich finde, dass Ansinnen der Russen im Sinne aller Europäer richtig.



    Die Ukraine soll nicht der NATO beitreten dürfen! Die EU und die NATO brauchen eine Pufferzone und die Russen brauchen eine Pufferzone. Die Ukraine sollte von keinem Staat als Aufmarschgebiet missbraucht werden. Die feindlichen Blöcke sollen nicht in direkte Feindberührung kommen. Bei einer so langen gemeinsamen Grenze



    wären Scharmützel, die sich in einen 3. Weltkrieg entladen könnten zu wahrscheinlich.

    Die Ukraine soll ein wohlständiger Rechtsstaat sein, dass die Eigentumsinteressen



    der der Ukrainer, Russen, Europäer und Amis gefälligst achtet.



    Rohstoffdiebstahl und Vandalismus an den Erdgaspipelines sind nicht akzeptabel.



    Wenn dies nicht laufend geschehen wäre, gäbe es Northstream I und II nicht.

    Die Alternative ist ein Atomkrieg, der viel schlimmer ist, als das Beitrittsverbot



    der Ukraine zur NATO. Die Sicherheit von ca. 1 Mrd. Menschen steht auf dem Spiel.



    Die Ukraine hat kein Recht ein neuer militärischer Super-Player zu werden.



    Diese Konstellation in unmittelbarer Nachbarschaft zu Russland wäre ein Desaster.

    Die Ukraine braucht Investition in Erneuerbare Energien, sehr große Fortschritte in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit, ausländische Investitionen und eine klare demokratische Struktur ohne den Rückfall in den Militarismus.

    Alles andere ist Dummheit. Die Russen sind klug genug, Frieden in ihren Nachbarländern (und in der Nähe ihrer Wirtschafts- und Politikzentren) zu wollen, um auch selber weniger zu Fehlhandlungen verleitet zu werden und sich einfach entwickeln zu können. Hört auf mit der Demagogie.



    Die Zündelei, verharmlost als Destabilisierung bezeichnet, ist nichts weiter als



    das Anstiften zum Massenmord. Hört auf! Zeigt Kultur!

    Die Ukrainer müssen mit den Russen um die Erstattung der Verluste aus Diebstahl von Rohstoffen und Vandalismus einerseits und



    die Rückgabe ukrainischen Landes andererseits diskutieren.

    Wenn allein die verbliebenen AKWs explodieren, ist Europa unbewohnbar.

    • @Weltkauz:

      Ihr Vorschlag wäre gut, wenn da nicht die jahrelange Bedrohung und Destabilisierung der Ukraine durch Russland, der von Russland geschürte Sezessionskrieg im Donbass, die Annektion der Krim, der putinsche Aufsatz vom letzten Jahr (dass die Ukraine zu Russland gehört) und nun beinahe hundertjährige Angst vor dem übermächtigen "Großen Bruder" wäre. Nur wenn Russland seine Drohgebärden und die Destabilisierung einstellt und die Ukrainer sich als neutrales Land sicher fühlen können, wäre Ihr Vorschlag realistisch.