Bundeswehr-Dirigent über Zapfenstreich: „Da spielt Tuba statt E-Bass“

Reinhard Kiauka dirigiert beim Abschied von Angela Merkel das Blasorchester. Mit ihren Musikwünschen hat ihm die Kanzlerin Probleme bereitet.

Sodaten mit Instrumenten und Fackeln beim Zapfenstreich

Zapfenstreich zum Ende des Afghanistan-Einsatzes im Oktober Foto: Christophe Gateau/dpa

Am Donnerstagabend verabschiedet die Bundeswehr Angela Merkel mit einem Großen Zapfenstreich. Traditionell durfte sich die Kanzlerin für die Zeremonie drei Musikstücke wünschen. Das Stabsmusikkorps wird für sie „Du hast den Farbfilm vergessen“, „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ und den Choral „Großer Gott, wir loben dich“ spielen.

taz: Herr Kiauka, für den Großen Zapfenstreich am Donnerstagabend wünscht sich die Kanzlerin von Ihrem Stabsmusikkorps unter anderem Stücke von Nina Hagen und Hildegard Knef. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie davon erfahren haben?

Reinhard Kiauka: Die Wünsche kamen spät und haben mich überrascht: Die beiden Songs sind in unserem Notenarchiv nicht vorhanden.

Wie kurzfristig war es denn?

Der Wunsch kam letzte Woche Dienstag. Wir hatten neun Tage Vorlauf. Das ist sportlich.

54, ist Oberstleutnant der Bundeswehr und seit 7 Jahren Dirigent des Stabsmusikkorps. Werden Spitzenpolitiker mit einem Zapfenstreich verabschiedet, sorgt sein Blasorchester meist für die Musik.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie die Noten hatten?

Der Titel von Nina Hagen musste erst mal neu für Sinfonisches Blasorchester arrangiert werden. Zum Glück haben wir im Kreis der Militärmusik entsprechend kompetente Kameraden. Stabsfeldwebel Guido Rennert, Klarinettist im Musikkorps der Bundeswehr in Siegburg, hat uns schnell ein Spezial-Arrangement geschrieben. Er hat das binnen zwei Tagen angefertigt, was fantastisch ist, weil ich es so schon am Freitag in der Probe ausprobieren konnte.

Moment, was bedeutet arrangieren?

Wenn Titel aus dem Genre der Unterhaltungsmusik gewünscht werden, ist das eine besondere Herausforderung, weil diese Titel meist für eine Band gesetzt sind – mit E-Bass, E-Gitarre, Keyboard und Drumset. Im Konzert auf der Bühne ist das für uns kein Problem, da spielen wir auch mit diesen Instrumenten. Aber beim Großen Zapfenstreich sind wir in der Marschformation mit den traditionellen Instrumenten. Da spielt Tuba statt E-Bass und das Gitarrensolo muss zum Beispiel das Saxophon übernehmen. Das muss alles herübergesetzt beziehungsweise arrangiert werden.

Mit der E-Gitarre kann man nicht marschieren?

Die gehört nicht zum Instrumentarium bei der Marschmusik.

Welche Instrumente werden am Donnerstag die Stimme von Nina Hagen ersetzen?

Sie ist in mehreren Registern zu hören, weil wir einen möglichst satten Sound auf den Platz bringen wollen. Hauptsächlich in den Flügelhörnen und den Hörnern, dann wird es aber auch von den Klarinetten und Tenorhörnern übernommen und später im Tutti.

Und wie läuft es mit Hildegard Knef?

Der Song lag immerhin bei einem Verlag vor, musste aber erst bestellt, gedruckt und geliefert werden, sodass ich das erst ab Montag einstudieren konnte. Aber immerhin lässt sich auch hier der Sologesang in den Blasinstrumenten gut abbilden. Stilistisch können wir in diesem Arrangement variieren. Der Titel erscheint mal als langsamer Walzer, dann als flotter Jazzwalzer. Das dritte Stück war das einzige, welches direkt vorlag und wo ich sagen konnte: Jawohl, der Choral ist auch kurzfristig kein Problem. Der musste nur noch mal einstudiert und aufgefrischt werden.

Sind Sie zuversichtlich, dass am Donnerstag trotz der kurzen Vorbereitung alles klappt?

Im Konzertsaal ist es warm und trocken. Draußen wird es höchstens 2 Grad plus haben. Das sind widrige Rahmenbedingungen, aber alle meine Musikerinnen und Musiker werden sich dem höchst professionell stellen. Weil das ZDF live überträgt, gab es schon am Mittwochabend eine Probe gemeinsam mit dem Wachbataillon am Originalplatz. Da wurden auch die Kameras und der Ton eingerichtet, damit am Donnerstag alles wie am Schnürchen läuft.

Dass sich Po­li­ti­ke­r*in­nen zu ihrem Abschied aus Spitzenämtern ausgefallene Titel wünschen, ist ein neuer Trend. Früher waren häufiger Märsche oder Kirchenmusik zu hören. Wann hat sich das geändert?

Ich glaube, dass das immer salonfähiger wurde, nachdem sich Karl-Theodor zu Guttenberg „Smoke on the Water“ von Deep Purple gewünscht hatte.

Was ist Ihnen lieber? Das klassische Repertoire oder ausgefallene Stücke?

Das Schöne an unserer Militärmusik ist ja, dass wir ein abwechslungsreiches Repertoire präsentieren. Wir spielen im Konzertprogramm alles von der klassischen Opernouvertüre über originale symphonische Blasmusikliteratur bis zu Rock und Pop. Da ist für jeden Geschmack etwas dabei. Beim Zapfenstreich sind wir wie gesagt in der Instrumentierung festgelegt und das entsprechende Arrangieren moderner Titel ist eine hohe Kunst. Aber dadurch entsteht oft eine ganz eigene Version und das kann auch seinen Reiz haben.

Was war Ihr Highlight der letzten Jahre?

Bei der Serenade für Staatssekretär Dr. Tauber war natürlich das Star-Wars-Medley auffallend, das wir mit einer Licht-Performance dargeboten haben. Die Spielmannstrommler hatten leuchtende Trommelstöcke und ich habe mit einem Laserschwert dirigiert.

Das ging auch auf Social Media gut herum.

Ja, aber das war wie gesagt eine Serenade und da ist man ein bisschen freier als beim Großen Zapfenstreich. Ansonsten erinnere ich mich natürlich an den Abschied von Ursula von der Leyen mit „Wind of Change“, wo man schauen musste: Wer spielt das solistische Pfeifen? Wie ist das nachher mit dem Solo? Da hatten wir vorne die Solotrompete und dann das Solosaxofon, das den rockigen Part übernahm. So entstehen dann ganz eigene Kreationen, die auch in der Öffentlichkeit in Erinnerung bleiben.

Solche Stücke machen die Zeremonien vielleicht auch zugänglicher für Zi­vil­is­ten – anders als kürzlich beim Zapfenstreich zum Ende des Afghanistaneinsatzes mit klassischem Repertoire. Der wirkte auf viele Menschen befremdlich.

Es weckt ein gewisses Interesse. Viele haben ja einfach die Meinung: Militärmusik gleich Marschmusik. Natürlich ist das ein Markenzeichen. Aber Militärmusik hat schon immer auch Unterhaltungsmusik gemacht. Sie hat schon Opernmelodien populär gemacht, auch da wurden spezielle Arrangements angefertigt und dadurch erhielten diese Titel ihren Bekanntheitsgrad. Das hat sich die ganze Zeit so fortgesetzt, war in den Konzerten immer präsent und hält jetzt auch immer mehr Einzug in die Serenaden.

Ich habe vorhin schon nach Ihren Highlights gefragt. Gibt es auch einen Musikwunsch, der Ihnen besonders negativ in Erinnerung geblieben ist?

Da Sie das noch mal ansprechen: Besonders gut fand ich bei Bundespräsident Gauck „Über sieben Brücken musst du gehen“. Dieser Titel, auch aus der Osthistorie, hat eine ganz besondere Ausstrahlung. Er passte zur Person. Man hat an dem Abend schon auf dem Platz gemerkt, wie sich das auf das Publikum überträgt. Das ist dann ein ganz besonderes Erlebnis. Aber ein besonders schlechter Titel? Da fällt mir keiner ein.

Thomas de Maizière hatte sich „Live is life“ von Opus gewünscht. Da hat das Trommel­intro ziemlich gerumpelt.

Dazu kann ich nichts sagen, das war vor meiner Zeit.

Setzen Sie alle Wünsche um, oder gibt es Songs, bei denen Sie ein Veto einlegen würden?

Das kann vorkommen, wenn ein Titel gar nicht mit einem großen Sinfonischen Blasorchester abbildbar ist. Schwierig wäre vielleicht ein Song, bei dem jemand nur akustische Gitarre spielt und dazu singt.

So manches von Bob Dylan scheidet also aus.

Der hat natürlich einen speziellen Sound. Es würde zumindest ganz anders klingen als im Original.

Welche Stücke würden Sie sich wünschen, wenn es einen Zapfenstreich für Sie gäbe?

Das liegt mir wirklich fern. Ich bin der, der das alles realisiert und präsentiert und diese Musik mit größter Freude macht. Ich dirigiere lieber, als auf dem Podest zu stehen und spielen zu lassen. Damit habe ich im Moment auch genug zu tun: Wir wollen die Musik so aufpolieren, dass sie am Donnerstagabend richtig schön klingt und sich die Frau Bundeskanzlerin an ihren Wünschen auch wirklich erfreuen kann.

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