UN-Resolution zu Afghanistan: Heißluftnummer Sicherheitszone
Frankreichs Präsident Macron scheitert mit seinem Vorschlag für eine „Sicherheitszone“ in Afghanistan. Der Begriff stößt auf Skepsis.
Zudem müsse der „vollständige, sichere und ungehinderte“ Zugang für humanitäre Hilfslieferungen gewährleistet werden, heißt es in der Resolution. Der Sicherheitsrat betont, es sei „notwendig, die Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten zu bewahren“, und mahnt eine „inklusive“, politische Lösung bei der Bildung der künftigen Regierung des Landes an. Afghanistan dürfe nicht „benutzt werden, um ein anderes Land zu bedrohen oder anzugreifen oder Terroristen zu schützen oder sie auszubilden“.
13 der 15 UN-Ratsmitglieder stimmten für die Resolution. Nur die beiden Vetomächte Russland und China enthielten sich bei der Abstimmung. Der russische UN-Botschafter begründete seine Enthaltung damit, dass der Resolutionstext weder auf den von flüchtenden afghanischen Fachkräften ausgelösten „Braindrain“ eingehe noch auf die „schädlichen Auswirkungen“ des Einfrierens afghanischer Vermögenswerte durch westliche Staaten. Die chinesische Regierung bezeichnete die chaotische Lage in Afghanistan als direkte Folge des „ungeordneten Abzugs“ der westlichen Staaten aus dem Land
Die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorab geforderte „Sicherheitszone für Kabul unter UN-Kontrolle“, die eine Fortsetzung humanitärer Operationen ermöglichen soll, wird in dem Beschluss des Sicherheitsrates nicht erwähnt. Denn der dazu von Frankreich gemeinsam mit Großbritannien eingebrachte Resolutionsenwurf stieß nicht nur bei den beiden Vetomächten Russland und China auf erhebliche Bedenken, sondern auch bei anderen Ratsmitgliedern.
Schlechte Erfahrungen mit „Sicherheitszonen“
Zum einen ist unklar, gegen wen und durch wen die Sicherheitszone gegebenenfalls durchgesetzt werden müsste. Selbst wenn die Taliban sich vollständig an ihre Zusage halten sollten, besteht die Gefahr von Anschlägen des afghanischen Ablegers des „Islamischen Staates“ ISK oder anderer mit den Taliban verfeindeter Akteure gegen humanitäre Hilfslieferungen. Und das nicht nur in Kabul, sondern im ganzen Land.
Allen Beteiligten an der Debatte im Sicherheitsrat war zudem klar, dass nach dem Desaster der letzten militärischen Intervention in Afghanistan vorläufig kein UN-Mitgliedsstaat bereit sein dürfte, sich mit SoldatInnen oder anderen Ressourcen an einer Mission zur Überwachung und Durchsetzung einer „Sicherheitszone“ zu beteiligen. Angesichts dieser Realitäten war Macrons Vorschlag für eine solche Zone eine populistische Heißluftnummer und die Vorstellung ihrer „Kontrolle durch die UN“ reine Fiktion. Macron habe die Idee einer „sicheren Zone übertrieben dargestellt oder zumindest nicht sehr klar kommuniziert“, kritisierte Richard Gowan, UN-Experte bei der International Crisis Group.
In der Peacekeeping-Abteilung im New Yorker UN-Hauptquartier, die diese Kontrolle nach einem entsprechenden Beschluss des Sicherheitsrates hätte koordinieren müssen, gibt es zudem Bedenken gegen den Begriff „Sicherheitszone“.
Zum einen, weil der türkische Präsident Erdoğan mit der erklärten Zielsetzung, eine „Sicherheitszone“ zu schaffen, die KurdInnen aus Nordsyrien gewaltsam durch seine Streitkräfte vertreiben lässt – um dort künftig arabischstämmige syrische Flüchtlinge anzusiedeln. Die Erklärung einer „Sicherheitszone“ kann also zum Vorwand für militärisches Durchgreifen werden.
Zum andern ist in der Peacekeeping-Abteilung der UN die bittere Erfahrung aus dem Bosnienkrieg der 90er Jahre nicht vergessen. Damals deklarierte der Sicherheitsrat die bosnische Hauptstadt Sarajevo sowie Srebrenica und drei weitere von Milizen der serbischen NationalistInnen belagerte Städte zwar nicht als „Sicherheitszonen“, sondern als sogenannte Schutzzonen. Doch auch das geschah mit dem erklärten Ziel, humanitäre Lieferungen durchzusetzen und diese Zonen gegen Angriffe von außen zu schützen. Doch im Juli 1995 ließen die Hauptmächte des Sicherheitsrates dennoch zu, dass die Schutzzone Srebrenica von serbischen Angreifern erobert und rund 8.000 ihrer muslimischen Bewohner ermordet wurden.
Gespräche mit den Taliban
Laut Nachrichtenagentur reuters ist die Bundesregierung derweil im Gespräch mit europäischen Partnern, um nach einem Weg für reguläre Kontakte mit den Taliban in Kabul zu suchen. Man müsse schauen, „wie können wir mit den Taliban sprechen“, sagte Bundeskanzlerin Merkel in Berlin.
Auch die USA wollen mit den Taliban verhandeln. US-Außenminister Antony Blinken kündigte eine mögliche Zusammenarbeit mit der neuen afghanischen Regierung an. „Wenn wir auf eine Weise zusammenarbeiten können, die unsere nationalen Interessen sichert, dann werden wir es tun“, sagte Blinken. Man habe derweil die diplomatischen Aktivitäten angesichts der unsicheren Sicherheitslage nach Doha in Katar verlegt.
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