Sondierungen von SPD, Grünen und FDP: Sie schweigen eisern
SPD, Grüne und FDP wollen Ende dieser Woche über Koalitionsverhandlungen entscheiden. Wo sie sich schon angenähert haben? Kein Wort.
Berlin taz | Gegen halb zwei kommt Olaf Scholz die Rolltreppe runter, rechts hält er seine schwarze Aktentasche, vor ihm beginnt das Kameraklicken. Er sagt: nichts. Eilig zwängt er sich durch die Journalistenmasse und verschwindet auf dem Parkplatz auf dem Berliner Messegelände. Dort treffen sich SPD, Grüne und FDP am Dienstag zum dritten Mal zu Sondierungsgesprächen. Gemeinsam loten sie aus, ob sie rot-gelb-grüne Koalitionsverhandlungen auf den Weg bringen sollen. Aber viel mehr wird im Grunde genommen an diesem Tag auch nicht bekannt werden.
Kurz vorher kommt auch der baden-württemburgische Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Rolltreppe herunter. Man habe über „Europa, Migration, Flucht und noch was gesprochen, da war er aber nicht dabei“. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Marco Buschmann, winkt ebenso ab: „Wir halten uns weiter an die Funkdisziplin.“
Alle Hoffnungen der Hauptstadtpresse konzentrieren sich dann auf die silbernen Aufzüge – immerhin wurde ja zu einer Pressekonferenz eingeladen. „Das sind Sondierungsgespräche am Limit“, sagt ein Journalist selbstironisch. Denn inhaltlich ist bislang wenig nach außen gedrungen. Nur dass alle harten Themen wie Wirtschaft, Klimaschutz und Finanzen in kleinen Gruppen besprochen wurden.
„Vertrauen ist ein wichtiger Baustein für das Gelingen“
Tatsächlich kommen dann gegen 14 Uhr die Generalsekretäre Lars Klingbeil (SPD), Volker Wissing (FDP) und Michael Kellner (Grüne) in dunklen Anzügen heraus und stellen sich der Größe nach sortiert an aufgestellte Mikrofone. Man habe sich „gemeinsam auf den Weg gemacht“, sagt Klingbeil. Es habe „die ein oder andere Hürde“ gegeben. Dennoch sei er „optimistisch, was die nächsten zwei Tage angeht“. Am Freitag soll es mit den Sondierungen weitergehen. „Ich glaube, das kann was Gutes werden“, sagt er. Details, konkrete Inhalte? Fehlanzeige.
„Die Menge an Gemeinsamkeiten ist größer geworden“, sagt Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Die Zahl der Differenzen habe abgenommen. Man habe über alle Themen gesprochen.
Am Freitag entscheidet sich, wie es weitergeht
Generalsekretär Volker Wissing lobt den „guten Ton“ in den Ampelsondierungen, es gehe „höflich und sachorientiert“ zu. „Wir werden die Beratung der letzten Tage auswerten und zu Papier bringen, was wir gemeinsam tragen können“, sagt er mit Blick auf den nächsten Sondierungstermin. Ziel sei es, bis Freitag eine „Entscheidungsgrundlage“ zu haben, „auf deren Grundlage wir dann darüber befinden, ob wir unseren Gremien die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfehlen können“, sagt er. Am Freitag kann sich demnach abzeichnen, ob die vertieften Sondierungsgespräche tatsächlich in Ampelkoalitionsverhandlungen münden.
Anders als bei den Jamaika-Sondierungsgesprächen im Jahr 2017 haben die Parteien Vertraulichkeit vereinbart und halten sich auch eisern daran. Zur Erinnerung: Damals wurden ständig Details aus den Gesprächen bekannt – die Verhandlungen endeten im Fiasko. Die FDP ließ überraschend die Sondierungsgespräche platzen. Daher lässt sich die Verschwiegenheit nachvollziehen, denn trotz aller Differenzen eint die drei Parteien zumindest ein Ziel: Sie wollen unbedingt regieren. Lars Klingbeil bittet deshalb um Nachsicht, dass so wenig verraten wird. „Vertrauen ist ein wichtiger Baustein für das Gelingen.“
Die Konfliktlinien sind ohnehin bekannt: Die SPD wird versuchen, eine Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro durchzukriegen. Die Grünen wollen notwendige Investitionen für den ökologischen Umbau finanzieren können. Die FDP will an der Schuldenbremse festhalten und keine Steuererhöhungen.
Leser*innenkommentare
82286 (Profil gelöscht)
Gast
*Sie schweigen eisern"
Transparenz mal ganz neu interpretiert.
82286 (Profil gelöscht)
Gast
In einer Situation geistiger Umnachtung hat mein mir kostenlos zur Verfügung gestellter Kugelschreiber ein Kreuz bei der SPD gemalt. Ich bin unschuldig.
82286 (Profil gelöscht)
Gast
Steuererhöhungen hat Scholz heute morgen im DLF indirekt schon abgeräumt. Wegen der Einnahmen aus der globalen Mindestbesteuerung ...
Abdurchdiemitte
Die mediale Zurückhaltung der Sondierer*innen kann jedoch auch darauf zurückzuführen sein, dass man bei den neuralgischen Punkten wie in der Steuer-, Finanz- und Sozialpolitik mit der FDP einfach nicht weiterkommt … schon mal daran gedacht?Stattdessen werden auch von liberaler Seite unstrittige Symbolprojekte wie die Cannabis-Legalisierung an die große Glocke gehängt.
Nein, wie 2017 wird das nichts mit dem „liberal-ökologischen“ Aufbruch in einer Ampelkoalition … dann lieber GroKo unter umgekehrten Vorzeichen (mit Scholz als Kanzler), nach dem Motto: besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
Paul Rabe
Grade hat Frankreich den Ausbau der Atomkraft verkündet.
Viele in der FDP finden das richtig, denn es ist tatsächlich ein technischer Weg den Klimawandel zu bekämpfen.
Die Forderung wird die FDP auf den Tisch legen, wohlwissend, daß die Grünen dem, aus ideologischen Gründen, nicht nachgeben können, aber dafür müssen sie der FDP dann etwas "bieten"....
82286 (Profil gelöscht)
Gast
@Paul Rabe Geplapper ... Wohin mit den nuklearen Abfällen? Die Söder-Lösung: Wir betreiben unsere AKW's und mässten die Quandt's.
Den Müll entsorgen wir dann irgendwo, aber nicht bei uns.
Paul Rabe
@82286 (Profil gelöscht) Die FDP weiß genau, dass die Grünen dem sowieso nicht zustimmen können, also müssen Sie sich über konkrete Umsetzung auch keine Gedanken machen es ist lediglich eine Forderung um danach eigene andere Forderungen besser durchsetzen zu können
Es ist ein Trumpf den sie jetzt in der Hand haben, weil Frankreich so agiert
82286 (Profil gelöscht)
Gast
@Paul Rabe Paul Rabe's Wunschdenken.
Würde die FDP derlei kruses Zeugs in die VorVorVor- Unterhaltung einbringen, hätten wir schon mutige Minderheitregierung.
Strolch
Ich bin ganz dankbar, dass nicht permanent über ungelegte Eier gesprochen wird. Häufig wurde die Presse auch genutzt, um gezielt Druck in den Verhandlungen zu machen. Ich finde es daher erst mal gut, das Ruhe herrscht. Später wird möglicherweise es etwas mehr Erklärungsbedarf geben als sonst.
82286 (Profil gelöscht)
Gast
@Strolch ... und ich bin überhaupt nicht dankbar dafür, daß über den Köpfen des Wählers hinweg irgend etwas auf ein Waschbrettniveau herunter einigkeitgestimmt wird. Es ist die verdammte Pflicht aller Akteure, die Bürger zu informieren, um was es geht.
Ingo Bernable
"Damals wurden ständig Details aus den Gesprächen bekannt – die Verhandlungen endeten im Fiasko."
Beides ist wahr, nur hat das Eine mit dem Anderen weniger zu tun als heute gemeinhin behauptet wird. Die FDP dämpfte seinerzeit schon vor den Verhandlungen die Erwartungen [1] und ließ diese dann scheitern, Lindners Begründung: "Nach Wochen liegt aber heute unverändert ein Papier mit zahllosen Widersprüchen, offenen Fragen und Zielkonflikten vor. Und dort, wo es Übereinkünfte gibt, sind diese Übereinkünfte erkauft mit viel Geld der Bürger oder mit Formelkompromissen. Wir haben gelernt, dass auch durchaus gravierende Unterschiede zwischen CDU und CSU und FDP überbrückbar gewesen wären." [2] Das Problem war also offenbar ein inhaltliches und nicht, dass die Öffentlichkeit über den Fortgang der Verhandlungen informiert war und das wurde auch seinerzeit nicht als zentrales Problem in der Presse diskutiert. [3, 4]
www.liberale.de/co...itsbrei-einruehren
[2] www.zeit.de/politi...amaika-abbruch-fdp
[3] www.zeit.de/politi...aika-sondierung-ab
[4] de.wikipedia.org/w...2017#Verhandlungen
82286 (Profil gelöscht)
Gast
... da kann nichts Gutes rauskommen, wenn sich die Oberen von 3, eigentlich absolut unterschiedlichen Positionen, im Geheimen, sei es auch nur das Einverständnis für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen, einigen.
29834 (Profil gelöscht)
Gast
Sie schweigen eisern ... weil sie wissen, dass es gemeinsam gegen 95% aller anderen geht. Würden sie Politik für alle planen, müssten sie es nicht heimlich machen.
lesnmachtdumm
verschwindet auf dem Parkplatz auf dem Berliner Messegelände. Dort treffen sich SPD, Grüne und FDP ... die Armen, aufm Parkplatz. Bei deeem Wetter. Oder ist das schon die versprochene Umwidmung von Verkehrsraum ?