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Treffen zum UkrainekonfliktMehr als Beschwörungen, bitte

Kommentar von Barbara Oertel

Die EU ist derzeit kein ernstzunehmender Gesprächspartner. Es braucht mehr als gute Absichten und die Lieferung von Militärhelmen.

Paletten mit US-Munition für die Ukraine Foto: US Airforce via ap

D ie Hoffnung stirbt zuletzt, lautet ein russisches Sprichwort. Zumindest ein Fünkchen davon war bei der Pariser Zusammenkunft im Normandieformat am Mittwoch zu sehen. Fragt sich, wie lange. Zwar sitzen Vertreter Frankreichs, Deutschlands, Russlands und der Ukraine nach über zwei Jahren Pause erstmals wieder an einem Tisch, um über eine Lösung des Konfliktes in der Ostukraine zu verhandeln. Doch hohe Erwartungen, es könne konkrete Ergebnisse geben, hegt niemand. Zu Recht. Im besten Fall werden Termine für Folgetreffen vereinbart, doch das ist keineswegs sicher.

Dennoch spricht der Chef des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak, der selbst an den Gesprächen beteiligt ist, von einem „starken Signal“ – wohl nicht zuletzt eine Art Placebo für eine zusehends verunsicherte Bevölkerung. Und er redet von einem konstruktiven Dialog im Sinne der Ukraine. Genau da liegt das Problem. Das Wort konstruktiv führt auch Moskau oft im Munde.

Damit ist immer das gemeint, was die jeweilige Seite darunter versteht und was ihren Interessen dient. Immer noch beschuldigen sich Russland und die Ukraine gegenseitig, die Umsetzung des Minsker Friedensabkommens von 2015 zu hintertreiben. Solange das so bleibt, kann weder von einem Dialog die Rede sein, noch können die Normandiegespräche über den Status einer Alibiveranstaltung hinauskommen.

Trotzdem setzt auch die grüne Außenministerin Annalena Baerbock auf diese Karte – so bei ihrem Treffen mit Russlands Außenminister Sergei Lawrow. Der wird jetzt mit der Äußerung zitiert, in den diplomatischen Bemühungen zur Lösung der Ukrainekrise sei derzeit kein Platz für EU und OSZE. Klarer kann man nicht ausdrücken, was seit Monaten zu beobachten ist: dass Moskau für Europa einen Platz am Katzentisch reserviert hat und die Musik auch im Weißen Haus spielt.

Will Europa daran etwas ändern und zu einem ernstzunehmenden Gesprächspartner avancieren, braucht es mehr als Beschwörungsformeln. Und mehr als die Lieferung von 5.000 Militärhelmen aus dem Hause der deutschen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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20 Kommentare

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  • si vis pacem para bellum ...

    wenn du den frieden willst, rüste dich für den krieg.

    zugeschrieben: platon

    verteidigungsministerium und aussenministerium ... nix gelernt aus der europäischen kultur.

    dafür aber: helm ab zum gebet !

  • "Die Hoffnung stirbt zuletzt, lautet ein russisches Sprichwort."



    War Cicero Russe: Dum spiro spero (Solange ich atme, hoffe ich)

    • @DerHorst:

      Ein anderes Sprichwort sagt:



      Der Stolz stirbt als allerletztes.



      Und das ist verdammt gefährlich, denn: Wie will Putin mit seinen Genossen jetzt noch das Gesicht wahren und wie will man einen Rückzug dem russischem Volk erklären? Der Rubicon ist überschritten. Die Ost-Ukraine ist verloren. Es folgen zwei Staaten.

  • Ich verstehe diesen Artikel - hoffentlich falsch -- als eine Aufforderung zur militärischen Härte. Die vergangenen Jahrzehnte haben erneut gezeigt, dass solche Härte eben zu keinen Verbesserungen führt, vor allem nicht für die Menschenrechte. Sie neigt dazu, sich hochuschaukeln und alles schlimmer zu machen. Drohen und draufhauen sind in Wirklichkeit wenig hilfreich, auch wenn dadurch ein gewisses Klientel bedient und mobilisiert werden kann.

    Willy Brandt wusste das, aber mittlerweile scheint es vergessen:

    Der Weg der Deeskalation ist nicht der Weg zur Niederlage, sondern zu einem echten Sieg, der sich in Entspannung und Verhinderung kriegerischer Auseinandersetzungen zeigt.

    Wandel durch Annäherung ist hierfür die Formel, auch wenn es heute modern zu sein scheint, als Falke aufzutreten.

    Es gibt sicherlich keine Patentlösung, aber bezüglich der Ukraine-Krise wäre doch der erste richtige Schritt, tatsächlich deutlich zu machen, dass die NATO sich nicht ausdehnen wird.

    Wie würden wohl die USA reagieren, wenn an ihren Grenzen ein russisches Militärbündnis sich ausdehnen würde? Wir wissen es bereits aus der Geschichte.

    Die Demokratiefeindlichkeit und der reaktionäre Charakter des Putin Regimes, einschließlich der landesweiten Diskriminierung gegen LGBTQ-Menschen, ist eine Tatsache. Aber dagegen hilft nicht die Ausdehnung der NATO und im Gegenteil steigt dadurch nur der Konfliktdruck und im Land werden umso mehr Sündenböcke gesucht.

    Von der vergessenen Entspannungspolitik rückwirkend lernen, wäre eine zielführende Lektion aus dieser Krise - nur leider ist davon kaum etwas zu erkennen.

    • 7G
      75787 (Profil gelöscht)
      @PolitDiscussion:

      Mit der Ausgrenzung und Diskreminierung von Minderheiten hat sicher nicht nur Russland ein Problem...

      In der Sache braucht es jetzt vor allem ein Europa, welches auf Kooperation setzt und sich nicht auf einen Konflikt mit der Atommacht Russland einlässt. Dabei geht es nicht darum, pro Russland zu sein, sondern pro Frieden - so drückte es treffenderweise der ehemalige Podemos Vorsitzende, Pablo Iglesias aus.

    • @PolitDiscussion:

      da haben sie völlig recht.



      aber in der aktuellen Situation ist es Russland das Truppen an die Grenze verlegt und darum wird ein NATO Beistand für die Ukraine gefordert.



      Es ging nicht um einen NATO Beitritt worauf hin Russland die Truppen an die Grenze geschickt hat.

      • @nutzer:

        Erst zur reagieren, wenn die Ukraine schon in der NATO ist, wäre etwas spät. Putin ist böse, nicht doof.

  • Wie gesagt:



    wenn die Ukraine mit Waffen vollgepumpt wird wird der Kreml wohl den Deutschen den Gashahn zudrehen.



    Und das ist genau das was wir wollen: die Energiewende vorantreiben!

    • @nzuli sana:

      Da gibt es noch das kleine Problem mit den Wahlen in D. Frierende Bürger wählen manchmal die seltsamsten Parteien...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Stimmt, das Problem mit den Wahlen gibt es in Russland ja nicht.



        Dort frieren ja Menschen viel mehr als hier.

  • Die Normandiegespräche finden ja auch auf einer seltsamen Basis statt: Der Okkupant der Ostukraine und der Krim beharrt weiter auf dem mit Gewalt und vielen Toten annektiertem Territorium, verteilt massenhaft russische Pässe an die Bevölkerung und geht davon aus, die "schwache" Ukraine wird das schon hinnehmen.



    Soviel zur Unverletzlichkeit der Grenzen. 8 Jahre lang haben Frankreich und Deutschland dieses Theater begleitet.



    Andererseits hat die Situation viel Gutes: Deutschland wird gerade quasi sexuell aufgeklärt über die wahre Natur des Novichok-Régimes, und errötet dabei ein bisschen, da es ja so unschuldig ist. Was, andere Länder einnehmen ist illegal? Das wusste ich nicht...

    • @Ataraxia:

      Woher sollten diese das nach jahrzente langer Praxis der USA auch wissen?

  • Mit diesen 5000 Helme, dürfte sich die EU in den Augen Russlands als ernsthafter Gesprächspartner weiter diskreditiert haben.



    Man mag ja in Bezug auf den Konflikt denken was man will, aber zu drohen und gleichzeitig klar zu machen, dass man nicht bereit ist, irgendetwas zu riskieren, hat meistens den gegenteiligen Effekt. Demonstrativ Helme zu liefern statt der geforderten Waffen ist ein deutliches Signal.

    • 2G
      27814 (Profil gelöscht)
      @nutzer:

      Wobei andere EU-Länder (mind. Frankreich und Litauen) Waffen liefern wollen. Die Verquickung von EU und Deutschland im Text ist etwas merkwürdig.

    • 4G
      46383 (Profil gelöscht)
      @nutzer:

      Holla, nicht so schnell alles in Bausch und Bogen verdammen, bitte. Deutschland schick schließlich auch Schuheinlegesohlen für Militärstiefel, Schnürsenkel und Teile von einem Bauzaun, der die russischen Truppen abhalten wird. Also nicht immer nur meckern, Leute... Der mutige Verteidiger der Ukraine wird es alsoziemlich bequem haben, während er unbewaffnet aber behelmt die Katjuschas abwehrt. Es kommt einem so vor als würde ein durchgeknallter Comedian diese strategischen deutschen Moves aushecken.

  • Die EU am Katzentisch, wirklich?

    Die USA stimmen Kriegsgeheul an und senden für 220 Millionen Dollar Waffen. Sie täten besser daran Geld zu senden um den Lebensstandart in der Ukraine zu erhöhen, ihre eigene Rüstung zu reduzieren und auch mehr Geld für ihre eigenen schwer gebeutelten Bürger auszugeben.

    Es wird langsam peinlich diese Farce, der Versuch einen Kriege herbei zu reden, der Versuch die EU in die defensive zu lancieren und sich als Supermacht darzustellen, alles begleitet mit der unmissverständlichen Feststellung, im Falle eine Falles doch nicht eingreifen zu wollen-oderzu können?

    Sicher kann man Putin nicht die Liquidierung oppositioneller Bürger im Ausland durchgehen lassen und auch sonst mangelt es am demokratischen Willen, aber gleich eine Bedrohungslage zu konstruieren sagt eher etwas über den Konstrukteur selbst. Es ist der verzweifelte Versuch die USA selbst als Supermacht darzustellen, die EU einzubinden



    und eine Annährung der EU mit Russland möglichst zu verhindern. Wo da die Vorteile der EU liegen sollen?

    Das Ganze sieht aus wie "Trump reloaded" nur im gemäßigten Ton und durch die Hintertür. Wer der Welt gerecht werden will, der sollte vor allem dafür sorgen das man von den hohen Rüstungskosten herunter kommt und mehr in die Forschung, Umwelt und die Menschen selbst investiert. Der ganze Wahnsinn bringt uns alle sonst



    an eine unwiederbringlich schnelles Ende im Überlebenskampf auf dieser Erde.

    Die USA haben die höchsten Rüstungskosten auf der Erde, sind mit die größten Energieverschwender und Ressourcen Verbraucher. Ihr Abstieg und soziale Verwahrlosung hin zu einem Zweitweltland werden immer offensichtlicher. Der US Außenminister sollte eher in Sachen Abrüstung unterwegs sein als mit Kriegsgeheul Konflikte herbei zu tönen.

    • @Thomas Rausch:

      Ich kann die Frage von @Nutzer nur präzisierend und ergänzend wiederholen:



      Wieso stehen ca. 100.000 russische Soldaten inkl. Raketen kurz vor der ukrainischen Grenze? Oder stimmt das nicht?

      • @DerHorst:

        Russland begründet diese mit der Truppenkonzentration der Ukraine an der russischen Grenze.

        • @Sandor Krasna:

          Ichbweiß, womit Russland dies begründet. Aber ich gehe fest davon aus, dass sich Russland keine Sorgen um einen Angriff der Ukraine auf Russland macht. Deshalb halte ich das für eine Lüge.



          Übrigens, die Ukraine verfügt über ungefähr 200.000 Soldaten, stehen die jetzt alle an der Grenze zu Russland?

    • @Thomas Rausch:

      Was vermuten Sie, ist die Intention der russ. Soldaten an der ukrainischen Grenze? Grenzsicherung, vor den imperialen Truppen der Westmächte?



      Ernsthaft, selbst wenn man Russland keine ernste Kriegsabsicht unterstellt, sind die Soldaten dort um eine Reaktion zu provozieren, selbst in dieser wohlwollenden Interpretation der russ. Absichten spielt Russland dennoch mit der (gewollten) Interpretation eines Angriffs. Dumm sind die Russen ja nicht. Würde man die russ. Erklärung für den Truppenaufmarsch ernst nehmen, müsste man das aber ganz stark annehmen.