piwik no script img

Schutz und Sicherheit für FrauenDa hilft auch keine Laterne

Die Berliner Innensenatorin will Frauen im öffentlichen Raum mehr schützen. Warum ihr Vorschlag so rein gar nichts bringt.

Wenn das Licht aus geht, gehen manche ungern nach Haus – denn dort wartet die meiste Gewalt Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

BERLIN taz | Frauen müssen stärker beschützt werden. Dieses Ziel hat sich die neue Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) auf die Fahne geschrieben. Eigentlich ein sehr nobles Vorhaben, wenn sie es wirklich ernst meinen würde. Stattdessen besteht Sprangers genialer Schutzplan darin, mehr Laternen auf die Straßen zu stellen: Der Berliner Morgenpost sagte sie in einem Interview, dass sie sich die Frage gestellt habe, „ob sich Frauen mit etwas mehr Licht nicht sicherer fühlen würden“.

Niemand streitet ab, dass mit mehr Licht die Umgebung besser wahrgenommen werden kann. So kann Straßenbeleuchtung durchaus dazu beitragen, dass Hindernisse wie Hundescheiße oder mitten auf dem Gehweg liegende E-Scooter gesichtet und umgangen werden können.

Allerdings betont Spranger in dem Interview, dass sie als erste weibliche Innensenatorin „natürlich einen anderen Blick auf die Sicherheitsbedürfnisse von Frauen und Mädchen“ habe. Die verstärkte Straßenbeleuchtung soll diese also nicht vor dem Stolpern schützen, sondern vor Übergriffen.

Dabei vergisst Spranger, dass Übergriffe und Gewalt gegen Frauen nicht hauptsächlich auf der Straße, sondern in den eigenen vier Wänden passieren.

Gewalt bleibt unsichtbar

Aus einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus November 2020 geht hervor, dass sich in den meisten Fällen von Übergriffen und sexualisierter Gewalt die Betroffenen und Tatverdächtigen kennen. Dabei ist etwa jede vierte Frau mindestens einmal von körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner betroffen, an fast jedem dritten Tag wird eine Frau durch einen Partner oder Ex-Partner getötet.

Die heutige regierende Bürgermeisterin und ehemalige Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte darin, dass alle 45 Minuten eine Frau von vollendeter oder versuchter gefährlicher Körperverletzung durch Partnerschaftsgewalt betroffen ist.

Der Schutzraum für Frauen ist also nicht dadurch gewährleistet, dass eine Glühbirne auf zwei Meter Höhe den Boden bestrahlt, wenn es um 16 Uhr bereits dunkel ist. Stattdessen muss Gewalt überall dort angegangen werden, wo Frauen in Abhängigkeitsverhältnissen leben. Sprich: in sozialen Einrichtungen, am Arbeitsplatz, in der Therapie, in der Universität, im Internet und vor allem zuhause.

Blind, wenn nicht selbst betroffen

Besonders schutzbedürftig sind auch Frauen mit Behinderungen und geflüchtete Frauen. Die Berliner Initiative Women in Exile kritisiert schon lange, dass Lager keine Sicherheit für geflüchtete Frauen und Kinder bieten. Häufig können Zimmertüren von Sammelunterkünften nicht abgeschlossen werden, sodass Frauen den Übergriffen schutzlos ausgeliefert sind.

Auch hier sind Täter nicht unbedingt Fremde, sondern Sicherheitsdienstmitarbeiter, Heimleiter oder Ehrenamtliche. Da kann die Birne draußen noch so hell leuchten – wenn die Gardinen zugezogen werden, ist das Zimmer stockdunkel.

Aber hey, Hauptsache, die Innensenatorin fühlt sich sicher, wenn sie abends zu ihrem Auto läuft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • "Auch hier sind Täter nicht unbedingt Fremde, sondern Sicherheitsdienstmitarbeiter, Heimleiter oder Ehrenamtliche"

    ja natürlich, wer auch sonst.

  • Natürlich ist es nicht das Ende von Gewalt gegen Flinta-Personen, wenn es mehr Straßenbeleuchtungen gibt, gleichzeitig aber Schutzunterkünfte für Gewaltbetroffene nicht ausreichend finanziert sind. Die Verdrängung von Flintas aus dem öffentlichen Raum ist allerdings auch ein Teil des Problems. Es ist sehr begrüßenswert, wenn erkannt wird, dass bestimmte Personengruppen sich nicht trauen, bestimmte öffentliche Bereiche zu nutzen, weil diese schlecht ausgeleuchtet sind. Flintas stehen wieder vor der Wahl: Zuhause bleiben und in der Verdrängung in die private, kleinbürgerliche Sphäre verharren oder öffentliche Bereiche sind so gestaltet , dass sie auch Nachts/Abends genutzt werden können. Es ist nicht nur ein entweder/oder und es gibt viele spannende feministische Perspektiven auf das Thema Städte, Räume und ihre Nutzbarkeit und Stadtplanung, die sich genau mit den im Artikel angesprochenen Themen auseinandersetzen. Einfach mal lesen ;)

    • @Alois:

      Was sind "Flinta-Personen"?

  • Alles richtig. Hätte es allerdings angemessen gefunden, wenn in der Aufzählung besonders schutzbedürftiger Frauen auch trans* Frauen genannt worden wären.