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Politik und Diskurs in der CoronakriseIm ständigen Alarmmodus

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Eine strengere Testpflicht für Reiserückkehrer ist zumutbar. Doch die Maßnahme steht sinnbildlich für eine gefährliche Neigung, in der Krise zu spät zu reagieren.

Für viele anscheinend überraschend: In den Sommerferien 2021 wird viel gereist Foto: Michael Gstettenbauer/imago

A llzu viel sollte sich von einer verschärften Testpflicht für Reiserückkehrer niemand erwarten. Für Flugzeugpassagiere, die im Ausland gestartet sind, gilt sie sowieso schon. Sollte die Regelung tatsächlich ausgeweitet werden, würde sich nur für Rückreisen auf dem Land- oder Seeweg etwas verändern. Dort wäre eine durchgehende Kontrolle aber so schwierig, dass der Zusatznutzen beschränkt ist. Andererseits: Zusätzliche Tests würden trotz allem zumindest ein paar Infektionen verhindern.

Einen unzumutbaren Eingriff stellen sie auch nicht dar. Kann man also machen. Nur: Wenn man die Verschärfung für richtig hält, warum kommt sie dann erst jetzt? Dass Menschen im Sommer reisen, ist hinlänglich bekannt. Dass die Pandemie trotz Impfungen bis Juli nicht beendet sein wird, war absehbar. Statt im zweiten Jahr der Krise endlich frühzeitig Regelungen zu treffen, rangeln Bund und Länder jetzt aber wieder auf den letzten Drücker um die richtige Einreiseregelung.

Wenn die Verschärfung kommt, werden die Sommerferien in manchen Ländern schon wieder vorbei sein. Die Rückkehrer sind dann schon zurück, ob infiziert oder nicht. So läuft es in der Pandemie regelmäßig: Zentrale Fragen werden verschleppt, bis es für die Entscheidung zu spät ist. Bei der Frage, wie die Impfquote erhöht werden kann, ist es ähnlich. Mehr Druck auf Ungeimpfte?

Darüber könne man sich im Herbst Gedanken machen, sagte Armin Laschet kürzlich und brachte das Problem damit unfreiwillig auf denPunkt. Leider ist das kein individuelles Problem des CDU-Chefs. Seine Haltung ist nicht exklusiv. Der öffentliche Diskurs als Ganzes hat eine gefährliche Neigung zur Vertagung. Auch das Impfproblem hatte sich ja abgezeichnet. Die Diskussion um eine Impfpflicht, andere Druckmittel oder Anreize gab es erstmals im Herbst und dann erneut zu Jahresbeginn.

Beide Male endete sie ohne Ergebnis. Wir haben gerade andere Probleme, war der Tenor. Lasst uns doch erst mal abwarten, bis genug Impfstoff da ist. Jetzt ist genug da. Was jetzt fehlt, sind wenig überraschend Ideen, wie man den Impfstoff an die Leute bringt. Dass es in der Pandemie so läuft, ist natürlich verständlich. Krisen produzieren gesellschaftliche Überforderung.

Im ständigen Alarmmodus stehen, durchgehend akute Probleme auf der Tagesordnung – für Präventionsdiskurse bleibt dazwischen wenig Zeit. Wie sich das beheben lässt? Keine Ahnung. In der Aufarbeitung der Pandemie sollte die Frage aber eine Rolle spielen. Eine Antwort wäre extrem hilfreich. Die nächsten Krisen sind schon da.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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2 Kommentare

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  • "Der öffentliche Diskurs als Ganzes hat eine gefährliche Neigung zur Vertagung." - Sehr wahr!

    Mit anderen Worten: Die starken Lobbys werden bedient (z. B. Flugreisende, Alte in Eigenheimen).



    Die anderen werden ins Abseits geschoben (insbesondere: Schüler, Alte in Altenheimen, Dienstleistungsberufe, Prekäre).

    Und der Dauer-Alarmmodus spielt die schräge Dauerschleifen-Musik dazu...

    Die Chance des - trotz allem - virenarmen 2. Corona-Sommers wurde wieder nicht genutzt, um einmal innezuhalten, nachzudenken und einen Plan aufzustellen.

  • Vor zwei Tagen gab es im Guardian einen interessanten Artikel zu der Frage, wie wir Menschen zur Impfung bewegen können. Fragen wir doch mal jetzige Corona-Krankenhauspatient*innen, die sich schon hätten impfen lassen können: Was halten Sie im Rückblick von Ihrer Entscheidung? www.theguardian.co...ine-intensive-care