Das neue Machtzentrum der CDU: Merz vor dem Spagat
Als Partei- und auch Fraktionsvorsitzender der CDU muss Friedrich Merz gleichzeitig moderieren und Kante zeigen. Ein Risiko für ihn und die Partei.
F riedrich Merz ist jetzt genau da, wo er immer hinwollte, lässt man das Kanzleramt außer Acht. Er ist das klare Machtzentrum der CDU. Und ironischerweise ist er dies durch genau den gleichen machtpolitischen Move, den Angela Merkel 2002 anwandte und den Merz nie verwunden hat. Damals räumte Merkel, die CDU-Chefin, Merz als Fraktionsvorsitzenden ab – und reklamierte den Posten als Oppositionsführerin für sich.
Die Frage ist nur, ob die Geschichte für Merz ähnlich erfolgreich weitergehen wird. Oder ob heute nicht die Gefahr überwiegt, die in der Zusammenführung der beiden Posten liegt. Für Merz selbst, aber auch für seine Partei.
Es stimmt zwar, dass in der machtorientierten CDU einiges dafür spricht, sich für eine unumstrittene Führungsfigur zu entscheiden, soll der interne Machtkampf und damit die Selbstzerstörung der Partei nicht weitergehen. Das größere Risiko aber liegt möglicherweise genau in dieser Konzentration. Denn derzeit sind auf dem Posten des Partei- und jenem des Fraktionsvorsitzenden so unterschiedliche Profile gefragt, dass eine Person sie schwer erfüllen kann.
Der CDU-Chef hat zuallererst diese Aufgabe: Er muss die CDU einen und mit sich selbst versöhnen. Dazu muss er moderieren, inhaltliche Positionen ausloten und die verschiedenen Strömungen zusammenhalten. Als Oppositionsführer aber darf der Fraktionschef genau das nicht. Hier sind klare Positionen und pointierte Reden im Bundestag gefragt. Das passt nicht zueinander.
Dass Merz Letzteres kann, ist unbestritten. Davon, dass er auch das Zusammenführen beherrscht, ist bislang nichts bekannt. Gelingt ihm aber die Versöhnung der Partei nicht, steht der CDU der weitere Absturz bevor. Da können seine Reden noch so geschliffen sein.
Ein kluger Rückzug
Noch-Fraktionschef Ralf Brinkhaus hatte keine andere Chance, als sich Merz’ Machtanspruch zu beugen. Auch wenn er in der Fraktion geschätzt wird, wäre er in einer Kampfabstimmung schon allein deshalb unterlegen, weil man den neuen Parteichef nicht schwächen will. Brinkhaus ist klug genug, um nicht in einen Kampf zu ziehen, den er nicht gewinnen kann.
Im Umgang mit dem Noch-Fraktionschef wird Merz nun gleich seine Integrationskraft unter Beweis stellen können. Brinkhaus ist einer der wenigen im Bundestag, der frei mitreißende Reden halten kann. Viele solcher Talente hat die Union nicht. Will Merz nicht auf ihn verzichten, wird er seinen Vorgänger einbinden müssen. Was Merkel mit ihm damals bekanntermaßen nicht gelang. Woran laut Merz nur eine Person schuld war.
Ohnehin liegen die Fehler für Merz gern bei den anderen. Sollte die CDU jetzt scheitern, wird er sich nicht wegducken können. Wer allein an der Spitze steht, ist nun einmal verantwortlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
BSW in Thüringen
Position zu Krieg und Frieden schärfen