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Bremen verkauft Jacobs University„Atmosphäre der Angst“

Die private Jacobs University Bremen wird an eine gerade erst gegründete Schweizer IT-Hochschule verkauft. Die Lehrenden sind alarmiert.

Hat schon viele Pläne hinter sich: die Privatuni in Bremen Foto: Eckhard Stengel / imago

Bremen taz | Der rot-grün-rote Bremer Senat verkauft die örtliche Jacobs University (JUB) mehrheitlich an das 2019 gegründete Schweizer „Schaffhausen Institute of Technology“ (SIT). Das hat die Landesregierung am Dienstag beschlossen. Heute soll zuerst der Wissenschaftsausschuss des Parlaments zustimmen, dann der Vertrag mit dem Investor Serguei Beloussov unterschrieben werden.

Der hat der klammen Privat-Universität bis zu 4.500 Studienplätze und 50 Millionen Euro versprochen. Zuletzt waren schon offiziell verkündete Pläne gescheitert, die JUB zu einem Zentrum für künstliche Intelligenz gesundzuschrumpfen, mit Hilfe des deutschen Software-Riesen SAP und des chinesischen Software-Entwicklers Neusoft. Nun musste bis Ende September ein neuer Investor gefunden werden.

„Diese Lösung ist gar nicht so schlecht“, sagt Antonio Loprieno, der bis Ende des vergangenen Jahres noch Präsident der Jacobs University war und Präsident des Europäischen Verbunds der Akademien der Wissenschaften ist. Sie entlässt Bremen aus der finanziellen Verantwortung für die JUB, wie es in Bremen parteiübergreifend gefordert wird, und eröffnet die Chance, dass daraus doch noch eine rentable Institution wird.

Nur: „Die Idee, dass es in Deutschland eine rein private, aber zugleich philantropisch geführte Voll-Universität geben kann, ist damit radikal erschüttert“, sagt Loprieno, der an der Uni Basel lehrt. Genau das aber war 1999 das Gründungsversprechen der International University Bremen – und der damals regierenden großen Koalition. Heute sagt der Senat ganz klar: Eine weitere Finanzierung der JUB mit öffentlichen Mitteln sei „ausgeschlossen“. Sie beschäftigt derzeit 420 Mit­ar­bei­te­r:in­nen.

Doch selbst die oft als Vorbild gehandelte Privat-Universität in Witten-Herdecke bekam 2019 rund elf Millionen Euro vom Land Nordrhein-Westfalen. 2024 sollen es über 18 Millionen Euro sein. Bremen steckte einst 110 Millionen Euro Anschubfinanzierung in sein Prestigeprojekt, später mussten noch mal 50 Millionen Euro eingeschossen werden. 2007 stieg die Stiftung der Kaffee-Erben Jacobs mit 200 Millionen Euro als Investor ein. 2020 gab die Jacobs Foundation ihre Anteile zurück.

Geschäfte machen mit Bildung

Beloussov, der selbst in Computerwissenschaften promoviert hat, „habe mit Sicherheit ein Verständnis für Wissenschaft“, sagt Loprieno, „aber er ist eben auch ein Geschäftsmann.“ Der 1971 in Leningrad geborene und heute in Singapur lebende Investor will mit der JUB langfristig Geld verdienen. Sein Vermögen verdankt er der 2003 gegründeten Firma Acronis, die IT-Sicherheitssoftware verkauft und 1.600 Leute beschäftigt.

Er wird das bislang sehr breit gefächerte Fächerangebot der auch in der Forschung mittlerweile sehr renommierten JUB auf das fokussieren, was mit den Stichworten „künstliche Intelligenz“, „Mensch-Maschine-Interaktion“ und „Quantum Computing“ auch vom Senat eher benannt als erklärt wird.

Das SIT ist bislang „eher ein Projekt, denn eine Realität“, sagt unterdessen Loprieno, es habe sich bisher – zumal in der Pandemie – nicht etablieren können. Und das staatlich finanzierte Schweizer Wissenschaftssystem reagiere „sehr allergisch auf Interventionen von außen“ wie die von Beloussov. „Er hat es schwer in der Schweiz“, sagt Loprieno – in Bremen hingegen muss er mit seiner IT-Hochschule nicht auf der grünen Wiese neu anfangen.

In der JUB selbst reagiert man kritisch auf die Ankündigungen: „Bremen hat sein Ziel erreicht, uns loszuwerden“, sagt ein Professor, der nicht genannt werden will. Andere machen im Gespräch klar, dass sie angesichts der anhaltenden Unsicherheit „an einem eigenen Plan B“ arbeiten, reden von einer „Atmosphäre der Angst“, die auf dem Campus herrsche, oder sind „enttäuscht“ von der Uni-Leitung und vor allem von der örtlichen Politik. „Niemand denkt an uns“, sagt eine Professorin, die schon lange dort arbeitet.

Sicher ist nur, dass der Senat die Lehrenden, Mit­ar­bei­te­r:in­nen und Studierenden bisher gar nicht in seine Planung miteinbezogen hat – sie erfahren es alle aus den örtlichen Medien. „Wir fordern, dass die JUB eine Universität mit Promotionsrecht, Forschung und akkreditierten Studiengängen bleibt“, heißt es aus dem Fakultätsrat, der Vertretung der Lehrenden. „Wir erwarten, dass wir dieses Mal an den Entscheidungsprozessen zur strategischen Neuausrichtung unserer Universität beteiligt werden.“

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2 Kommentare

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  • Ein Fakultätsrat, der fordert, „dass die JUB eine Universität mit Promotionsrecht, Forschung und akkreditierten Studiengängen bleibt", beweist aus folgenden Gründen, dass er keine Ahnung hat:

    1. Akkreditierte Studiengänge sind eine Voraussetzung für die staatliche Genehmigung für alle Hochschulen, nicht nur Universitäten. Es ist überflüssig, das zu fordern - es sei denn, man will beweisen, dass man an einer Uni arbeitet, die sich jahrelang ohne Akkreditierungen durchgemogelt hat.

    2. Die JUB hat nie das Promotionsrecht gehabt. Sie vergibt nur „PhD"-Abschlüsse, die dann in Deutschland von den Absolventen einzeln und gesondert anerkannt werden müssen. Jetzt zu fordern, ein Recht zu behalten, was man nie gehabt hat, ist entweder frech oder dumm.

    Der Fakultätsrat kann glücklich über diese Lösung sein - und darüber, dass die Bremer Steuerzahler diese Uni überhaupt so lange erhalten haben.

  • Bremen hat einen Wissenschaftsstandort versenkt aus purer Ideologie, weil dort der Versuch entstand, ohne Gelder des Staates etwas auf die Beine zu stellen.

    Die Studenten der Fachrichtungen der JU werden Bremen zukünftig den Rücken kehren. Für einen eingeschränkten IT Schwerpunkt wird die JU nur ein Durchlauferhitzer für Jobs in anderen Städten sein.

    Mit ein wenig mehr PPP hätte aus der JU ein schönes Ding werden können, wo man mit wesentlich weniger öffentlichen Geldern mehr als an der Universität Bremen hätte erreichen können.