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Ende des Afghanistan-EinsatzesZapfenstreich vor dem Reichstag

Die Politik ehrt am Mittwoch deutsche Soldat*innen. Kritik an den Zeremonien kommt von Linken und aus der evangelischen Kirche.

Ehrenmal der Bundeswehr für gefallene Soldaten auf dem Gelände des Ministeriums für Verteidigung Foto: Jürgen Ritter/imago

Berlin taz | Die Bundespolitik ehrt am Mittwoch mit militärischen Ritualen die am Afghanistankrieg beteiligten Bundeswehrsoldat*innen. Über den Tag verteilt sind in Berlin vier Veranstaltungen geplant.

Los geht es am Mittag mit einer Kranzniederlegung am Ehrenmal der Bundeswehr. Bundespräsident Steinmeier und andere wollen dort der im Einsatz gestorbenen deutschen Sol­da­t*in­nen gedenken. Es folgt ein Appell auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Merkel und Reden unter anderem von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer. Nach einem Empfang im Bundestag endet der Tag mit einem Großen Zapfenstreich vor dem Reichstagsgebäude – um 19 Uhr, nach Sonnenuntergang, wenn die Fackeln der teilnehmenden Sol­da­t*in­nen am besten zur Geltung kommen.

Die Feier im großen Rahmen wurde im Juli beschlossen – als Reaktion auf Kritik daran, dass bei der Rückkehr der vorerst letzten deutschen Einheiten aus Afghanistan Ende Juni kein großer Empfang stattgefunden hatte. Der ursprünglich geplante Termin im August wurde dann wegen der damals laufenden militärischen Evakuierungsaktion aus Kabul gestrichen. Es sei gerade „nicht der richtige Zeitpunkt“ für einen Zapfenstreich, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums damals.

Nun wird die Veranstaltung nachgeholt, obwohl zahlreiche ehemalige Ortskräfte der Bundeswehr in Afghanistan noch immer auf ihre Evakuierung warten.

Gegen die Veranstaltung sind Proteste angekündigt. Eine antimilitaristische Demo wird am Abend unter dem Motto „Deutschland ist Brandstifter“ stattfinden. Kritik an der Veranstaltung kommt auch von der Linkspartei. „Dieser Große Zapfenstreich ist völlig deplatziert“, sagte der scheidende Bundestagsabgeordnete Tobias Pflüger. Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr sei komplett gescheitert. „Da gibt es nichts zu feiern mit einem Großen Zapfenstreich. Der Einsatz hat Afghanistan keinen Frieden gebracht.“

Widerspruch aus der Kirche

Widerspruch gibt es auch aus den Reihen der evangelischen Kirche. Neun Theo­lo­g*in­nen veröffentlichten am Montag die gemeinsame Forderung an die Evangelische Kirche Deutschlands, dass keine Ver­tre­te­r*in­nen der Institution am Zapfenstreich teilnehmen. „Dieses Ritual war schon immer falsch. Es dient der religiösen Überhöhung und falschen Sinngebung von Kriegszügen“, sagte der Mitinitiator und Pastor Ulrich Hentschel der taz.

In einem Brief an die EKD-Spitze kritisieren die Theo­lo­g*in­nen unter anderem, dass zwischen Fanfarenrufen und Nationalhymne ein christliches Gebet fester Bestandteil des Zapfenstreichs ist. „Der zentrale Einsatz des der christlichen Mystik zuzurechnenden Liedes ‚Ich bete an die Macht der Liebe‘ ist eine blasphemische Funktionalisierung der gewaltlosen Liebesbotschaft Jesu für einen militärischen Festakt“, schreiben sie. Als Alternative zur Teilnahme am Zapfenstreich fordern sie, die eingesetzten Sol­da­t*in­nen „in seelsorglichen und gottesdienstlichen Angeboten“ zu begleiten.

Eine Reaktion auf den Brief haben die Ab­sen­de­r*in­nen nach eigenen Angaben noch nicht erhalten. Nach Angaben der EKD wird ohnehin kaum ein Vertreter der evangelischen Kirche dem Zapfenstreich beiwohnen. Der evangelische Militärbischof, von der EKD berufen, wird allerdings an den Veranstaltungen teilnehmen.

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7 Kommentare

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  • Dass Bundeswehr Frauen, Männern für ihren Afghanistaneinsatzes gewürdigt werden, ist selbstverständlich, nur ist der Zapfenstreich dazu nicht tauglich.



    Der Zapfenstreich wurde Militärs in Garnisonsstädten von Stadträten als disziplinarisches Instrument abgerungen, Landsknechte innerhalb Stadtdmauern Schlag bestimmter Uhrzeit in Kneipen Zapfhahn zuzudrehen, sie in die Quartiere zu befehlen, nächtens Frieden, Ruhe zu halten.



    Der Zapfenstreich wird ertmalig 1596 erwähnt.



    Brauch zielt darauf, wenn Zapfenstreich Trompete ertönt, dass der Wirt auf den Zapfen Getränkefasses schlug, zivilen Gästen zu signalisieren, dass nun Schluss mit Ausschank für Landsknechte, Soldaten ist. So haben es Garnisionstädte Stadträte Militärs abgerungen, Schlag bestimmter Uhrzeit Frieden, Ruhe innerhalb Stadtmauern vor MIlitärs zu haben



    Dass der Zapfenstreich inzwischen unkenntlich von Regierung, Militär Führung der Truppe als Dank an die Truppe umfunktioniert wurde, beim Großen Zapfenstreich abdankende, entlassene Kanzler*nnen, Minister*nnen unter sentimentalen Militärorchester Klängen geehrt werden, kam erst kolossal bombastisch aufgwertet in NS Zeit hoch, beginnend am 30. Januar 1933 als Adolf Hitler Reichskanzler wurde, "SA marschiert" Gebrüll ertönt bei weihevollem Fackelzug. So bleibt der Zapfenstreich in Berlin 13.10 2021 doch ursprünglicher Tradition der Truppe verpflichtet, gerade aufgrund gescheitertem Afghanistaneinsatz weniger der Truppe denn Bundestages, Politik durch sentimentale Gesten, Ehrung, Traditionsklänge, das "Helm ab zum Gebet" Kommando wurde mittlerweile abgeschafft, samt Militärbischöfen aller christlichen Kirchen inzwischen auch Rabbiner*nnen, Imane Militärseelsorger sich der Einvernahme der Truppe zu vergewissern, dass sie sich in Frieden gemäß Zentraler Dienstvorschirft (ZDV) nach Auslandseinsatz in ihre Quartiere zurückbegeben hat, sich auf ziviles Leben als Staatsbürger*nnen in Uniform, gemäß Konzepts Innerer Führung General Graf Baudissin 1955 umstellen

  • Danke Ingo, mein Beitrag wahr woll zu schroff für's TAZ-Forum, als ich ein Tucholsky-Zitat andeutete. Ehre wem Ehre gebührt z.B. ... allen voran Pflegepersonal, THW-Helden, Feuerwehrleute ... Die Mär von der "... Freiheit am Hindukusch ..." ist doch längst wiederlegt. Keiner der Beteiligten hat je etwas für 'uns' getan oder wie man immer wieder gern fabuliert, "den Kopf hingehalten"

  • Wenn ich das richtig verstehe finden die Feierlichkeiten aus Respekt und Dank für die deutschen Soldaten statt, die dort ihr Leben riskiert haben. Es wird betreffend Afghanistan weder der Frieden gefeiert noch ein Sieg noch sonstwas.



    Dass jetzt Herr Pflüger von den Linken von einem gescheiterten Einsatz spricht und deswegen am liebsten die Veranstaltungen absagen will zeigt die vollkommene gedankliche Deplatziertheit dieser Partei. Nix gelernt aus dem Wahldebakel, Thema verfehlt, wie so oft.

    • @Tom Farmer:

      Sie verstehen nicht richtig. Das Gedenken ist ja nur eine der vier Veranstaltungen und das wäre auch noch vermittelbar, der Zapfenstreich ist aber eine Ehrung der Truppe und wozu dieser Truppe nach einem so katastrophal schlecht verlaufenem Einsatz der Zapfen gestrichen werden soll ist eben nicht mehr sinnvoll erklärbar.

      • @Ingo Bernable:

        Danke für die Bestätigung meiner Einschätzung. Zapfenstreich = Ehrung und eben keine Siegesfeier o.ä.



        Das geht für mich i.O.



        Übrigens, das Ergebnis war eine Katastrophe nicht wie der Einsatz gelaufen ist.



        Ggf. Sie Ihre Bezüge zu den Themen nochmals prüfen. Was wurde politisch gewollt und was haben die Soladten dementsprechend für einen Auftrag erhalten. Und wie lief dann der Einsatz und wie war das Ergebnis im Vergleich zur pol. Zielformulierung. Und wer trägt für was die Verantwortung. Und dann noch ob die Soldaten dafür was konnten. Und Sie wollen dann denen ihre Ehrenfeier absprechen? Ich bin weit entfernt von Militarismus, aber wenn das für die von Bedeutung ist, dann sollte man das den Soldaten zugestehen.

        • @Tom Farmer:

          Eine Ehrung sollte schon irgendwie verdient sein. Und womir wäre sie verdient? Mit dem Tanklaster-Bombardement von Kunus? Durch Fotos mit geschändeten Leichen? Damit sich jahrelang im eigenen Lager zu verschanzen weil man nicht bereit war auch Opfer in den eigenen Reihen zu akzeptieren?



          Im alten Rom hätte man eine solche Truppe nicht zum Zapfenstreich, sondern zur Dezimierung antreten lassen. Nicht, dass ich das empfehlen würde, aber nur mal so als Denkanstoß.

      • @Ingo Bernable:

        Das ist sogar völlig simpel erklärbar. Die Bundeswehr wurde vom Parlament in ein Kriegsgebiet geschickt. Dort wurde auf die Leute geschossen und sie mussten in jeder Mülltonne Sprengfallen befürchten. Dafür, dass sie diesen Mist ertragen haben, kann man schon mal "danke" sagen. Denn die Soldat*innen haben sich den Einsatz nicht ausgesucht. Das war das Parlament. Die Erfolglosigkeit des Feldzugs geht nicht auf die Kappe der Leute, die vor Ort beschossen wurden.