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BGH-Urteil zu Cum-Ex-GeschäftenKriminelle Steuertricks

Die Cum-Ex-Geschäfte sind nichts anderes als Steuerhinterziehung und damit strafbar, bestätigt der BGH. Etlichen Beteiligten droht nun Gefängnis.

Frankfurter Skyline: Banken und Finanzinvestoren haben den Staat um Milliarden betrogen Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters

Karlsruhe taz | Die so genannten Cum-Ex-Geschäfte waren strafbar. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) an diesem Mittwoch in einem Grundsatzurteil bestätigt. Damit müssen Hunderte Banker und andere Beteiligte mit einer baldigen Verurteilung rechnen.

Beim Cum-ex-Skandal geht es um Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende. Die Beteiligten ließen sich Kapitalertragssteuer zweimal erstatten, obwohl sie nur einmal bezahlt wurde. Komplexe Aktienverkäufe rund um den Dividendenstichtag tarnten den Trick. Die Täter hatten damit dem Fiskus rund 10 Milliarden Euro Schaden verursacht. Mitbeteiligt waren Anwälte, Investment-Profis und Banken.

Die Beteiligten hätten ganz genau gewusst, dass sie kriminell handeln, so der Richter

In einem Pilotprozess hatte das Landgericht Bonn im März 2020 zwei junge Londoner Investmentbanker verurteilt. Martin Sh. erhielt wegen Steuerhinterziehung eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Bei Nick D. betrug die Bewährungsstrafe ein Jahr wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

Der Haupttäter Sh. hatte in Zusammenarbeit mit der Hamburger Warburg-Bank in den Jahren 2007 bis 2011 einen Schaden von 166 Millionen Euro angerichtet und in Zusammenarbeit mit speziell gegründeten Fonds einen Schaden von weiteren 225 Millionen Euro. Verglichen damit war die Bewährungsstrafe für Sh. sehr milde. Doch damit wurde belohnt, dass Sh. und D. die Aufklärung maßgeblich unterstützt und auch vor Gericht umfangreich über die Machenschaften ausgesagt hatten.

„Griff in die Steuerkasse“

Der BGH bestätigte nun das Bonner Urteil in vollem Umfang. Die Verteidigungslinie der noch nicht geständigen Täter, man habe doch gar nichts Verbotenes gemacht, ist damit endgültig nicht mehr haltbar. „Es gab hier weder ein legales Steuergestaltungsmodell noch das zulässige Ausnutzen einer Gesetzeslücke“, betonte der Vorsitzende BGH-Richter Rolf Raum. Er sprach vielmehr von einem „Griff in die Kasse, in die alle Steuerzahler einzahlen“.

Die Beteiligten hätten auch genau gewusst, dass sie kriminell handeln, so Raum. „Die Geschäfte machten wirtschaftlich gar keinen Sinn“, betonte der Richter. Profite hätten sich nur ergeben, indem die Steuer­erstattung doppelt kassiert wurde. Die Beteiligten hätten auch vorab vereinbart, wie die erzielten Profite verteilt werden. Raum zitierte einen Insider: „Alle Fakten haben auf dem Tisch gelegen“.

Bei Martin Sh. hatte das Landgericht Bonn die Einziehung von Profiten in Höhe von 14 Millionen Euro angeordnet, bei der Warburg-Bank von 166 Millionen Euro plus 10 Millionen erwirtschafteter Zinsen. Beides bestätigte nun der Bundesgerichtshof. Eine mögliche Verjährung der steuerrechtlichen Rückforderung stehe dem nach einer Gesetzesänderung von Ende 2020 nicht mehr entgegen.

Banken mitverantwortlich

Die Warburg-Bank hatte sich insbesondere darauf berufen, dass sie gar nichts Böses geahnt habe. Darauf komme es bei der Vermögensabschöpfung nach Straftaten aber gar nicht an, betonte der BGH. Es genüge, dass Martin Sh. „für die Bank“ gehandelt habe.

Abgelehnt wurde allerdings auch die Revision der Staatsanwaltschaft. Sie wollte, dass die Warburg-Bank die 176 Millionen Euro allein bezahlen muss. Es bleibt nun aber bei der vom Landgericht Bonn angeordneten „gesamtschuldnerischen Haftung“. Das heißt, Einziehungen bei Martin Sh. und anderen Beteiligten reduzieren den Betrag, den die Bank zahlen muss.

Mit diesem Grundsatzurteil dürfte sich die juristische Aufklärung des Cum-Ex-Skandals nun deutlich beschleunigen. Allein bei der Staatsanwaltschaft Köln, wo die federführende Anklägerin Anne Brorhilker seit 2013 die Dinge vorantreibt, laufen über 60 Ermittlungsverfahren mit 900 bis 1.000 Beschuldigten.

Nachdem der BGH die Rechtslage nun rechtskräftig festgestellt hat, dürfte es für viele Beschuldigte naheliegen, Geständnisse abzulegen und auf eine relativ milde Strafe zu hoffen. Bewährungsstrafen dürften nun aber nicht mehr die Regel sein, weil die Aufklärung weitgehend geleistet ist.

Am 1. Juni wurde beim Landgericht Bonn zum ersten Mal ein Banker verurteilt. Der Ex-Generalbevollmächtigte der Warburg-Bank erhielt eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren. Staatsanwältin Brorhilker fand auch das noch zu milde und legte Revision zum BGH ein, über die erst in einigen Monaten entschieden wird. Einer der Haupttäter, der Anwalt Hanno Berger, der sich viele der Cum-Ex-Modelle ausgedacht hatte, sitzt derweil in der Schweiz in Auslieferungshaft. Seine Auslieferung nach Deutschland hängt davon ab, ob Schweizer Gerichte die Cum-Ex-Tricksereien als Betrug einstufen. Wegen Steuerhinterziehung liefert die Schweiz niemand aus. Das BGH-Urteil brachte hierzu keine neuen Erkenntnisse.

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12 Kommentare

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  • Ich würde dafür plädieren, dass Steuerhinterziehung in diesem Umfang als staatsgefährdende Straftat (StGB 89a) geahndet wird.



    Also in Tateinheit usw. damit die Gesamtstrafe angemessen ausfällt.



    Auch der Umstand, dass Vermögen das auch nur zum Teil aus Straftaten stammt, zur Gänze beschlagnahmt werden kann sollte nicht unberücksichtigt bleiben.

    Aber ich fürchte eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Bolzkopf:

      Das Merkwürdige ist ja, dass es zwar Gesetze gibt, aber deren Anwendung fällt ja höchst unterschiedlich aus.

      Einige Gesetze sind auch so schlecht formuliert, dass es sogenannte Schlupflöcher gibt. Den Schaden hat das Volk.



      Das Stopfen von Schlupflöchern dauert und dauert und dauert.... will man das überhaupt?

      Wichtiger scheint zu sein, ob die Firma Lindt ihre Schokoladenprodukte nunmehr allein in Goldpapier einwickeln darf. Dafür nimmt man sich Zeit!!!!

  • Ist das nicht toll ??

    Niemand fragt danach,



    warum überhaupt jemand legal seine Kapitalertragssteuern zurück erhalten kann.

    Bekommen Sie etwa ihre Lohn- oder Mehrwertsteuer zurück ?

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Die Täter hatten damit dem Fiskus rund 10 Milliarden Euro Schaden verursacht."

    Wird man die Täter in Handschellen abführen und in den Knast stecken?



    Je größer die Sauerei, um so milder die Strafen? Wir werden es erleben.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Der "Best-Buddy" des Herrn Olearius (Warburg Bank) bewirbt sich aktuell völlig schamlos gar ums höchste Amt im Lande! Honi soit qui mal y pense...

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Teile die Befürchtung.....

  • Die Subventionsmentalitätsorgie in EU, Deutschland, fehlende Erfüllung von Umsatzträumen, Profit in Unternehmen durch Subventionen ersetzt zu verwirklichen, nur damit Wachstumsgeräusche in der Wirtschaft im Leerlauf generiert werden, frisst nun mit diesem BGH Urteil zu Cum Ex Deals ihre eifrigsten Kids, die im Übereifer des Gefechts tollkühn in ihren Fliegenden Kisten Cum Ex Geschäfte mit krimineller Energie ersannen und lancierten, um neoliberal staatlichem Mantra von Wachstum um jeden Preis auch der Moral vom Ganzen ein Jubelfest zu bereiten, begleitet vom Gelächter global flotierenden Kapitals. Neben diesen Cum Ex Akteuren*nnen gehört aber auch die Politik in Deutschland bis ins Finanzministerium, BaFin, EU auf die Anklagebank, wg deren Politik dunkler Anreize zu gewagten Steueroptimierungsmodelle mit augenzwinkernder Option auf Geldwäsche als Standortvorteil, Steueroasen ganz unpolitisch als Mitbewerber das Wasser abgraben zu wollen in Tateinheit Anfangsverdacht politisch organisierter Korruption bis hin zu Gesetzesvorlage Entwürfen zu fremdem Zweck aus privater Berater Trust Hand frei Haus, Ministerium Free on Board (FOB)

    • @Joachim Petrick:

      Danke. (btw auch - daß ich mal wieder -fob - in einem Text lese!;) - (mein Alter war Koofmich;)

  • Kann ich dann Peter Tschentscher wegen Strafvereitelung, Beihilfe und Vertuschung anzeigen? Kann mir die Rote Hilfe dabei helfen? Die haben doch Ahnung von Strafrecht...Hat Gregor Gysi grade nen Job?

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @KnorkeM:

      Gute Idee. Fragen kostet nichts!

  • Sauber. Feine - klare Begründung.

    unterm—— könnte spannend werden —



    “ Cum-Ex-Geschäfte -



    Von Einzelnen wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Cum-Ex-Geschäfte in Harbarths ehemaliger Kanzlei Shearman & Sterling „zur juristischen Reife“ gebracht worden seien.[41] Lars Wienand schrieb hierzu auf T-Online.de über Harbarth: „2000 steigt er bei der Großkanzlei Shearman & Sterling LLP ein. Seine Zeit dort fällt in die Jahre, als auch dort die Cum-Ex-Modelle ausgetüftelt werden. Um den Staat auszuplündern.“[42]“ Ach was! Herr Stephan Harbarth -



    de.wikipedia.org/wiki/Stephan_Harbarth

    Das steht ja nun fest - Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts - Gellewelle.



    Aber bisher - war ehna ja noch nie was peinlich.



    Aber strafbar - issen anderer Schuh - odr?

    kurz - Wir dürfen gespannt sein!



    Normal Schonn - wa.



    & Zweifel gab‘s schon zuvor - en mass:



    “ Cum-Ex-Erfinder und Lobbyist soll Bundesverfassungspräsident werden“



    www.altersdiskrimi...tikel.php?id=11264



    & auch Herr Christian Rath -



    “ Neuer Präsident des Verfassungsgerichts: Der Voßkuhle-Nachfolger



    Der Anwalt und CDU-Politiker Stephan Harbarth tritt sein neues Amt in Karlsruhe an. Umstritten ist er wegen seiner Nähe zu VW.



    taz.de/Neuer-Praes...7&s=Harbarth+rath/



    Allerdings stark nachsichtig & pro domo -



    “… Die Vorstellung, ein Konzern könne in Karlsruhe einen genehmen Verfassungsrichter installieren, ist aber recht abwegig. Denn auch der Gerichtspräsident hat in der Abstimmung nur eine Stimme. Wer den Verdacht erweckt, er vertrete fremde Interessen, würde bei den Richterkollegen schnell jeden Respekt verlieren und bliebe isoliert und einflusslos.…“ But.



    Ein durch nichts bewiesenes abgestandenes Wunschbild •



    Ernst Benda Roman Herzog Jutta Limbach anzuführen - macht das nur noch deutlicher!



    Das waren keine als Lobbyisten - Nebenberufs“abgeordnete“! Gellewelle •