piwik no script img

EU-Programm zur HalbleiterproduktionMehr Chips für Europa

Die Industrie leidet unter fehlenden Mikrochips. Das will die EU-Kommission nun ändern – und nimmt dafür reichlich Geld in die Hand.

Ohne Halbleiter läuft nichts: Porsche-Fertigung in Leipzig Foto: Jan Woitas/dpa

Brüssel taz | Erst verkündete EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen die frohe Botschaft, dann durften drei Kommissare die Details präsentieren: Mit einem „European Chips Act“ und viel Tamtam will die Brüsseler Behörde die Produktion von Mikroprozessoren ankurbeln und die „digitale Souveränität“ der EU sichern.

Dabei geizt die Kommission nicht: Insgesamt sollen mehr als 43 Milliarden Euro mobilisiert werden, sagte von der Leyen am Dienstag in Brüssel. Davon seien fast 30 Milliarden bereits in Programmen wie der EU-Forschungsförderung Horizont Europa oder nationalen Vorhaben eingeplant. Nun sollen noch einmal 11 Milliarden aus öffentlichen und privaten Töpfen hinzukommen. Um das zu schaffen, will Brüssel ein Tabu brechen und nationale Beihilfen von bis zu 100 Prozent zulassen, wie Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sagte. Das bedeutet: Private Chipfabriken dürfen auf Staatskosten gebaut werden.

Zudem lässt die Kommission alle Hemmungen fallen, wenn es um die Nähe zur Industrie geht. Internationale Chipkonzerne wie Intel, TSMC und GlobalWafers sollten zu günstigen Konditionen nach Europa gelockt werden, sagte Binnenmarktkommissar Thierry Breton, der als Anhänger einer aktiven Industriepolitik gilt. Nur mit harten Bandagen, so heißt es in Brüssel, lasse sich der Rückstand gegenüber Ländern wie den USA, Taiwan oder China aufholen und der Mangel an Mikrochips beheben. Vor allem Autohersteller und Elektronikkonzerne klagen über die Misere, die die Produktion behindert.

Mittelfristig soll der Marktanteil der EU an der weltweiten Chipproduktion auf ein Fünftel verdoppelt werden, erklärte Vestager. Neben der heimischen Industrie denke man dabei selbstverständlich auch an den Export. Solange in Europa noch Mangel herrsche, seien aber auch Exportbeschränkungen denkbar.

Startschuss für Standortwettbewerb

Halbleiter gelten als Schlüsseltechnologie. Bis vor Kurzem setzte die EU-Kommission bei der Beschaffung noch auf internationale Hersteller und liberalisierte Märkte. Neuerdings ist in Brüssel jedoch immer mehr von einer „strategischen Autonomie“ die Rede – ohne Chips „made in Europe“ lässt sie sich jedoch kaum erreichen.

Mit ihrer Initiative gibt die EU-Kommission nun den Startschuss für einen harten Standort- und Subventionswettbewerb mit den USA, aber auch innerhalb Europas. Vor allem Deutschland und Frankreich rechnen sich gute Chancen aus – die beiden größten EU-Länder können mit den meisten Staatsbeihilfen locken.

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht darin kein Problem. „Damit stärkt die Kommission die Halbleiterproduktion in Europa. Das erhöht auch die Sicherheit unserer Unternehmen, vermeidet Produktionsausfälle und Lieferengpässe“, sagte die parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner.

Skeptischer äußerte sich ihre grüne Parteifreundin Anna Cavazzini, die den Binnenmarktausschuss im Europaparlament leitet. „Leider bleiben die Pläne der Kommission weit hinter den Erfordernissen des EU Green Deal und der Klimakrise zurück“, sagte sie. Die Brüsseler Behörde habe sich zu wenig um die Kreislaufwirtschaft, also die Wiederverwendung von Chips und ihren Rohstoffen, gekümmert, so Cavazzini. Auch die geplanten Ausfuhrkontrollen seien problematisch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Chip chip Hurra! Die Profiteure der Halbleiterindustrie, die so viele teure Manpower ersetzen kann, merken plötzlich,, dass es untersiedliche poltische Systeme gibt, die sie behindern. Also doch lieber zurück in die Nische, wenn Maos Nachfolger nicht wie gewohnt mitspielen und eventuell sogar noch Taiwan einnehmen. Schließlich sind die wenigen noch benötigten Arbeitskräfte in Arizona oder Texas, vielleicht auch hierzulande, inzwischen anspruchsloser geworden. Leider krankt es irgendwann an der Nachfrage, wenn die vorher vernächlässigte Manpower nur noch an Kartoffelchips vor dem Fernseher interessiert zu sein scheint (sofern Netflix & Co nicht zu teuer werden).

    • @Dietmar Rauter:

      Die dafür notwendige Manpower findet auch jetzt problemlos bestbezahlte Arbeitsplätze. Vernachlässigt worden sind maximal deren Ausbildungsanreize und hier muss man zeitnah ansetzen. Da der Plan das Zieljahr 2030 nennt, ist es dafür aber auch noch nicht zu spät.

      Aber ja, die zusätzliche Nachfrage wird in jedem Fall nicht einfach zu stillen sein.

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    "....und nimmt dafür reichlich Geld in die Hand."

    Wird die Dämlichkeit der Industrie nun mit Steuergeldern belohnt?

    • @47202 (Profil gelöscht):

      Die Großen haben sich schon länger umorientiert und bauen eigene Chipfabriken in Deutschland auf (Bosch, VW, u.a.), um Abhängigkeiten zu verringern oder haben bereits gebaut.

      Ich vermute, hier geht es um Multi-Purpose-Chips, die in vielen Geräten verwendet werden können, für die aber eben keine einzelne Firma mit genug Kapital dahintersteht.

      Die Initiative trifft definitiv einen Nerv und ist nur zu begrüßen.

      • 4G
        47202 (Profil gelöscht)
        @Co-Bold:

        Wenn man den Produktionsverlust und damit die entgangenen Gewinne den Gewinnen aus dem Asien-Geschäft gegenrechnet, was bleibt da noch übrig?

        Wenn schon profitgeil, dann doch bitte Länder der europäischen Union wählen. Mit Tschechien ist das damals doch auch ganz gut gelungen. Gut, die werden derzeit nicht das Know-How haben aber es würde mittelfristig die EU wirtschaftlich und sozial stärken und nicht dem Diktator Xi entgegenkommen.



        Intel will ja auch eine Chip-Fabrik in Europa bauen.



        Beendet eure Geschäfte mit den Killern!

  • Halbleiterwerk Frankfurt/Oder war damals also doch keine so schlechte Idee... leider längst "abgewickelt"...

  • geht ja auch nix ohne ...

    selbst kaffeemaschinen sind gechipt.