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Neue Studie zur KlimaneutralitätNeue Regierung muss Tempo machen

Auch die Deutsche Energieagentur Dena hält Klimaneutralität bis 2045 für machbar. Dabei setzt sie aber stärker als andere Akteure auf Importe.

Anders als andere Szenarien sieht die Dena-Studie eine Zukunft für Gasheizungen Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin taz | Das Ziel, Deutschland bis 2045 komplett klimaneutral zu machen, ist erreichbar – aber es erfordert schnelles und entschlossenes Handeln in vielen Bereichen gleichzeitig. Das ist das Ergebnis einer ausführlichen Leitstudie der staatlichen Deutschen Energieagentur (Dena), die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. „Ein Weiter-so ist keine Option“, sagte Dena-Geschäftsführer Andreas Kuhlmann.

Dass die beschlossenen Sektorziele in den nächsten Jahren erreicht werden, sei angesichts der Versäumnisse in der Vergangenheit sehr unwahrscheinlich. Die Klimaziele für 2030 und 2045 könnten dagegen erreicht werden. „Der Fortschritt wird uns aber nicht in den Schoß fallen“, sagte Kuhlmann. „Es ist Zeit für konkretes Handeln.“ Damit dies gelinge, brauche es eine stärkere Steuerung der Klimaschutzpolitik im Kanzleramt.

Viele der Maßnahmen, die fürs Erreichen der Klimaneutralität vorgeschlagen werden, sind ähnlich wie bei vergleichbaren Studien anderer Akteure: Die installierte Leistung von Wind- und Solaranlagen muss sich bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppeln, die Zahl der Häuser, die jedes Jahr energetisch saniert werden, ebenfalls. Im Verkehr setzt die Dena bei Pkws praktisch ausschließlich auf Elektroantrieb bei gleichzeitiger Verringerung des Individualverkehrs; synthetische Kraftstoffe sollen vor allem im Schiffs- und Flugverkehr zum Einsatz kommen.

Daneben muss die Industrie beim Umstieg auf klimaneutrale Produktionsprozesse, etwa mit Hilfe von Wasserstoff unterstützt werden. Beim Kohleausstieg erwartet die Studie eine deutliche Beschleunigung. Ab 2030 dürften Kohlekraftwerke allenfalls als Reserve mit sehr geringen Laufzeiten zum Einsatz kommen.

Allerdings setzt die Dena, die bei der Erstellung der Leitstudie von rund 80 Unternehmen finanziell unterstützt wurde, die Annahmen und Schwerpunkte in einigen Punkten deutlich anders als vergleichbare Studien anderer Akteure, etwa der Stiftung Klimaneutralität und des Thinktanks Agora Energiewende. So geht die Dena-Studie von einem sehr viel umfangreicheren Import synthetischer Gase und Flüssigkraftstoffe aus: Der im Jahr 2045 benötigte Wasserstoff wird im Leitszenario der Dena-Studie nur zu 17 Prozent in Deutschland hergestellt. Die Stiftung Klimaneutralität geht dagegen von mehr als einem Drittel heimischer Produktion aus – und plant hierzulande dementsprechend einen deutlich stärkeren Ausbau von Wind und Sonne.

Auffällig ist auch, dass die Dena-Studie im Gebäudesektor weiterhin eine Zukunft für Gasheizungen sieht: Im Jahr 2045 sollen noch 7,7 Millionen Häuser mit Gas beheizt werden, das dann synthetisch aus Ökostrom hergestellt wird. Das deckt sich mit Forderungen aus der Gaswirtschaft. Andere Studien gehen dagegen davon aus, dass sich als Gebäudeheizung die elektrische Wärmepumpe weitgehend durchsetzen wird und Gas- und Ölheizungen keine Zukunft haben.

Bei der Vorstellung eines Zwischenberichts im März hatte die Organisation Lobbycontrol kritisiert, dass die Gaswirtschaft die Studie mitfinanziert. Eine mögliche Einflussnahme auf die Ergebnisse wies Kuhlmann am Donnerstag erneut zurück. Die Gutachter der zehn beteiligten Forschungsinstitute hätten völlig unabhängig von den Geldgebern gearbeitet und hielten das geschilderte Szenario für das realistischste, sagte der Dena-Chef.

Umweltverbände gehen auf Distanz

Aus der Wirtschaft, die die Studie mitfinanziert hat, gibt es dazu gemischte Reaktionen. Während der Gas-Dachverband GDVW die Studie lobte, weil sie Wasserstoff und klimaneutralen Gasen eine wichtige Rolle zuweise, wollte der Wärmepumpenhersteller Stiebel Eltron, der ebenfalls an der Finanzierung beteiligt war, die Ergebnisse am Ende genau aufgrund dieser Annahmen nicht mittragen. Für den angenommenen geringen Zuwachs bei strombetriebenen Wärmepumpen gebe es keine Begründung, sagte Geschäftsführer Kai Schiefelbein der taz.

Und auch bei den Umweltverbänden DNR, WWF, Germanwatch und FÖS, die durch die Mitarbeit in einem Beirat in die Erstellung der Dena-Leitstudie eingebunden waren, stoßen die Annahmen auf Kritik. Die Szenarien setzten „außerordentlich stark auf importierten Wasserstoff und Powerfuels zur Erreichung der Klimaziele“, schreiben sie in einer Stellungnahme – und zwar obwohl die Studie zeige, dass dieser Weg sowohl teurer als auch primärenergieaufwändiger wäre als die stärkere direkte Nutzung von Strom.

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5 Kommentare

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  • ": Neue Regierung muss Tempo machen "



    Naja, sie müsste sich theoretisch an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts halten. Aber: gemach, gemach. Papier ist geduldig und die Mühlen malen zum Glück der Regierung langsam. Viel Handhabe hat das Gericht sowieso nicht ... Ansonsten stimmte der Großteil der zur Wahl zugelassenen deutschen Bürger*innen mindestens zu 45,9 % bzw. eigentlich einschließlich mit der SPD 68,6 % gegen konsequente Klimapolitik ... und das auch nur, wenn mensch den Parteien Die Linke und Die Grünen mehr Klimapolitik zu billigt, als jene es vorhaben. Vergleiche dazu die Kritik aus der Klimabewegung an Parteien und Wahlprogrammen, die demnach keine ausreichende Programme hinsichtlich des Einhaltens des Klimaziels von 1,5 ° C vorgelegt haben. Die sowieso großen Teilen "der Wirtschaft" (=der Reichen) zugewandte Parteien können an sich auf einen leicht zu deuteten Wähler*innenwillen zurückziehen und sagen, dass die Wähler*innen konsequente Klimapolitik doch eigentlich gar nicht wollten - sonst hätten sie anders gewählt und sonst würden sie selbst auch wesentlich ökologischer handeln (keine Urlaubsflüge, Auto stehen lassen/abschaffen, vegan werden ....) ...

    • @Uranus:

      Ihre Analyse des Wählerverhaltens ist goldrichtig.

      Und wenn der gleichzeitige Ausstieg aus Kohle- und Atomstrom den ersten großflächigen Blackout hervorgebracht hat, werden die Wähler, die ihn überleben, die konsequente Klimapolitik noch weniger befürworten.

      Aber machen Sie sich nichts draus. Das Klima kratzt es sowieso nicht, wenn Deutschland ein paar Kohlekraftwerke abschafft und währenddessen anderswo ein Mehrfaches an neuen Kohlekraftwerken in Betrieb genommen wird. Wir werden uns auf die Erderwärmung eben einstellen müssen.

      • @Budzylein:

        Ich mache mir schon was draus. Je nachdem wie gehandelt wird, läuft das ganze nämliche schneller und heftiger, ab als Sie es hier so lax anklingen lassen. Es sind ja nicht nur ein paar Zehntel bis ein paar Grad Temperaturveränderung nach oben, sondern Klimakatastrophe bedeutet, dass ökologischen Katastrophen ausgelöst werden, auf die politische Katastrophen folgen. Das wird womöglich noch Sie und mich betreffen umso wahrscheinlicher jüngere Menschen und auf jeden Fall unzählige Tiere. Das wird "äußerst ungemütlich" und ich möchte nicht dazu beitragen Anderen diesem auszusetzen.

  • Kurz zusammengefasst beschreiben doch diese und viele andere Studien ein Paradoxon: In riesigem Ausmaß sollen industriell Produkte hergestellt, Gebäude saniert und parallel die Windkraft immens ausgebaut werden. Für die Windkraftseite wie auch die anderen Energieerzeugungsarten, Solarthermie und Photovoltaik ist politisch kein im Sinne einer Klimaneutralität nennenswerter Fortschritt zu erwarten. Der gigantische Umbau der Verbrennermotor-Fahrzeugindustrie auf Batteriebetrieb ist ebenfalls eher entropisch. Die Gebäudesanierung führt schon seit Jahren zu zukünftigen Sondermülldeponien aus Dämmstoffen und Gipskarton. Die Strommengen für sowohl Mobilität als auch Wärme und Industrieproduktion auf heutigem und noch steigendem Niveau, Wasserstoff hin oder her ist nicht klimaneutral zu haben.



    Weniger Energie und Ressourcen zu verbrauchen steht gar nicht im Fokus und würde auch unserer Art zu wirtschaften völlig entgegenstehen. China, Indien, Südamerika und der afrikanische Kontinent haben im Grunde gerade erst angefangen, so richtig hinzulangen, und Europa und Nordamerika steht es nicht zu, Ihnen das zu verwehren. Die Studien zur möglichen Klimaneutralität nehmen leider viel zu optimistisch Grundbedingungen an. Klimawandel-Folgen-Bewältigung ist mit dem Ressourcenverbrauch, den wir Menschen nicht zu reduzieren bereit sind, das Forschungsthema Nummer 1, glaube ich.

    • @Christian Götz:

      Ja, die Klimawandel-Folgenbewältigung sollte das wichtigste Thema der Klimaforschung sein. Zurzeit ist er das aber nicht. Man gibt sich hier lieber weiterhin der Illusion hin, dass der Klimawandel mit irgendwelchen Wundermitteln einfach aufgehalten werden kann. Bezeichnend ist die im Artikel zitierte Forderung "Die installierte Leistung von Wind- und Solaranlagen muss sich bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppeln ...". Die installierte Leistung ist nicht der entscheidende Wert; wichtig ist die tatsächlich erzielte Leistung, und die ist wesentlich geringer als die installierte und hängt von Faktoren ab, die nicht steuerbar sind. Das Wasser fließt nur aus der Leitung, wenn es Strom gibt, und nicht, wenn bei Windstille noch mehr Windkraftanlagen stillstehen.