piwik no script img

Critical race theory in den USADieser Kampf ist nicht zu gewinnen

Die Republikaner arbeiten sich auf unredliche Weise an einem Begriff ab. Liberale und Progressive reagieren überheblich und defensiv.

Ein Mann am Rande einer Antirassismus-Demonstration in Georgia im November 2021 Foto: Octavio Jones/reuters

D ie jüngsten Gouverneurswahlen im Bundesstaat Virginia standen im Zeichen der Critical race theory. Die Theorie besagt, dass Rassismus das Denken der USA in nahezu allen Bereichen dominiert – in der Gesetzgebung, in der Wirtschaft, in der Geschichtsschreibung und so fort.

Die Critical race theory wird seit 30 Jahren an den Hochschulen gelehrt – aber jetzt erst arbeiten sich die Republikaner an dem Begriff ab, ohne auch nur zu versuchen, ihn zu verstehen. Stattdessen behaupten sie unredlicherweise, dass es darum geht, weiße Menschen pauschal als Rassisten zu bezeichnen.

In Virginia hat der Republikaner Glenn Youngkin erst die Nominierung seiner Partei als Gefolgsmann Trumps gewonnen, um dann später im Wahlkampf Trump auf Abstand zu halten. Er besiegte schließlich den demokratischen Kandidaten Terry McAuliffe. Demokraten sind in Sorge, dass Youngkins Sieg eine Vorlage für Trumps Rückkehr ins Weiße Haus sein könnte.

Bei der Wahl in Virginia ging es nur vorgeblich um die Themen Bildung und Kriminalität. Dies sind zwei Themen, die die Republikaner seit Langem „rassisch“ (racially) aufladen, indem sie weiße Ängste mobilisieren: Ängste wegen vermeintlicher schwarzer Gesetzlosigkeit und Kindern, die zwecks besserer Durchmischung quer durch die Stadt zu Schulen gefahren werden. Sitzungen von Schulgremien sind zu einem Schauplatz erhitzter Diskussionen über den pädagogischen Umgang mit Diversität und Rassendiskriminierung geworden.

Brenda Wilson

ist freie Journalistin aus ­Washington, D.C. Sie hat mehr als 25 Jahre für das ­gemein­nützige National Public Radio (NPR) gearbeitet. Ihre Themen­schwer­punkte sind das Weiße Haus sowie Sozial- und Gesundheitspolitik.

Die Situation ist wie maßgeschneidert für rechte Politiker, die um den Applaus von weißen Eltern buhlen, die an diesem Unterricht Anstoß nehmen. Lehrerfortbildung in Sachen Diversität, Gleichheit und Inklusion wird mit böser Absicht als Critical race theory etikettiert.

Sicherlich gibt es Lehrer, die mit dem Konzept im Hinterkopf auf ungeschickte Art ihre Schüler Rollenspiele von Unterdrückern und Unterdrückten oder Herr und Sklave spielen lassen. Diese Schüler sind aber in Wirklichkeit nicht in dieser Theorie unterrichtet worden – ein wichtiger Unterschied, der aber für jene Eltern keinen Unterschied macht, die gegen das aktuelle Schulsystem in Bundesstaaten wie Virginia aufbegehren.

Es ist ein Kampf, den Liberale und Progressive nicht gewinnen können. Sie neigen dazu, gesellschaftliche Themen zu meiden, die sich nicht für einfache Erklärungen eignen, um sich stattdessen auf abstrakte politische Programme zu konzentrieren.

Dabei blicken sie zu oft überheblich auf die Wähler hinab – so wie McAuliffe, der meinte, dass Eltern den Schulen nicht erzählen sollten, was sie zu unterrichten hätten. Youngkin nahm die Vorlage dankbar an und versprach, aus den Schulen die Critical race theory zu verbannen, obwohl sie dort gar nicht unterrichtet wird.

USA werden nicht weißer

Cornell Belcher, ein Berater der Demokraten, meint, dass Demokraten das Thema direkt angehen und den Wählern klarmachen sollten, dass die USA sicherlich nicht mehr weißer werden – die Welt auch nicht, füge ich hinzu. Dieses Land hat eine lange Geschichte der Unterwerfung anderer hinter sich – hier und woanders auf der Welt. Es muss sich ernsthaft damit auseinandersetzen, wofür es Verantwortung tragen muss.

Um den jungen Barack Obama zu zitieren: „Es gibt kein weißes Amerika und kein schwarzes Amerika, auch kein Latino-Amerika und kein asiatisches Amerika, es gibt nur die Vereinigten Staaten von Amerika.“ Umfragen zeigen, dass die Amerikaner dem mehrheitlich zustimmen – aber manche sind aufgehetzt durch Politiker wie Glenn Youngkin.

Aus dem Englischen: Gunnar Hinck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • Ich fand den Artikel spannend, nicht zuletzt deshalb, weil er mich an ein ähnliches Phänomen in Deutschland erinnert hat: nämlich die Diskussion um die Gender Studies, die von rechten Kreisen auch zum Buhmann aufgebaut wurden - ohne dass dabei irgendein basales Wissen darüber, was GS überhaupt sind, vorhanden gewesen wäre (ich erinnere mich an Forenbeiträge, in den GS mit Gender Mainstreaming verwechselt wurden...). Es hat auch wenig geholfen, wenn man versucht hat, solche Missverständnisse klarzustellen. Daher bin ich auch skeptisch, ob ein weniger arrogantes Auftreten seitens linker Intellektueller daran viel ändern könnte. Es gibt einfach Milieus, die ein Objekt suchen, auf das sie ihren Hass projizieren können. Ich bin ehrlich gesagt immer ratlos, wenn ich mit einem solchen Habitus konfrontiert werde. Egal wie ruhig, sachlich und respektvoll man ist, man prallt gegen eine Wand.

  • Liberale und Progressive sind auch schlecht darin, gute Ideen richtig zu "vermarkten".

    Gilt zum Beispiel für "Defund the Police". Unter dem Begriff kann man sich alles mögliche vorstellen bis hin zur Abschaffung der Polizei - was selbst unter schwarzen Amerikanern nicht mal ansatzweise mehrheitsfähig ist.

    Mit solchen schwammigen Slogans bringt man sich selbst in die Defensive.

    • @gyakusou:

      Was ist denn bitte sonst mit diesem unsinnigen Slogan gemeint?

      • @Adam Weishaupt:

        Polizei-Budgets beschränken/kürzen und die Ressourcen für soziale Projekte, Sozialarbeiter, Lehrer, Ärzte oder Therapeuten nutzen.