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„Gestärkt aus der Krise herauskommen“

Nothilfefonds stützen während der Pandemie viele Produzenten im fairen Handel. Doch geht der Blick weiter nach vorne: Politik muss handeln, damit „fair“ Standard wird

Eine halbe Million Menschen aus rund 60 Ländern haben profitiert

Von Dierk Jensen

„Tolle Aktion“, zieht Stefanie Krass vom Weltladen-Dachverband ein rundum positives Fazit zu der „aktion #fairwertsteuer“. Die Kampagne des Dachverbandes basierte auf einer Idee von Hans-Christoph Bill, bei der die Differenz der über sechs Monate von 19 auf 16 Prozent abgesenkten Mehrwertsteuer den durch Corona betroffenen Produzenten weitergereicht wurde. Am Ende flossen bei der im Sommer 2020 gestarteten Aktion bis März dieses Jahres – zusammen mit Spenden von Weltläden und Einzelpersonen – rund 530.000 Euro in einen Topf, der inzwischen an 124 Handelspartnern aus 28 Ländern „gerecht“ verteilt worden ist. Lebensmittel, Masken und tausend andere Dinge sind damit in der Not finanziert worden. In welchen dramatisch-traurigen Situationen sich dabei viele Partner in Zeiten der Pandemie befinden, zeige auch ein Beispiel aus Peru, wo das vom Weltladen-Dachverband transferierte Geld für die Beerdigung von Mitarbeitern und Familienangehörigen verwendet wurde, wie Stefanie Krass verrät.

Für die Betriebswirtin, die die aufwendige Kampagne koordinierte, ist der Transfer letztlich ein starker Ausdruck der gewachsenen Solidarität zwischen den Partnern im fairen Handel. Es soll aber auf gar keinen Fall zu einem Dauerzustand werden. „Denn uns gibt es ja nicht, um Spenden zu transferieren, sondern um Produkte zu verkaufen“, unterstreicht die Betriebswirtin das eigentliche Selbstverständnis des Weltladen-Dachverbands und setzt auf eine Post-Corona-Phase: „Ich denke, wir werden als fairer Handel gestärkt aus der Krise herauskommen. Und ich stelle fest, dass die internationalen Beziehungen noch intensiver geworden sind.“

Den Optimismus von Krass teilt Marcelo Crescenti, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von Fairtrade Deutschland, gerne; obgleich er darauf hinweist, dass es im letzten Jahr nach vielen Jahren, genauer gesagt nach 14 Jahren, in Deutschland erstmals einen Umsatzrückgang zu verzeichnen gab. Und zwar um 5 Prozent, sodass im Jahr 2020 die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland „nur“ 1,9 Milliarden Euro für Fair-Trade-Produkte ausgaben. „Corona ging auch an Fair Trade nicht spurlos vorbei, doch der Zuspruch seitens Verbraucher, Lizenz- und Handelspartner bleibt ungebrochen. Deshalb sind wir zuversichtlich, dass wir die Coronadelle schnell glätten“, versuchte Dieter Overath, Vorstandsvorsitzender von TransFair e. V. (Fairtrade Deutschland) den vermeldeten Rückgang zu relativieren. Overath unterstrich vielmehr: „Die Produzentenorganisationen im Globalen Süden brauchen fairen Handel mehr denn je. Fairtrade Deutschland hat seinerseits die Unterstützung in der Krise durch den Coronahilfsfonds massiv ausgebaut.“

Von daher überrascht es nicht, dass die Akteure von Fairtrade sehr dankbar dafür sind, dass für Nothilfe und Resilienz – neben Mitteln aus dem globalen Fair-Trade-Netzwerk – auch vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 2021 viele Millionen Euro kamen, von denen eine halbe Million Menschen aus rund 60 Ländern profitiert haben.

Dennoch: Die Pandemie ist gerade in den Ländern des Südens längst nicht vorbei. Vielfach ist die Produktion noch gedrosselt, während die Logistikkosten gleichzeitig dramatisch in die Höhe schnellen und damit die Preise verteuern. Und weil auch die Politik sich vor dieser zuspitzenden Not nicht wegducken kann, überwies das BMZ noch mal einen weiteren Beitrag in Höhe von 7,1 Millionen Euro für eine zweite Tranche im Rahmen der sogenannten Soforthilfe. „Die Coronapandemie trifft die Ärmsten der Armen in den Entwicklungsländern am härtesten. Hunger, Armut und Arbeitslosigkeit steigen dramatisch an. Mit der Covid-19-Soforthilfe für den fairen Handel unterstützen wir Kleinbauern und Kooperativen mit insgesamt 19,5 Millionen Euro, damit sie die Produktion auch in der Krise fortsetzen und so Ernährung für Hunderttausende Menschen sicherstellen können“, ist der zuständige Minister Gerd Müller überzeugt. Damit sollen, so zumindest die Hoffnung in den Reihen des BMZ, „nach einer ersten Phase der Nothilfe auch Maßnahmen zur Steigerung der Resilienz bei den Kleinbäuerinnen und -bauern finanziert und weitere Länder bei der Bekämpfung der Folgen der Pandemie aufgenommen werden. Bis Mitte 2022 sollen somit 700.000 Kleinbäuerinnen und -bauern in bis zu 36 Ländern schnell, unbürokratisch und wirkungsvoll unterstützt werden.“

Das ist ganz im Sinne von Dieter Overath. Er begrüßt deshalb ausdrücklich die finanzielle Aufstockung seitens des Staates, die seiner Ansicht nach vielen Kleinbäuerinnen durch die Krise helfen würde. Ob damit aber wirklich ein „Fairer Aufbruch jetzt“, wie ihn Overath und seine Mitstreiterinnen kurz vor der Bundestagswahl fordern – und damit fairen Handel in großem Maßstab meinen –, wirklich kreiert wird, bleibt jedoch fraglich.

Oder es gibt tatsächlich einen unerwartet großen Bewusstseinswandel in Gesellschaft und Politik, bei dem der Druck auf die Regierenden nicht nur hierzulande, sondern auch in Paris, Madrid, Peking, London und sonst wo derart groß wird, dass Lieferketten, Löhne und Einkommen so gestaltet sind, dass weltweit Menschenrechte eingehalten werden; und nicht nur als Absichtserklärung – wie so oft in der Vergangenheit – verkümmern. „Seid realistisch, fordert das Unmögliche“ hieß schon mal eine Parole vor rund einem halben Jahrhundert.

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