Rechter Zemmour erklärt Kandidatur: Provokateur will in den Élysée
Der rechtsradikale Publizist Eric Zemmour hat seine Kandidatur zur Präsidentschaftswahl in Frankreich angekündigt. Seine Chancen sind klein.
Offensichtlich versuchte Zemmour mit der Inszenierung – eine Bibliothek mit alten Büchern im Hintergrund und ein altmodisches Mikrofon auf dem Tisch –, die historische Pose von General Charles de Gaulle zu imitieren. De Gaulle hatte via BBC im Juni 1940 in einer Rundfunkrede die Kapitulation abgelehnt und zum nationalen Widerstand gegen die Besetzung durch Adolf Hitlers Truppen aufgerufen.
Dass Zemmour dieses Erbe für sich beansprucht, empört: Denn Zemmour hat das Ansehen von De Gaulles Gegner Marschall Philippe Pétain mit einer Revision der Geschichte rehabilitieren wollen: In einer Fernsehdebatte 2019 hatte Zemmour behauptet, der Chef des faschistischen Kollaborationsregimes habe die „französischen Juden gerettet“.
Zemmour wollte am Abend in der Tagesschau des Fernsehsenders TF1 seinen Entschluss offiziell ankündigen. Der ehemalige Journalist beendet so die Phase einer vorgespielten Spannung um die Frage seiner Kandidatur, mit der es ihm gelungen war, die Medien seit Monaten in Atem zu halten. Niemand von den anderen erklärten oder mutmaßlichen Bewerber*innen hat auch nur annähernd so viel Aufmerksamkeit erregt.
Es gilt zwar als höchst unwahrscheinlich, dass der 63-jährige Exjournalist die Wahlen im kommenden Jahr gewinnen kann. Doch darf er es als Erfolg werten, dass er mit der stets geschürten Spekulation über die Kandidatur und Provokationen den Beginn des Wahlkampfs zu monopolisieren vermochte – mithilfe der Medien, und speziell der Fernsehsender.
Ursprünglich war Zemmour nur dem kleinen Publikum des Senders CNews bekannt. Mit der offenen Unterstützung der wachsenden Mediengruppe des Milliardärs Vincent Bolloré wurde Zemmour zu einem Medienphänomen. Mit seinen an Spektakel grenzenden Provokationen und seinen finsteren Prognosen zum Niedergang Frankreichs versprach er auch den anderen Sendern und Publikationen Einschaltquoten bzw. Verkaufszahlen.
Der offen xenophobe und vor allem vehement antimuslimische Zemmour, der sich von seinen Fans gern bloß „Z“ (wie Zorro?) nennen lässt, erregt Anstoß. So auch in der sehr kosmopolitischen Hafenstadt Marseille, wo die Ankunft des Quasikandidaten kürzlich zahlreiche Antifa-Demonstrant*innen auf den Plan rief. Sichtlich verärgert über diesen ungastlichen Empfang, kurbelte Zemmour das Fenster seiner Limousine runter, um einer Frau den Stinkefinger zu zeigen.
Das Video und das Foto dieser unschönen Szene macht seither die Runde. Denn diese Geste sagt sehr viel aus über Zemmours bekanntermaßen sexistische Haltung gegenüber Frauen. Sie resümiert bildlich sein reaktionäres Programm, das eine rechtsradikale Ideologie rassistischer Überheblichkeit sowie Hass und Spaltung zum Ausdruck bringt.
Zemmour braucht 500 „Patenschaften“
Zuerst aber muss der Präsidentschaftskandidat wie seine Konkurrent*innen gemäß Gesetz mindestens 500 „Patenschaften“ zusammenbringen: Zur Beglaubigung der Kandidatur berechtigt sind die Bürgermeister*innen der rund 35.000 Kommunen sowie die Abgeordneten und anderen gewählten Volksvertreter*innen. Gerade für als „extremistisch“ eingestufte Kandidaten ist es nicht immer leicht, diese Unterschriften fristgemäß einzureichen. Und im Unterschied zu seiner Rivalin Marine Le Pen vom Rassemblement national (RN) verfügt Zemmour bisher nicht über eine Partei mit einer lokalen Basis.
Hingegen hat er für sein Wahlkampfteam neben wenigen Ehemaligen der bürgerlich-konservativen Mitte vor allem eine ganze Reihe von politisch erfahrenen Leuten aus rechtskatholischen und rechtsradikalen identitären Zirkeln rekrutiert, die sogar für die RN-Chefin zu kompromittierend waren.
Obwohl Zemmour in den letzten Umfragen mit rund 15 Prozent etwas abgerutscht ist, bleibt er für Le Pen (18 Prozent) eine direkte Gefahr. Er könnte ihr womöglich noch den Platz in der Stichwahl gegen den weiterhin als Favoriten geltenden Staatschef Emmanuel Macron stehlen. Noch bleiben etwas mehr als fünf Monate Wahlkampf als Chance, Frankreich vor selbsternannten „Rettern“ zu retten.
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