: Seehofer sieht „Querdenker“ doch als Gefahr
Nach dem Mord in Idar-Oberstein warnt er vor Radikalisierung. Kam Tatwaffe vom Vater des Schützen?
Von Konrad Litschko
Nun also doch: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) warnt nach der Tötung eines Tankstellenmitarbeiters in Idar-Oberstein durch einen Gegner der Maskenpflicht vor einer Radikalisierung der „Querdenker“-Szene. „Die politisch motivierte Gewalt in Deutschland durch ‚Querdenker‘ ist gefährlich für unser Land“, sagte Seehofer der Bild am Sonntag. „Die Gruppe der ‚Querdenker‘ wird zwar immer kleiner, aber leider auch immer radikaler und brutaler.“ Sie könnten „unser Land zersetzen“, wenn der Rechtsstaat sie nicht mit allen Mitteln bekämpfe.
Kurz nach der Tat hatte Seehofers Ministerium noch von Einzelfall gesprochen – wenngleich ein extremer Einzelfall. Daraus ließen sich keine „generalisierenden Rückschlüsse“ ziehen. Die Tat zeige aber „ein dramatisches Ausmaß an Verrohung in der Gesellschaft“. Mehrere Spitzenpolitiker:innen hatten bereits da vor einer Radikalisierung von Gegner:innen der Coronamaßnahmen gewarnt.
Vor gut einer Woche hat in Idar-Oberstein der 49-Jährige Mario N. den 20-jährigen Tankstellenverkäufer Alexander W. erschossen. Laut Ermittlern hatte er sich über den Hinweis geärgert, eine Maske zu tragen, war nach Hause gefahren und mit einem Revolver zurückgekehrt. In sozialen Onlinemedien hatte sich der Schütze schon länger radikal geäußert und über einen Bürgerkrieg fantasiert. Auf einem Twitter-Account folgte er verschiedenen AfD-PolitikerInnen und rechten JournalistInnen.
Ein früherer Bekannter von Mario N. schilderte der taz, dass dieser schon seit der Jugend mit Straftaten aufgefallen und für seine Aggressivität berüchtigt gewesen sei. Zudem habe auch sein Vater eine Schusswaffe besessen und damit einst seine Mutter verletzt und sich danach selber getötet. Über diesen Vorgang berichteten am Wochenende auch andere Medien, er soll sich im Frühjahr 2020 ereignet haben. Der Vater sei als Waffennarr bekannt gewesen. Es erscheint damit gut möglich, dass Mario N. seinen Revolver aus dem Fundus seines Vaters haben könnte.
Die zuständige Staatsanwaltschaft äußert sich zur Waffenherkunft bisher nicht: Dies sei Teil der Ermittlungen. Auch hieß es dort bisher, dass Mario N. nicht polizeibekannt war. Länger zurückliegende Vorstrafen gelten jedoch als verjährt und werden nicht mehr gespeichert.
Die Polizei Trier ging zuletzt auch gegen Trittbrettfahrer vor. Nach ihrer Auskunft gab es in der Region gleich mehrere Bedrohungsvorfälle. So habe ein Mann in einer Bäckerei nach einem Hinweis auf die Maskenpflicht gedroht, er könne auch eine Waffe herausholen. Einen ähnlichen Vorfall gab es in einem Supermarkt. Beide Männer erhielten Gefährderansprachen. Der Trierer Polizeipräsident Friedel Durben nannte die Bedrohungen nach der Tat in Idar-Oberstein „perfide“. „Wir gehen mit aller Konsequenz gegen solche Trittbrettfahrer vor und tolerieren diese Delikte nicht im Ansatz.“
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