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Die Wahl für Er­b:in­nenVermögende bleiben verschont

Erbschaft verschärft die Ungleichheit bei Vermögen. Trotzdem traut sich die Politik nicht an eine Reform der Erbschaftssteuer.

Wer hat, dem wird gegeben: Besserverdiener erben oft auch mehr Foto: Gerhard Leber/imago

Berlin taz | Über die Einkommensteuer wird im Wahlkampf immerhin diskutiert. Grüne und Linke wollen Spit­zen­ver­die­ne­r*in­nen stärker zur Kasse bitten; die SPD plant, den Höchstsatz früher greifen zu lassen, die FDP später. Nur CDU/CSU wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Wenn es um Ungleichheit geht, ist die Einkommensspreizung hierzulande aber gar nicht das zentrale Problem. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bei der Einkommensungleichheit knapp unter dem EU-Durchschnitt. Das viel größere Problem ist hierzulande die Vermögensungleichheit.

Das reichste Prozent der Bevölkerung besitzt rund ein Drittel des Gesamtvermögens, den wohlhabendsten 10 Prozent gehören fast zwei Drittel. Die untere Hälfte hingegen besitzt praktisch nichts. Dennoch sehen die im Bundestag vertretenen Parteien nur wenig Notwendigkeit, diese Ungleichheit wesentlich zu ändern.

Eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer lehnen CDU/CSU, FDP und AfD ab. Ihr Argument: Sie hemme die Wirtschaft. SPD und Grüne haben sich zwar für eine Wiedereinführung ausgesprochen. Die SPD plädiert in ihrem Wahlprogramm für einen einheitlichen Steuersatz von 1 Prozent für „sehr hohe Vermögen“. Gleichzeitig soll es aber hohe Freibeträge geben. Wie hoch – das beantwortet sie nicht. Die Grünen sprechen sich für eine Vermögenssteuer oberhalb von 2 Millionen Euro pro Person aus, die aber lediglich bei 1 Prozent im Jahr liegt. Am weitesten gehen noch die Linken. Mit einem Freibetrag von 1 Million Euro fordern sie einen dann beginnenden Steuersatz von 1 Prozent. „Alle zielen mit ihren Maßnahmen auf das obere Prozent“, kritisiert die Jenaer Soziologin Silke van Dyk. „Eine gerechte Gesellschaft baut man aber nicht, indem man ein paar Superreiche etwas stärker besteuert.“

Bliebe noch die Erbschaftsteuer. An eine Reform Letzterer wagt sich jedoch keine der Parteien wirklich heran. Woran es bei der derzeitigen Regelung hakt, sind die hohen Freibeträge. Jedes Elternteil kann jedem seiner Kinder bis zu 400.000 Euro steuerfrei vererben. Hinzu kommen zahlreiche Ausnahmeregelungen. In der Realität fällt für die meisten Erbenden nur wenig Erbschaftsteuer an. Dem Statistischen Bundesamt zufolge zahlten die Bun­des­bür­ge­r*in­nen im vergangenen Jahr auf Erbschaften und Schenkungen in Höhe von 84,4 Milliarden Euro rund 8,5 Milliarden Euro Steuern.

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Das Problem: Wie viel insgesamt vererbt wurde, wissen die Statistiker gar nicht genau. Denn die meisten Erbschaften lagen unterhalb der hohen Freibeträge, sie tauchen in den Zahlen der Finanzverwaltungen also gar nicht erst auf. Und auch bis zu 85 Prozent der Betriebsvermögen bleiben von der Erbschaftsteuer verschont. Wie hoch die Summe aller Vermögensübergänge ist, kann daher nur grob geschätzt werden: Bis zu 400 Milliarden Euro im Jahr wird vermutet.

Die SPD hält die derzeitige Regelung der Erbschaftsteuer für „ungerecht“, „da sie vermögende Unternehmenserben bevorzugt“. Konkret wird sie aber nicht. Im Grünen-Wahlprogramm taucht die Erbschaftssteuer gar nicht erst auf. Und auch im Programm der Linken heißt es lediglich, sie wolle Erbschaften „stärker besteuern“. Union und FDP lehnen eine Reform ab. Acht Prozent auf alles, fordert Ökonom Clemens Fuest vom ifo Institut im Handelsblatt und zieht eine höhere Erbschaftsteuer auch einer Vermögenssteuer vor. Die Erbschaftsteuer muss einmal ermittelt werden, die Vermögenssteuer jedes Jahr. „Das wäre die einfachste und gerechteste Lösung.“

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13 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "....den wohlhabendsten 10 Prozent gehören fast zwei Drittel. "

    Dafür bekommen wir doch alle 0 % Zinsen!



    Ich habe Verständnis für Menschen, die nicht mehr zur Wahl gehen.

  • Doppelte Besteuerung: Ich arbeite, zahle vom Lohn Steuern und kaufe mir von dem Rest etwas. Die Person, der ich was abkaufe, ein Brötchen oder so, hat dann was verdient und muss davon wieder Steuern bezahlen. Ist das dann auch eine doppelte Besteuerung? Ich hatte das Geld doch schon einmal versteuert! (Von den Verbrauch-, Umsatz- und Mehrwertsteuern mal abgesehen – also 3 x versteuert.) Der Unterschied zum Erben: Bin mit dem Bäcker vielleicht nicht verwandt, und wir beide haben für das Geld gearbeitet. Hinter dem Argument mit der doppelten Besteuerung steckt keine Logik, sondern der politische Wille, dass sich an der Verteilung von Geld und damit Macht und Lebenschancen nichts ändern soll. Wer Vermögen durchs Erben bekommt, soll das mindestens so hoch versteuern wie Einkünfte durch Arbeit – und wozu Freibeträge? Eigentlich müsste es viel höher besteuert werden, schließlich muss man fürs Erbe nicht selbst arbeiten.

    • @H. Hardenberg:

      Sie verwechseln Einkommenssteuern mit Verbrauchssteuern. Das hat nichts miteinander zu tun.

  • Wenn sie schon mit Zahlen um sich werfen:



    1) Die "oberen" 50% zahlen bereits 93% der Einkommenssteuer, die unteren 50% zahlen 7%.



    Sollen nun die "oberen" 50% alleine Steuern zahlen?



    Meinetwegen, auf die 7% kommt es nun auch nicht mehr an.



    Aber bereits versteuertes Geld als Erbschaftssteuer nochmals zu versteuern oder davon Vermögenssteuer zu nehmen empfinde ich als zu tiefst ungerecht.

  • Niemand in diesem Land wird es je wagen an die Besitzverhältnisse heran zu gehen!

  • Erbschaftsteuer ist eine doppelte Besteuerung und somit unfair und Unsinn. Der richtige Weg ist direkt den Lohn bzw. das Einkommen zu besteuern.

    • @Markus Blohm:

      Da mein Einkommen schon versteuert wurde, muss also alles, was ich damit kaufe, steuerfrei sein? Mehrwertsteuer, Umsatzsteuer etc. wären also illegal? Interessanter Ansatz ...

      • @Grummelpummel:

        Einkommenssteuern und Verbrauchssteuern haben rein gar nichts miteinander zu tun.

    • @Markus Blohm:

      Erbschaft ist bezogen auf das Individuum "Erbe" auch nur Einkommen.

  • Es ist peinlich für die FDP, das sie hier nicht klar macht, daß man Erbschaftssteuer statt Einkommensteuer haben sollte.



    Einkommen hat oft etwas mit Leistung zu tun, "erben" eher nicht.

    • @Paul Rabe:

      Aber irgendwann hat jemand das Vermögen erwirtschaftet mit Geld, auf was bereits Einkommenssteuer gezahlt wurde. Somit wird das doppelt besteuert, was nicht geht!

      • @Pilatus333:

        Auf das erwirtschaftete Vermögen bzw. einen Teil davon wurde unter Umständen "nur" Abgeltungssteuer gezahlt. Nach Ihrer Argumentation müsste dann irgendwie die Differenz zum persönlichen Steuersatz ausgeglichen werden.

        Oder man verlässt diesen Pfad und schaut, wie bei Steuern üblich, auf das Individuum - hier den "Erben", für welches dieses Erbe ein Einkommen darstellt. Und besteuert dieses.

        • @Pepun:

          Das Erben einem Einkommenserwerb gleichzusetzen, klingt nur in einem Fall auf den ersten Blick gut: wenn Bargeld vererbt wird. Doch wie sieht es mit einem Haus, einem Unternehmen aus? Soll dann dieses verkauft werden müssen, um die Steuer zahlen zu können? das ist das Problem und auch der große Unterschied zu einem Einkommen.