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Fingerabdruck für PersonalausweisVon wegen sicherer

Kommentar von Svenja Bergt

Der Personalausweis soll mit Fingerabdruck fälschungssicherer werden. Das ist mindestens überflüssig.

Verrät ganz schön viel: Der Zeigefinger eines Menschen Foto: diggi/imago

A b dieser Woche ist es so weit: Wer einen neuen Personalausweis beantragt, muss künftig im Bürgeramt beide Zeigefinger auf einen Scanner halten – Abnahme der Fingerabdrücke. Die liegen dann gemeinsam mit dem biometrischen Foto auf einem Chip im Ausweis. Die Regelung gilt EU-weit für neu ausgestellte Reisedokumente.

Es ist ein Beispiel dafür, wie faktenresistente Po­li­ti­ke­r:in­nen mit neuen Überwachungsmechanismen für ein vermeintliches Mehr an Sicherheit sorgen wollen. Denn das Argument für die Fingerabdrücke lautete stets: Der Ausweis soll fälschungssicherer werden.

Es wäre schwierig, sich dem zu verschließen, hätte das Dokument das Sicherheitsniveau eines – sagen wir – Impfpasses. Hat es aber nicht. Im Gegenteil. Zumindest was den deutschen Personalausweis angeht, ist er so schwer zu fälschen, dass es in der Regel gar nicht erst versucht wird. Das Innenministerium zählte laut Deutscher Welle in den vergangenen Jahren jeweils nur wenige Dutzend Versuche.

Mag sein, dass das Fälschen bei Dokumenten aus anderen europäischen Ländern einfacher ist – aber dann gäbe es hier noch auf anderen Wegen Potenzial, die Sicherheit zu erhöhen. Das präventive Erfassen der Fingerabdrücke von Millionen Bür­ge­r:in­nen trägt jedenfalls nicht dazu bei, die Menschen besser zu schützen.

Denn biometrische Daten wie Fingerabdrücke, die Iris oder auch der Herzrhythmus, haben eines gemeinsam: Man kann sie nicht einfach ändern, wie etwa ein Passwort. Sind die Daten erst einmal abgegriffen, in falsche Hände gelangt, lassen sie sich nicht wieder zurückholen. Das ist auch deshalb von Bedeutung, weil biometrische Daten immer häufiger zur Authentifizierung eingesetzt werden – beim Entsperren des Smartphones oder Laptops, als Zugangsvoraussetzung zum Betriebsgelände und auch schon zur ersten Wohnung.

Nun bleibt, wie so oft, wenn es um Bürgerrechte geht, nur das letzte Mittel: der Rechtsweg. Das ist frustrierend. Und es bestärkt jene, die sich angesichts von immer mehr gesammelten Daten auf allen Ebenen in dem Gefühl von Machtlosigkeit einrichten.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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8 Kommentare

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  • Gestern früh dachte ich, die Franzosen hätten mal wieder eine "connerie" mit den Fingerabdrücken im Personalausweis als Alleingang gemacht...



    Nun muss ich mit Erschrecken feststellen, dass das europäischer Schwachsinn ist!



    Big brother - wo soll das alles enden?

  • Es geht nicht um Fälschungssicherheit. Es geht um unsere Fingerabdrücke. Von daher sind die Politiker nicht lernresistent. Sie lernen nur etwas anderes als wir wahrhaben wollen.

  • Würde die taz den Unterschied zwischen Fälschung und Identitätsbetrug kennen, könnte dieser Artikel auch ernst genommen werden. Aber dasselbe Band wie alle anderen rauf- und runterzuspielen und alles mit denselben abgedroschenen Klischees abzuwerten ist inzwischen wohl moderne Berichterstattung.

    Jetzt stell sich mal einer vor, die Daten des Fingerabdrucks kämen durch eine "Panne" in die falschen Hände. Dann war das jahrzehntelange Tragen meiner Dauerlatexhandschuhe ja völlig umsonst! Oh nein, was mache ich jetzt?



    Liebe taz, die Technik schreitet voran. Die Zeiten von Silikonfingern mit aufklebten, künstlichen Abdrücken, die ein Smartphone entsperren, sind vorbei. Das klappt schon bei aktuellen Smartphones nicht mehr.

    Im Ausweis sind zwei Abdrücke hinterlegt. In der S-Bahn heute morgen habe ich auf jeden Fall mehr hinterlassen (hab meine Latexdinger mal kurz ausgezogen). Letzte Woche im Restaurant hätte ich sie vom Trinkglas abfotografieren können. Da hätten vllt. zwei gefehlt!

    Mal ganz davon abgesehen, dass dieses Merkmal seit nun 14 Jahren im Reisepass hinterlegt ist und auch schon einige Zeit freiwillig im PA aufgenommen wurde, ist der Joker bzgl. Datenschutz schon gescheitert, bevor er gespielt werden kann.

    Danke für eure Aufklärung, aber ich nehme dann lieber doch die mit der Wahrheit als Beilage.

  • In Bezug auf Fälschungssicherheit sollte man zudem nicht nur auf die Ausweise schauen, sondern auch auf die Fingerabdrücke selbst, denn die abzugreifen und zu reproduzieren ist mit ein wenig Aufwand und haushaltsüblichen Materialien relativ einfach möglich. Der CCC zeigte das schon 2008 und das Bundesinnenministerium das seinerzeit den E-Pass plante interessierte das schon damals nicht.



    www.ccc.de/de/upda...8/schaubles-finger

  • Ist denn der Personalausweis ein anerkanntes Grenzübertrittsdokument? Wofür braucht man dieses Ding eigentlich, Reisepass genügt doch?

  • Wenn die Risiken des Fingerabdrucks im Perso in keinem Verhältnis zu den Risiken stehen - wieso wird es dann gemacht?

    Erstens, weil Politiker auch nicht besser Bescheid wissen als andere Menschen. Digital ist immer gut, ist immer smart, ist die Zukunft, also mehr davon und möglichst überall.

    Zweitens gibt es ja auch eine Industrie, die von der Digitalisierung profitiert. Die hat leichtes Spiel, eben weil diese Gesellschaft keine Ahnung von IT hat, wohl aber überwältigt ist von der transformativen Kraft der Digitalisierung - und an die Zukunftsversprechen der Branche glaubt. Oder zumindest an die Unvermeidlichkeit einer durchdigitalisierten Zukunft, nach dem Motto "Widerstand zwecklos".

    Wir müssten mal so langsam erwachsen werden, aber das sehe ich gerade nicht. Schade.

    • @zmx52:

      Naja, soo groß ist die Lobby der Fingerabdruckscanner-Hersteller dann auch nicht und für die restliche IT-Branche dürfte die ebenfalls enthaltene eID-Funktion wesentlich interessanter sein.

  • Gerade wollte ich schreiben: Das haben sich noch nicht mal die Nazis getraut. Dann habe ich's zur Sicherheit gegoogelt und wurde eines Besseren belehrt.

    Also nun die Rückkehr zum Stand von 1938.

    Was passiert, wenn man sich weigert? Erst 800 Euro Bußgeld, dann Erzwingungshaft? Will es jemand ausprobieren? Nein? Hab ich mir gedacht...