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Facebook schafft Gesichtserkennung abImmer noch evil

Facebook will aus einer besonders problematischen Technologie aussteigen: der Gesichtserkennung. Wird jetzt alles gut? Der Konzern jedenfalls nicht.

Die meisten Menschen sind lieber unerkannt im Netz unterwegs Foto: Juan Moyano/plainpicture

Es ist eine Nachricht, die so unwahrscheinlich klingt, dass sie kaum zu glauben ist: Facebook löscht persönliche Daten von Nutzer:innen. Und nein, es gab kein Gericht, keine Regierung, kein Gesetz, das oder die das Unternehmen dazu gezwungen hat. Sondern: Facebook hat angekündigt, seine Gesichtserkennungsfunktion in den kommenden Wochen einzustellen und in diesem Zuge die Erkennungs-Templates von den betroffenen Nut­ze­r:in­nen zu löschen.

Erkennungs-Templates sind so etwas wie Schablonen, mit Hilfe derer die Software Gesichter wiedererkennen soll. Und zwar im besten Fall auch dann, wenn das zu erkennende Gesicht unscharf ist oder eine Sonnenbrille vor den Augen oder Maske vor Mund und Nase hat. Mehr als 1 Milliarde Schablonen soll das betreffen, die Facebook nun nach eigenen Aussagen löschen wird. Wer sich schon mal die Mühe gemacht hat, bei Face­book eine Kopie der eigenen Daten anzufordern – oder von einem Fall gelesen hat, in dem das jemand anders getan hat – weiß: Facebook speichert alles.

Es hat Fotos, von denen man selbst gar nicht mehr wusste, dass sie existieren. Posts, an deren Verfassen man sich nicht erinnert. Und längst vergangene Momente, die besser undokumentiert geblieben wären. Aber, noch schlimmer: Selbst wer diese Daten aus der eigenen Facebook-Vergangenheit entfernt, löscht sie nicht notwendigerweise von den Face­book-Servern.

Die Löschnachricht kommt zu einer Zeit, in der Facebook ein bisschen Appeasement bitter nötig hat. Appeasement im Sinne von: Seht her, wir sind gut, wir nehmen eure Sorgen ernst und tun das Richtige. Nicht ausgeschlossen, dass sich der Konzern für seine Umbenennung zu Meta gerne Googles altes Firmenmotto – Don’t be evil – ausgeliehen hätte.

Und natürlich ist Gesichtserkennung unter allen den bereits im Einsatz befindlichen Technologien besonders evil: Sie ist immer noch ziemlich fehleranfällig, wie beispielsweise ein Versuch unter anderem von Bundespolizei und Bundeskriminalamt am Berliner Fernbahnhof Südkreuz zeigte, der mit peinlichen Erkennungsquoten abschloss. Doch während Pas­san­t:in­nen am Bahnhof immerhin noch die Wahl hatten, ob sie den Eingang mit Gesichtserkennung oder den ohne nehmen wollten, gibt es diese Wahl im Internet nicht.

Sein Gesicht tauscht man nicht mal so eben aus

Denn die Präsenz von Bildern ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen – einerseits was die Verfügbarkeit angeht, von Facebook über die Google-Suche bis Instagram. Andererseits ist es praktisch unmöglich, sich in einer auch nur einigermaßen bevölkerten Gegend durch den öffentlichen Raum zu bewegen und nicht von Smartphones und diversen Überwachungskameras erfasst zu werden. Was mit diesen Bildern passiert, wo sie liegen und wie lange, wer darauf Zugriff hat und auch welche Technologie – das wissen in der Regel nicht mal die Fotografierenden oder Filmenden selbst. Dabei bleibt das Manko aller biometrischen Merkmale: Fällt ein Bild oder ein Template in falsche Hände, lässt sich das Gesicht nicht mal eben austauschen.

Und das führt dann zu Fällen wie dem des Unternehmens Clearview AI. Das US-Unternehmen hatte, wie im vergangenen Jahr bekannt wurde, 3 Milliarden im Internet zugängliche Bilder eingesammelt und daraus eine Bilderkennungsdatenbank gemacht. Und US-Behörden und Unternehmen riefen gemeinsam: Juhuu. Nicht zu laut natürlich, denn zu viel Regulierung wollen alle, die ein Interesse an diesen Daten haben, vermeiden. Facebook selbst auch. Deshalb sollte man die Abschalt­ankündigung, die übrigens andeutet, dass sich der Konzern nicht komplett von der Technologie verabschieden will, mit ganz viel Vorsicht betrachten. Es bleibt noch genug evil übrig.

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