piwik no script img

Bin ich schon Corona-positiv?Zwischen Angst und Sehnsucht

Vielerorts ist eine Sehnsucht nach einem positiven Test zu beobachten: Ist es Fomo oder hält man andauernde Infizierungsangst einfach nicht mehr aus?

Wieder nur ein Strich: Ist da Erleichterung oder Enttäschung? Foto: imago

K ürzlich hörte ich, wie sich Kolleginnen darüber unterhielten, dass ihre Coronatests ständig negativ ausfallen. Bei manchen dockt das Virus einfach nicht an, sagte die eine. Die andere verstand nicht: Warum infizieren sich alle um sie herum mit Corona, nur sie bleibt verschont?

Ich glaube in ihren Aussagen eine Sehnsucht vernommen zu haben. Danach, endlich auch mal ein positives Ergebnis zu haben. Dazuzugehören. Mitreden zu können. Über Symptome („Fieber hatte ich nur am ersten Tag, danach bisschen Schnupfen“), Langeweile in der Quarantäne („Am vierten Tag habe ich zum ersten Mal meine Tastatur sauber gemacht, kommt man sonst nie dazu“) und heimliche Regelbrüche („Habe beim Müllrausbringen noch ne Runde um den Block drangehangen“).

Omikron ist zu einer mystischen Figur geworden. Denn obwohl es hieß, dass sich die Hälfte Europas bald mit dieser Virusvariante angesteckt haben wird, ist nichts mehr sicher. Menschen, die berichten, eigentlich nur im Homeoffice gearbeitet zu haben, stecken sich plötzlich an. Und andere, die leben, als gebe es kein Corona, umgeht das Virus.

Was früher cool war (gesund sein), ist heute so was von letzte Welle. FOMO, also die Angst, etwas zu verpassen, gilt jetzt auch für das Virus. Routiniert wünscht man fast täglich neu Infizierten gute Besserung. Und schaut sich den eigenen Schnelltest jedes Mal ganz genau an. Zeichnet sich da nicht doch ein zweiter Strich ab? Bitte, bitte? Ich weiß nicht, ob das schon der nächste Schritt nach Fatalismus ist. Quasi die übersteigerte Form der Omikron-Sehnsucht gesunder und geimpfter Menschen.

Fatalismus in Russland

Silvester sollte ich eigentlich mit meiner Mutter und meinem Bruder in Russland verbringen, bei der Verwandtschaft. Dann kam alles ganz anders, wir mussten frühzeitig abreisen. Ein Verwandter, der versicherte, geimpft zu sein, war es am Ende gar nicht, sondern nur auf dem Papier, zwinker zwinker.

Für die Frage, wie man sein eigenes und das Leben anderer so verachten könne, wurde ich ausgelacht. Ich fand’s gar nicht lustig. Nach drei Tagen, die wir auf engstem Raum (Einzimmerwohnung) verbracht und in Cafés gesessen hatten, in denen Masken, wenn überhaupt, unterm Kinn getragen wurden, und zu fünft in einem kleinen Honda durch lebensfeindliche minus zwanzig Grad gebrettert waren, hatte der Verwandte Symptome. Dieses riesige Russland schien mir beim Gedanken, mich möglicherweise infiziert zu haben und zwei Wochen lang in einer Wohnung mitten im russischen Nirwana verbringen zu müssen, schlagartig sehr klein und eng.

Am nächsten Morgen, im Taxi auf dem Weg zum Flughafen, regte sich unser Fahrer fürchterlich über seine Mit­bür­ge­r:in­nen auf. Sie denken, wenn sie krank sind, müssen sie Wodka trinken und in die Banja, also Sauna, gehen, und wundern sich, wenn sie danach umkippen, sagte er. Er war der erste halbwegs vernünftige Mensch, den ich bei meinem Besuch getroffen hatte. Wie viel Fatalismus verträgt ein Land, dachte ich. Und wie viel Dummheit. Ich war jedenfalls erleichtert, als ich diese selbst­zerstörerische Umgebung wieder verlassen hatte.

Was steckt hinter der Sehnsucht?

Wenn ich Wochen nach meinem Russlandaufenthalt höre, dass sich Menschen nach einer Corona-Infektion sehnen, kriege ich Gänsehaut. Mir ist bewusst, dass Omikron für die meisten Geimpften harmlos ist, aushaltbar. Aber mich beschäftigt, welche Motivation hinter dieser Sehnsucht steckt. Hält man die andauernde Möglichkeit, sich zu infizieren, einfach nicht mehr aus? Oder ist es doch so banal menschlich: Man will halt dazugehören.

Zurück in Deutschland hatte ich mich isoliert und jeden Tag panisch getestet. Angesteckt habe ich mich am Ende bei meinem Verwandten nicht. Und vielleicht war ich nach jedem negativen Schnelltest auch ein bisschen enttäuscht.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Sehr wahrscheinlich haben fast alle Menschen in Deutschland schon Kontakt mit dem Virus gehabt und werden es in Zukunft nochmals und immer wieder haben. Die derzeitigen Reihentestungen produzieren doch letztlich Zufallsbefunde, nur noch wenige der Infizierten sind tatsächlich besorgniserregend krank. Vor Corona hätten sich meisten mit solch milden Symptomen nicht mal krank gemeldet, heute werden quasi Gesunde (nur positiver Test) panisch in vollständige Isolation geschickt.

    Sollte das Virus weiter kursieren und eine sterile Immunität nicht erreichbar sein, müssen wir bald mit den Maßnahmen aufhören, denn es werden dann vermutlich immer größere Teil der Bevölkerung "positiv" sein. Solange das nicht mit Krankheit im engeren Sinne einhergeht, ist das auch egal ...

  • Geht's noch?

  • Also so lange mir keiner erzählen kann dass mein Long Covid nicht noch schlimmer wird, oder dass man bei Impfung und Omikron definitiv kein Long Covid kriegt, sind weder ich noch Freunde/Verwandte erpicht diesen Virus zu bekommen...

  • Als Lehrer, der in halbleeren Klassen unterrichtet und alle zwei Tage ein paar coronapositive Kinder rausfischt, kann ich bestätigen, dass es weniger Fatalismus, sondern eher die Sehnsucht danach ist, die Sache endlich hinter sich zu bringen. Dass ich mich in den nächsten Tagen oder vielleicht Wochen infizieren werde, ist gewiss. Es soll ja auch so sein, damit die Pandemie irgendwann mal ihr Ende finden kann.

    • @zmx52:

      Nur blöd halt, dass massenhafte Infektionen in einer teilweise geimpften Bevölkerung die allerbesten Bedingungen für das Entstehen von Immunflucht-Mutanten sind.

      • @Ajuga:

        Das mag schon sein, aber die bislang Ungeimpften wird man während dieser Mega-Welle nicht mehr doppelt impfen und boostern können. Selbst wenn die Impfpflicht heute noch beschlossen würde, käme sie zu spät, viel zu spät.

        Es bleiben nur noch zwei ganz unterschiedliche Strategien: Die erste wäre, das Virus einfach durchlaufen zu lassen. Dies geschieht derzeit, und es hat den Vorteil, dass ein großer Teil der Bevölkerung Bekanntschaft mit SARSCov2 macht, also sein Immunsystem trainiert. Die Gelegenheit ist günstig, da Omikron leichtere Verläufe macht, das Risiko für den Einzelnen und für das Gesundheitssystem erheblich geringer ist als noch bei Delta. (Schüler erzählen mir nicht mehr von wochenlangem Leiden ihrer Eltern, vielmehr kriegen die jetzt für 2-3 Tage Fieber und starke Halsschmerzen).

        Die zweite Möglichkeit wäre, die Schulen wieder zu schließen und vieles andere auch. Abgesehen davon, dass dafür sowieso die Mehrheiten fehlen, würde das Ende der Pandemie in weite Ferne rücken. Wir können uns nicht ewig mit nicht-medizinischen Maßnahmen schützen; gerade bei Omikron wäre der Aufwand ja auch erheblich höher als bei Delta. Man müsste sehr hart und sehr lange lockdownen.

        Es lasse sich jeder regelmäßig impfen, der noch alle Sinne beieinander hat. Ansonsten: Augen zu und durch. Ich wünsche allen einen milden Verlauf.

        • @zmx52:

          Dass eine Infektion mit Omikron "das Immunsystem trainieren" und bei bisher Ungeimpften daher irgendwie "nützlich" wäre, ist halt eine Fehlannahme.



          Es häufen sich Berichte über Schulkinder, die sich alle 5 bis 6 Wochen wieder mit Covid19 infizieren, die ersten schon das dritte Mal. Was wollen wir denen noch zumuten?



          Zum Thema "Immunsystem trainieren": Wenn, dann bitte bei Geimpften, wo der Körper zusätzlich zur Information aus der Impfung dann noch die von Omikron erhält. Ohne Impfung ist es Gefahr ohne Nutzen.

          • @abraxas:

            Ausrotten werden wir das Virus nicht, keine Chance. Weil wir's nicht können, mussten wir solange, wie keine medizinische Gegenwehr möglich war, mit Kontaktbeschränkungen arbeiten. Nun aber kann man sich impfen lassen und damit das Risiko eines schweren Verlaufs dramatisch senken. Besser angepasste Impfstoffe werden kommen, wirksame Medikamente für bereits Infizierte auch.

            Wenn sich Schulkinder immer wieder mit SarsCov2 infizieren, aber symptomfrei bleiben, macht mir das keine Sorgen. Das tun sie bei der Magen-Darm-Grippe auch (allerdings ohne symptomfrei zu bleiben, zum Bedauern der Eltern...). Erwachsene, insbesondere Ältere und Vorerkrankte sollten sich ganz dringend regelmäßig impfen lassen, das ist Plicht. Dann aber muss das Virus immer wieder durchrauschen, damit es endemisch werden kann und die Pandemie ihr Ende findet. Eine Alternative dazu gibt es nicht.

            Oder hast du eine? - Ich bin ganz Ohr...

            • @zmx52:

              Das Virus wird irgendwann durchrauschen, ja. Allerdings bin ich nicht so abgebrüht, dass ich das ungeimpften Kindern zumuten möchte. Kein Kind, kein Lehrer, kein Elternteil und kein Tazleser weiß nämlich vorher, ob das Kind im Verlauf der Infektion nur einen Husten bekommt oder danach noch monatelang Probleme hat, die Treppe in den zweiten Stock ohne Atemnot zu bewältigen oder sich länger als 10 Minuten zu konzentrieren.

              Die Lösung? Durchimpfen (3 x ) und dann im großen und ganzen durchlaufen lassen. Zum Thema durchimpfen: Scheint in Deutschland ohne Impfpflicht nicht zu funktionieren, leider. Wenn alle Erwachsenen ab 18 geimpft sind, dann sind evtl. auch die Kinder genügend geschützt, um Schutzmaßnahmen beenden zu können - ohne Impfpflicht für Kinder. Dazu habe ich zu wenig Informationen, um mir eine Meinung dazu zu bilden.

              • @abraxas:

                Ich glaube nicht, dass durchgeimpfte Erwachsene Kinder schützen können. Denn Infektion und Weitergabe des Virus verhindern die vorhandenen Impfstoffe kaum.

                Soll man Kinder jetzt mit Impfstoffen vollpumpen? Von schwerer akuter Krankheit bedroht sind sie jedenfalls nicht. Durchaus möglich, dass auch symptomlose Infektionen Folgen haben könnten, die sich erst später zeigen, vielleicht auch erst viel später. Es ist aber genauso gut möglich, dass ein auf Lernen eingestelltes Immunsystem irgendwann mal komische Sachen macht, wenn man es jetzt mit allzu vielen Impfungen behelligt. Hand aufs Herz: Wir wissen's nicht. Schwere Entscheidung!

  • besser jetzt als später, wenn es wieder schön warm ist, in der Natur wo die Gefahr lauert. Denn dann gehe ich auch wieder vor die Tür. Aber solange es noch so kalt da draussen ist, bleib ich lieber hier und übe mich in Quarantäne. Nur wann kommt endlich mal jemand vorbei mit der Infektion. Das Klopapier reicht noch bis Ende April, rein statistich.

    • @Sonnenhaus:

      Auch wenn ich den Gedankengang, den Wunsch nach Infektion nicht so ganz nachvollziehen kann - zumindest den Impfstatus sollte mensch bei sowas einbeziehen. Mit veraltetem Impfstatus oder ungeimpft ist davon definitiv abzuraten.

      • @Uranus:

        Dann also jetzt infizieren, jetzt wo bei den meisten der Impfschutz noch frisch.